Fahrgemeinschaften: „Besser als Car-Sharing“
Fahrgemeinschaften: „Besser als Car-Sharing“
Beim Klimaschutz schwächelt Deutschland – vor allem im Bereich der Mobilität. Eine Idee, hier Abhilfe zu schaffen, sind Fahrgemeinschaften. In Frankreich werden sie inzwischen deshalb sogar vom Staat subventioniert. In Deutschland will goFLUX Mobility als Marktführer für regionale Fahrgemeinschaften dazu beitragen, dass die Klimaschutzbilanz im Verkehr besser aussieht. Im Gespräch mit globalmagazin erläutert Kommunikationschefin Lisa Schultheis, wie das Kölner Unternehmen Fahrgemeinschaften als relevante Mobilitäts-Methode im Pendelverkehr einsetzt – und welchen Klimaeffekt das mit sich bringt.
Neben dem Wiederhochfahren der Kohlemeiler verhagelt vor allem der Verkehrssektor das Verpassen der deutsche Klimaziele: Reicht es da aus, auf Fahrgemeinschaften zu setzen oder muss sich nicht (noch) Weiteres ändern?
Lisa Schultheis: Wir müssen auf mehreren Ebenen handeln. Mein Eindruck ist, dass Deutschland zu eindimensional unterwegs ist…
Wie meinen Sie das?
Die Bundesregierung will mit 8 Bausteinen den Verkehr klimaverträglicher machen, in den Medien findet aber vor allem die Berichterstattung über die Förderung von E-Fahrzeugen statt. Sharing Mobility ist im Baustein „Stärkung des Umweltverbunds“ zwar verankert, jedoch wird sie auf Landes- und Bundesebene zu wenig diskutiert und umgesetzt – und das, obwohl innovative Angebote vorhanden sind.
Was unterscheidet Ihr Konzept von jenem des Carsharings und warum soll es klimafreundlicher sein?
Beim Carsharing teilen sich Menschen Autos, aber keine Fahrten, die sowieso stattfinden. Es sei denn, sie bilden eine Fahrgemeinschaft in einem Carsharing-Auto.
Das heißt?
Grundsätzlich ist das Carsharing besser als Alleinfahrten im motorisierten Individualverkehr, jedoch werden die Ressourcen bei Fahrgemeinschaften am effizientesten genutzt. Sobald eine Person ihr Auto stehen lässt und mit einer anderen Person zur Arbeit fährt, werden aktiv CO2-Emissionen eingespart. Unsere intermodalen Fahrten (Kombination aus ÖPNV und Fahrgemeinschaft) sorgen zusätzlich dafür, dass Menschen aktiv in den Umweltverbund „umsteigen“. Dies reduziert den MIV.
Wer sollen die Nutzer/Kunden der Fahrgemeinschaften sein und wie groß schätzen Sie das Potenzial?
Das Potenzial ist enorm, wenn wir uns nur einmal den Besetzungsgrad der PKW ansehen. Im Berufsverkehr liegt er bei gerade mal 1,2 (insgesamt bei 1,4). In Deutschland sind täglich cirka 180 Millionen freie PKW-Plätze unterwegs, die Ressourcenverschwendung und damit auch das Potenzial könnte nicht deutlicher sein. Jede Person kann Fahrgemeinschaften bilden. Bei goFLUX haben wir uns mit unserer Mitfahr-App auf regionale Fahrten spezialisiert, da Pendelnde, die Zielgruppe mit dem meisten Einsparungspotenzial ist.
Gibt es eine Berechnung, wie viel CO2 damit in Deutschland vermieden werden kann?
Wenn wir es schaffen, den Besetzungsgrad in unserem Land von aktuell noch 1,4 auf 1,8 pro PKW zu steigern, ergibt das ein Einsparungspotenzial von 27 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Damit könnte die benannte Klimaschutzlücke im Verkehrssektor vollständig geschlossen werden.
Zur Einordnung der hier verwendeten Zahlen: 175 Millionen Tonnen Treibhausgase müssen von 2023 bis 2030 insgesamt eingespart werden. Wenn es uns durch Fahrgemeinschaften gelingt, den Besetzungsgrad auf 1,8 zu steigern, können wir damit die Lücke schließen. 7 Jahre Einsparungspotenzial mal 27 Millionen Tonnen ergiben 189 Millionen Tonnen eingespartes CO2.
