Anleitung zum umweltbewussten Unternehmertum

Anleitung zum umweltbewussten Unternehmertum
Dr. Georg Winter Foto: Winter Stiftung

Anleitung zum umweltbewussten Unternehmertum

Wirtschaftlicher Erfolg bei gleichzeitigem Umwelt- und Klimaschutz-Engagement sind keine blauäugigen Postulate hoffnungsfroher, aber eher weltfremd agierender Utopisten. Sie bedingen sich. Davon ist der Hamburger Unternehmer Dr. Georg Winter überzeugt, und sein Lebenswerk legt davon Zeugnis ab.

Die Rahmenbedingungen, das weiß Winter, sind zurzeit alles andere als gut. Umweltvergiftung, Entwaldung und der Verlust an Biodiversität, das sich aufheizende Klima, die Versauerung der Ozeane und die Degradierung der Böden lassen kaum Hoffnung auf eine für Menschheit und Natur rosige Zukunft auf unserem Planeten keimen. Dennoch bleibt er optimistisch. Winter hat in Jahrzehnten seines Wirkens immer wieder aufs Neue belegt, dass er die Stellschrauben kennt, mit denen er Veränderungen zum Positiven anstoßen und Entwicklungen zum Guten lenken kann. Mit Toolmakers for the Future, dem nun auf Englisch vorliegenden, recht umfangreichen und detaillierten Kompendium zur Geschichte des International Network for Enviromental Management (INEM), in dem der leider 2014 verstorbene Autor und Ex-Mitarbeiter der Organisation, Peter Hundley, im Wachholtz Verlag facettenreiche Einblicke in Leben und vor allem in das Werk des Hamburger Unternehmers und Umweltvisionärs Winter vermittelt, liegt nun eine Beschreibung für alle vor, die sich mit dem Spannungsfeld zwischen Wirtschaft und Umwelt beschäftigen – eine wahrlich eine lohnende Lektüre.

Das Buch liefert den interessierten Lesenden tatsächlich jene Werkzeuge, die sie brauchen, um Unternehmen nicht nur ökonomisch erfolgreich, sondern vor allem ökologisch sinnvoll und sozial ausgleichend zu führen. Das Buch zeigt, wie Winter als Pionier der umweltbewussten Unternehmensführung seit 1972 – im gemeinsam mit seinem Bruder vom Vater übernommenen Betrieb – den Umweltschutz zu einem Unternehmensziel erklärte und in allen betrieblichen Bereichen und Ebenen verwirklichte. Es wird ausgeführt, wie Winter für die deutschlandweite Verbreitung des „Integrierten Systems umweltbewusster Unternehmensführung“ Sorge trug, indem er 1984 den Bundesdeutschen Arbeitskreis für umweltbewusstes Management (B.A.U.M. e.V.) gründete und mit Unterstützung durch den langjährigen Vorsitzenden Dr. Maximilian Gege aufbaute. Auf internationalem Parkett initiierte Winter das International Network vor Environmental Management (INEM e.V.). So wurde das Integrierte System umweltbewusster Unternehmensführung in der Welt der Wirtschaft als Standard etabliert. Winters Meisterleistung gründet im Persönlichen, wurde mit Engagement und konsequenter Zukunfts-Zuversicht vorangetrieben nun dient heute als „kompletter Werkzeugkasten“ all jenen, die wie Winter davon überzeugt sind, dass Ökonomie und Ökologie keine Gegensätze sind. Richtig verstanden ergänzen sie sich und erwirtschaften ein für beide Seiten dieser Medaille besseres Ergebnis.

Lesen Sie auch:

Das Lebenswerk von Winter erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Deutschen Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (1995) und den Change the World – Best Practice Prize des Club of Budapest (2003).

Ökonomen für Ökologie interessieren

Winters Motivation ist sicher seine tiefe Liebe zur Natur und allem Lebenden. Sein Weitblick ließ ihn nicht nur Regeln für Betriebe und deren umweltbewusste Führung ersinnen. Als Jurist und Naturliebhaber setzt Georg Winter sich auch dafür ein, dass die Natur in der Verfassung als Träger eigener Rechte anerkannt wird, der seine Rechte auf dem Rechtswege durchsetzen kann. Mit dieser Zielsetzung gründete Winter die Winter Stiftung für Rechte der Natur. Er übertrug sein Eigentum an einem Geschäftshaus in der Hamburger Innenstadt als Stiftungskapital auf die gemeinnützige Stiftung. Die eingehenden Mieten werden für den Stiftungszweck eingesetzt.

