ESG: Reden war gestern, heute heißt es liefern

ESG: Reden war gestern, heute heißt es liefern
Foto: Pixabay CC/PublicDomain

ESG: Reden war gestern, heute heißt es liefern

EU-Regularien, das Lieferkettengesetz, die neue Corporate-Sustainability-Reporting-Richtlinie und der Wunsch vieler Konsumenten nach „grünen Produkten“: Nachhaltige, klimafreundliche, sozial verantwortliche, gute Unternehmensführung (ESG) ist das Gebot der Stunde. Dennoch hinken die ESG-Beauftragten in vielen Unternehmen ihren Zielen hinterher.

Das ist die Kernaussage des neuen Sustainability Leadership Reports 2022 der Top-Executive-Search-Beratung Spencer Stuart. Für diese Studie – die zweite ihrer Art seit 2016 – haben die Berater weltweit Führungskräfte aus dem Bereich Nachhaltigkeit befragt, um die Bedeutung von Chief Sustainability Officers (CSOs) zu untersuchen und etwaige Fortschritte sichtbar zu machen.

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Larry Fink, CEO von Blackrock, der größten Investmentgesellschaft der Welt, schreibt böse Briefe an Vorstandsvorsitzende, die nicht genug für den Klimaschutz tun und droht damit, Kapital abzuziehen. Die Nachrichtenagentur Bloomberg macht sich lustig über das kanadische Bergbauunternehmen Teck Resources, das glaubt, ein grünes Image aufzubauen, indem es alle Unternehmensteile, die Umweltschäden produzieren, in eine neue Gesellschaft auslagert. Die deutsche Presse attackiert den Zementhersteller Heidelberg Materials als „einen der größten Klimasünder Deutschlands“ und als „zu grün, um wahr zu sein“. Alle ziehen dasselbe Fazit: Weniger Rhetorik und mehr Taten wären angebracht.

Führungskräfte, die heute noch glauben, ESG sei wieder nur ein Modewort, das sich bald erledigt hat, werden in diesem Klima immer seltener. Im Gegenteil, in Deutschland sind Themen wie Nachhaltigkeit und Diversity zunehmend gut im Topmanagement verankert. Das zeigt die Studie „Licence to Transform – Spencer Stuart’s 2022 Survey of Sustainability Leaders.“ In 16 der 40 DAX-Unternehmen wird das Thema Nachhaltigkeit demnach vom CEO, vom Chief Human Resources Officer (CHRO), einem CSO oder einem anderen Vorstandsmitglied vertreten. Immer öfter werden Nachhaltigkeitsziele in den KPIs für die Festlegung der Vorstandsvergütung verankert. Auch Nachhaltigkeitsgremien oder -räte auf verschiedenen Ebenen der Unternehmen werden immer verbreiteter. 

Neue Gesetze treiben ESG voran

So haben elf der 40 DAX-Unternehmen im Aufsichtsrat spezielle Sustainability Committees etabliert, die sich entweder ganz dem Thema Nachhaltigkeit widmen oder es in Kombination mit weiteren Aspekten wie Ethik, Diversität, Strategie und Inklusion betrachten. Neben der Berichterstattung steht für Nachhaltigkeitsverantwortliche in Deutschland aktuell die Umsetzung der EU-Taxonomie im Vordergrund, ebenso wie die Prüfung und Einhaltung des Lieferkettengesetzes. 

Die gesamte Führungsriege trägt heute die Nachhaltigkeitsstrategien der CSOs mit. Das sagen 94 Prozent der Befragten. 2016 waren es erst 49 Prozent. Neben Umweltthemen spielen für CSOs soziale Aspekte eine immer wichtigere Rolle. 86 Prozent der Befragten führen in diesem Zusammenhang Diversität und Inklusion an, aber auch verantwortliches Verhalten der Lieferanten (76 Prozent). Sagten 2016 noch 43 Prozent der Befragten, dass ihre Verantwortung über reine Umweltthemen hinausgeht, waren es 2022 bereits 78 Prozent der Nachhaltigkeitsverantwortlichen. Das sind die guten Nachrichten der Studie.

