AKW-Ende: Radioaktives Erbe wird lange strahlen
AKW-Ende: Radioaktives Erbe wird lange strahlen
csr-news.org: Mit Sandstrahlern gegen das radioaktive Erbe – Stillgelegtes Atomkraftwerk Lubmin wird seit Jahrzehnten stückweise abgebaut
In der Demontagehalle zerkleinern Arbeiter ein sperriges graues Teil einer Pumpe aus dem Innern eines Reaktors. Eine Bandsäge frisst sich langsam durch das Metall und zerschneidet es in kleinere Stücke. Mit Sandstrahlern werden die kontaminierten oberen Schichten entfernt, die dann wie andere verseuchte Materialien und radioaktiver Staub sicher entsorgt werden müssen. Der Abriss des Atomkraftwerks Lubmin an der Ostseeküste zeigt beispielhaft, was an anderen Atomkraftstandorten noch bevorsteht.
Mit der für Samstag geplanten Stilllegung der letzten drei Atomkraftwerke soll in Deutschland endgültig Schluss sein mit der Stromerzeugung durch Atomkraft. Zunächst läuft der Nachbetrieb weiter, weil unter anderem die Reaktoren weiter gekühlt werden müssen. Der dann folgende Abbau der Kraftwerke wird Jahre oder gar Jahrzehnte dauern.
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Die Anlage in Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern – das frühere Kernkraftwerk Greifswald – war neben Rheinsberg eines von zwei Atomkraftwerken der DDR und betrieb einst fünf Reaktorblöcke. Als es 1990 mit der Wiedervereinigung stillgelegt wurde, deckten die Meiler aus sowjetischer Serienproduktion etwa elf Prozent des Strombedarfs der DDR. Seit 1995 und damit seit fast 30 Jahren läuft in Lubmin der Rückbau.
“Diese Kernkraftwerke wurden für die Ewigkeit gebaut”, sagt Hartmut Schindel vom bundeseigenen Entsorgungswerk für Nuklearanlagen (EWN). Der Rückbau sei ein Lernprozess gewesen. Bei der Konzipierung der Anlage in den 60er Jahren habe sich naturgemäß niemand mit dem Thema Stilllegung befasst.
Insgesamt fallen in Lubmin 1,8 Millionen Tonnen Material an. “Das ist eine gewaltige Menge”, betont Schindel, der 1976 zu DDR-Zeiten in der Anlage anfing und später für die Entsorgung von Atommüll zuständig war. Im Schnitt können laut EWN von den Teilen der Anlage knapp drei Viertel, darunter Bauschutt, Pumpen und Rohrleitungen, nach Prüfung weiterverwertet werden. Der Rest ist radioaktiver Abfall und muss entsorgt werden.
Der Zugang zum Demontagebereich wird streng kontrolliert. Die Arbeiter müssen sich vor dem Betreten der Halle umziehen und unter anderem spezielle, leuchtend orangefarbene Overalls überstreifen. Die Strahlenbelastung wird mit einem kleinen Messgerät überprüft, das in der Brusttasche steckt. Beim Verlassen der Halle wird in einer Kabine automatisch die Kontamination gemessen, bevor sich der Ausgang öffnet.
Zu den letzten Gegenständen, die entsorgt werden müssen, gehören große Bauteile aus dem Kern der Reaktoren, die in einem riesigen Hangar auf dem Gelände lagern. Sechs Druckbehälter und 21 in bunten Farben lackierte Dampferzeuger warten dort auf ihre Zerlegung. Die EWN errichtet dafür eine komplett neue Demontagehalle, die 2025 fertig sein soll.
Die Anlage, in der die am stärksten radioaktiven Teile des Reaktorkerns aus Sicherheitsgründen unter Wasser zersägt werden, könnte als Modell für andere Stilllegungsmaßnahmen dienen, erklärt EWN-Sprecher Kurt Radloff. Die Arbeiten sollen bis in die 2060er Jahre andauern und laut Radloff insgesamt einen “hohen einstelligen” Milliardenbetrag kosten.
Der Rückbau der früheren DDR-Kernkraftwerke sei “komplexer”, nicht zuletzt weil bei der Wiedervereinigung Informationen “verloren gegangen” seien, erklärt Christian von Hirschhausen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Aber selbst der Rückbau einiger westlicher Anlagen könne noch 30 bis 40 Jahre dauern… weiterlesen