Haus der Zukunft in Hamburg Foto: Winter Stiftung

Das persönliche Erleben sowie der Einsatz für die Natur, aufgerüttelt durch die Lektüre über den sich verschlechternden Zustand der Umwelt seit den frühen 1970er-Jahren, ließen in Georg Winter die Überzeugung wachsen, dass sich „ein Unternehmen, das sich dem Gewinn nicht verwehrt, trotzdem als Speerspitze des Umweltgedankens verstehen“ könne und so – nach seiner Auffassung – verstehen müsse.

Dieser Impuls führte Georg Winter zur Entwicklung des „Winter-Modells“- eines Pionierkonzepts für umweltbewusste Unternehmensführung, bei der es nie nur um ökologische Produkte oder Prozessoptimierung ging. Winter verstand diese Aufgabe stets umfassender. Er bezog sie immer auch auf Bauten, auf den Fuhrpark, die Rohstoffe – und vor allem auch: auf alle Mitarbeitenden.

Zu einer der Schlüsselerkenntnisse, wie sich die Besinnung auf Ökologie auch unter Ökonomen verankern und verbreiten lässt, die Winter früh entdeckte, gehört, dass sich die Idee nicht von oben nach unten sondern umgekehrt – und viel wirkungsvoller – von unten nach oben verbreiten muss. Von Anfang an bezog er deshalb seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter regelmäßig in den Wandel ein, vermittelte Informationen, verband etwa bei Betriebsausflügen Nützliches wie den Besuch vorbildlicher Einrichtungen mit dem Angenehmen wie einer gemeinsamen Radtour.

Partnerschaften als Mittel zur Verbreitung einer guten Idee

Früh war Winter klar, dass nur dann konsequentes Umweltengagement in einer Belegschaft erreichbar sei, wenn er die Menschen vom Sinn dessen überzeugte: Er initiierte Energiesparmaßnahmen, die sie auch zuhause umsetzen und mit denen sie bares Geld sparen konnten, er organisierte Müllaufklärung oder gab ihnen Tipps, wie sie gesünder leben – was am Ende eben auch dem Unternehmen zu Gute kam.

Partnerschaften erkannte Winter ebenfalls früh als wichtiges Instrument, das ihm half, seine Idee des umweltbewussten Managements zu vervielfältigen. Dies Prinzip verankerte er auch bei INEM. Er suchte Verbindungen zu Geschäftspartnern, er fädelte Kontakte zu Politikern ein und knüpfte Verbindungen zu internationalen Organisationen. Winter wob ein Netzwerk, das den Namen verdient. Es ist Austauschbörse, es bündelt Fachwissen, von dem alle Mitstreiter profitieren, es leistet wortwörtlich exzellente Lobbyarbeit für die aus Winters Sicht richtige Sache: Es stärkt das Bewusstsein, dass nur eine intakte Umwelt Basis für florierendes Wirtschaften sein kann.

Internationale Erfolge der INEM-Arbeit

Unter der konsequenten Verfolgung dieses Ziels schaffte es INEM unter anderem mit der Verbreitung der ISO 14001 einen bis heute wichtigen Umweltstandard zu etablieren. Wesentlicher Treiber dahinter war Georg Winter. Er hatte den Wert und die Bedeutung einer internationalen Vernetzung im eigenen Betrieb gelernt, der einst Diamantwerkzeuge auf mehreren Kontinenten vertrieb. Als Inspirator bei INEM e.V. trieb er diese internationale Vernetzung voran, nachdem der Anstoß zu einer allgemein gültigen Regelung für ein umweltbewusstes Handeln in Unternehmen 1992 bei GATT-Verhandlungen im Nachgang zum Rio-Umweltgipfel gefallen war. Mit INEM e.V. unterstützte Winter den Prozess aktiv.

Hunderttausende Organisationen in über 150 Ländern der Erde akzeptieren diesen Standard bis heute als Richtschnur für ein umweltkonformes Wirtschaften.

Die Norm erklärt, wie Unternehmen und andere Organisationen ihre Produktionen und Prozesse organisieren, um dabei der Umwelt nicht zu schaden. Sie regelt, wie dies kontrolliert werden kann und legt die allgemein anerkannte Basis zum Aufbau eines Umweltmanagements in Organisationen.

Gerd Pfitzenmaier

Peter Hundley
Toolmakers for the Future
International Network for
Environmental Management
524 Seiten
Wachholz Verlag Kiel/Hamburg, 2023
56 Euro

Angelika Marsch
Vom ersten Diamantwerkzeug zum Haus der Zukunft
175 Jahre Innovation und Verantwortung
414 Seiten
Wachholz Verlag Kiel/Hamburg, 2022
34 Euro

Eberhard Seidel (Hrsg.)
Georg Winter –
Pionier der umweltbewussten
Unternehmensführung
Festschrift zum 70. Geburtstag
638 Seiten
Metropolis Verlag Marburg, 2012
29,80 Euro

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.