Kleine Teams und kleine Budgets

Die schlechte jedoch lautet: Mehr als die Hälfte (52 Prozent) der Nachhaltigkeitsverantwortlichen gibt zwar an, dass sie „sehr ehrgeizig“ seien bei ihrer Strategieentwicklung, aber nur 21 Prozent der Befragten sehen sich als „sehr gut positioniert“ an, um diese Strategien auch umzusetzen. 

Britt Bergen

53 Prozent der CSOs haben Teams mit zehn oder weniger Mitarbeitern und nur 35 Prozent gehen davon aus, dass sich diese Zahl im kommenden Jahr erhöht. Was das Budget betrifft, erwarten 80 Prozent eine Steigerung in den kommenden zwei Jahren. Wer die wachsenden Herausforderungen mit einem kleinen Team meistern will, braucht entsprechend qualifizierte Mitstreiter. CSOs nennen vor allem Kenntnisse in der Datenanalyse (45 Prozent), interdisziplinäres Verständnis (38 Prozent) und ein Händchen für Change Management (34 Prozent). 

„Damit CSOs für die Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsstrategien besser positioniert sind, braucht es neben der Unterstützung der Unternehmensführung vor allem vollumfassende Befugnisse und Zugang zu Ressourcen“, sagt Britt Bergen, Beraterin bei Spencer Stuart. „Elementar für den Erfolg ist, dass die Nachhaltigkeitsagenda fest in der Kerngeschäftsstrategie und Kultur des Unternehmens verankert ist und nicht als davon losgelöster Aspekt behandelt wird“, ergänzt Julia Arco-Valley, ebenfalls eine auf ESG-Themen spezialisierte Beraterin bei Spencer Stuart

Julia Arco-Valley

Viele Unternehmen haben sich ambitionierte Ziele für Diversity und Klimaschutz gesetzt, nun gilt es, diesen Anspruch auch Realität werden zu lassen, sonst droht der Vorwurf des „Greenwashing“ von Medien, Investoren, Kunden und Mitarbeitern. Wer hingegen liefert, erzielt Wettbewerbsvorteile, auch das zeigt die Studie. Nachhaltigkeitsstrategien haben eine „deutlich positive Auswirkung“, wenn es um die Rekrutierung neuer Mitarbeiter (40 Prozent) oder die Anbahnung neuer Geschäftskontakte geht (36 Prozent). Bei der Wahrnehmung der Marke und der Sicht der Kunden, sehen 77 Prozent einen „positiven Einfluss“.

Zum Sustainability Leadership Report

Spencer Stuart führte die Umfrage im Sommer 2022 unter führenden Sustainability-Verantwortlichen durch und wertete 95 Antworten aus. Parallel wurden neun Führungskräfte aus dem Bereich Nachhaltigkeit interviewt. Der Großteil der Antworten stammt aus Europa (57 Prozent) und den USA (31 Prozent). Die Befragung, in die auch die Auswertung aktueller Literatur einfloss, wurde zusammen mit Kite Insights durchgeführt.

Über Spencer Stuart

Spencer Stuart ist seit der Gründung 1956 prägender Vordenker der Top-Executive-Search-Beratung. Als einer der weltweit und in Deutschland größten Anbieter berät die im Besitz der Berater stehende Partnerschaft führende Unternehmen und Organisationen dabei, Schlüsselpositionen mit geeigneten Persönlichkeiten zu besetzen. Spencer Stuart unterstützt Klienten zudem mit Dienstleistungen im Bereich Leadership Advisory bei der Potenzial- und Talententwicklung, bei Kulturfragen sowie beim Aufbau und der Weiterentwicklung von Aufsichtsgremien. Besondere Expertise hat Spencer Stuart bei der Begleitung unternehmenskritischer Entscheidungen auf höchster Ebene, in Nachfolge- und Übernahmesituationen sowie bei strategischen Prozessen und Veränderungsphasen. Das Unternehmen ist weltweit mit mehr als 450 Consultants in über 70 Büros in mehr als 30 Ländern vertreten.

Lukas Nekher

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