Deutschland überzieht sein CO2-Budget
Deutschland überzieht sein CO2-Budget
focus.de: Eine alarmierende Berechnung: Klima-Berater der Bundesregierung haben ermittelt, dass Deutschland jetzt schon mehr CO2 verbraucht hat, als ihm zustehen würde, wenn die Welt das 1,5-Grad-Ziel erreichen will. Jetzt muss die Bundesrepublik aufs Ausland hoffen – oder auf ein technisches Wunder.
Die Bundesrepublik Deutschland hat bereits jetzt mehr CO2 verbraucht, als ihr zustehen würde, wenn die Welt das sogenannte 1,5-Grad-Ziel noch erreichen will. Das ist das Ergebnis neuer Berechnung des sogenannten Sachverständigenrats für Umweltfragen (SRU), der seit Jahrzehnten die Bundesregierung berät.
„Die Klimawissenschaft hat stets gewarnt, dass sich das Fenster schließt, in dem Deutschland einen ausreichenden und fairen Beitrag zur Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze leisten kann“, sagt Wolfgang Lucht, Professor am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und Mitglied des Rates. „Inzwischen ist unausweichlich, dass wir mehr CO2 ausstoßen, als uns zusteht, wenn wir unseren Anteil an der Weltbevölkerung zugrunde legen.“ Die Überschreitung des deutschen Budgets müsse Ansporn sein, fordert Lucht – „es wirft aber auch die Frage nach der Verantwortung für Schäden und Verluste aufgrund der Überschreitung auf.“
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Eine simple Rechnung
Zum Hintergrund: Auf der Pariser Klimakonferenz von 2015 hatten sich die Staaten der Erde verpflichtet, den Anstieg der menschengemachten globalen Erwärmung bis 2100 auf maximal 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Das CO2-Budget beschreibt, wie viele Treibhausgas-Emissionen bis dahin maximal in die Luft gepustet werden dürfen, um die Schwelle nicht zu überschreiten. Der deutsche Anteil an diesem globalen Budget entspricht dem deutschen Anteil an der Weltbevölkerung – derzeit also ungefähr ein Prozent.
Im Pariser Abkommen von 2015 findet das Konzept des CO2-Budgets keine Erwähnung, ein Überziehen des Budgets bleibt völkerrechtlich also ohne Folgen. Allerdings hat sich Deutschland auf nationaler und europäischer Ebene verbindliche Ziele zur Emissionsreduktion gesetzt, und das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Klima-Urteilen bereits auf das CO2-Budget Bezug genommen. Wenn Deutschland sein Budget überzieht, ist das also durchaus von Relevanz.
Budget nach unten korrigiert
In einer letzten Berechnung aus dem Jahr 2022 war das SRU noch davon ausgegangen, dass die Bundesrepublik ihr Budget erst im Jahr 2031 überziehen würde. Seitdem hätten sich aber einige neue klimawissenschaftliche Erkenntnisse ergeben, schreiben die Forscherinnen und Forscher, die Erde erhitze sich schneller als gedacht. Außerdem habe man zwei weitere Jahre mit Emissionsdaten vorliegen.
Das Ergebnis: Das SRU geht (wie viele internationale Klimaforscher) mittlerweile davon aus, dass das globale CO2-Budget zu hoch angesetzt war, um mehr als ein Viertel. Wenn das globale Budget nach unten korrigiert wird, schrumpft auch der deutsche Anteil – und die Bundesrepublik überzieht plötzlich ihr Budget.
Deals mit dem Ausland
Die Autorinnen und Autoren nennen zwei mögliche Lösungen aus dem Dilemma. Nummer eins: Das Ausland muss noch mehr sparen. Auf europäischer Ebene muss Deutschland bereits Strafzahlungen an andere Länder leisten, wenn es seine Klimaziele reißt, wie es etwa seit Jahren im Verkehrssektor geschieht. Das EU-Recht verpflichtet Deutschland dazu, sogenannte Zertifikate von Mitgliedsstaaten wie Bulgarien, Tschechien oder Ungarn aufzukaufen, die ihre Verkehrsziele erreichen konnten… weiterlesen