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Früher warnten Eltern ihre Kinder vor dem Trampen und Mitfahren bei Fremden im Auto: Wie garantiert goFLUX Mobility die Sicherheit der Mitfahrenden?
Wie fast jede App heutzutage arbeiten wir mit einem Bewertungssystem, damit Nutzende zu ihren gemeinsamen Fahrten ein Feedback geben können. Außerdem sorgen Angaben im Profil – wie das Auto, das Kennzeichen, die Kontaktdaten und die Verifizierung dieser für Sicherheit. Unser Nutzungssupport steht darüber hinaus per In-App-Chat zur Verfügung, um persönlich weiterzuhelfen.
Sie nennen das französische Mitfahrgesetz als Vorbild: Was genau wird damit bezweckt und woran oder an wem scheitert eine solche Regel in Deutschland?
Frankreich hat seit Dezember 2022 das erste Fahrgemeinschafts-Gesetz in Europa verankert und geht damit völlig neue Wege, wenn es um ein kombiniertes Angebot von Fahrgemeinschaften und den öffentlichen Nahverkehr geht. Mit insgesamt 14 Maßnahmen will Frankreich regionale Fahrgemeinschaften fördern, 3 davon halte ich für elementar:
1. Ein staatlicher 100-Euro-Bonus für Personen, die zum ersten Mal Fahrgemeinschaften anbieten.
2. Finanzielle Unterstützung für Kommunen zur Finanzierung von Fahrgemeinschaften. Mitfahrende mit ÖPNV-Monatsabo fahren dadurch kostenfrei mit.
3. Stärkung des „Grünen Fonds“ in Höhe von bis zu 50 Millionen Euro im kommenden Jahr, um Kommunen bei der Etablierung von Fahrgemeinschaften zu unterstützen, bspw. zur Entwicklung spezieller Fahrgemeinschaftsspuren.
Unser Nachbarland ist damit deutlich weiter, wenn es darum geht, (regionale) Fahrgemeinschaften als relevante Mobilitäts-Methode zu etablieren. Das französische Ministerium für ökologischen Wandel sammelt monatlich Daten zu durchgeführten Fahrgemeinschaften. Seit November 2020 findet dort ein exponentieller Anstieg statt. Im Januar 2023 verzeichnet das Ministerium 783.721 Carpools, die täglich stattgefunden haben.
Monetäre Anreize und die politische Unterstützung durch einen Minister, der Fahrgemeinschaften befürwortet, tragen somit dazu bei, dass Fahrgemeinschaften einen anderen Stellenwert bekommen.
Insbesondere auf politischer Ebene ist dieses Potenzial in Deutschland verkannt – hier braucht es also mehr Aufmerksamkeit und Umsetzung.
Mobilität kostet: Wer soll die Fahrgemeinschaftenund wie genau finanzieren?
In unseren Kooperationen mit dem ÖPNV ermöglichen wir subventioniertes Mitfahren für Nutzende mit einem ÖPNV-Abo-Ticket. Mehr als 90 Prozent der durchgeführten Fahrten finden mit einem Abo-Ticket statt. Aktuell finanzieren wir diese Subventionen selbst, jedoch wünschen wir uns auch hier, nach dem französischen Vorbild, einen Etat vom Bund.
Für Unternehmen stellen wir spezielle Lizenzen bereit, die über eine jährliche Gebühr zu nutzen sind. Denn mit der neuen CSR Richtlinie wächst auch hier der Druck, nachhaltig zu agieren und betriebliche Mobilität klimafreundlicher zu gestalten. Je nach Bedürfnissen und Wünschen des Unternehmens passen wir unsere Pakete individuell an.
Sollte für Endnutzende keine Subvention zur Verfügung stehen, zahlen Personen, die in einer Fahrgemeinschaft mitfahren ca. 15 Cent pro Kilometer. Für Personen, die andere mitnehmen, rechnet sich dies im Monat wie folgt: Auf einer Fahrt von cirka. 30 Kilometer bekommen Fahrende ca. 4,55 Euro. Wenn sie 3 mal in der Woche eine Person mit zur Arbeit und wieder zurück nehmen, sparen sie im Monat um die 100 Euro. Dies erleben wir als eine einfache, aber enorme Unterstützung, die in den aktuellen Zeiten der Energie- und Klimakrise einen noch wichtigeren Stellenwert bekommt.
red