Industrie versucht Bürgerbeteiligung auszuhebeln

Industrie versucht Bürgerbeteiligung auszuhebeln
Waldrodungen für den Tesla-Bau Foto: bund.net

Industrie versucht Bürgerbeteiligung auszuhebeln

Vorsicht, Bürgerrecht in Gefahr: Mit dem neuen Rechtsgutachten einer Kölner Großkanzlei macht der Verband der Chemischen Industrie (VCI) Stimmung gegen zu viel Mitsprache besorgter Menschen. Großprojekte könnten, heißt es dort, „wahrscheinlich deutlich schneller vorankommen, wenn der Gesetzgeber die Mitspracherechte von Bürgern beschneiden würde“. So jedenfalls zitiert das Handelsblatt die Ansicht der Lobby-Juristen.

Das alarmiert: Es sind Aussagen, die Umwelt- und Naturschützer aufhorchen lassen, ja endlich wachrütteln müssen. Die sollten sich wappnen, denn ein Teil der deutschen Wirtschaft will offensichtlich demokratische Grundrechte entsorgen.

Umweltschäden verhindern

Die Beteiligung der Öffentlichkeit ist im deutschen Recht – gemeint ist vor allem das Immissionsschutzgesetz – nicht ohne Grund geregelt und verankert. Sie soll garantieren, dass alle Argumente auf dem Tisch liegen, ehe Investoren Wälder abholzen, Bagger Tiere vertreiben oder Produktionsmüll Landschaften und Wasser verschmutzen.

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Solche Verfahren – da haben die Gegner allerdings Recht – dauern. Schriftliche Einwendungen erfordern Antworten. Das zögert manchen Bau in die Länge. Eine Anhörung, bei der die Argumente erörtert und debattiert werden, brauchen Zeit. Mitunter endet die Auseinandersetzung gar vor einem Kadi – das einen verzögert den Produktionsstart, wie etwa der aktuelle Streit um die Gigafactory von Tesla südlich von Berlin belegt.

Das Recht des Stärkeren einbremsen

Das ist manchem Unternehmen, das lieber rasch neue Werke aus dem Boden stampfen will, damit der Absatz weiter floriert, schlicht lästig. Sie halten solche Erörterungen der Lage für überflüssig, zitiert das Wirtschaftsblatt ihr Argument: Es sei „nicht geboten, der Öffentlichkeit neben der Abgabe von Stellungnahmen in Textform auch eine Möglichkeit zum mündlichen Austausch zu geben“.

Doch, das ist es. Denn die Menschen dürfen mit entscheiden, was in ihrer Umgebung geschieht. Daran müssen auch Unternehmen sich halten. Es geht schließlich um eine demokratische Abwägung von Interessen. Dabei darf nicht das Recht des Stärkeren dominieren. Auch das zeigt der Fall Tesla: Dort bringt allem Anschein nach enormer Zeitdruck die Behörden in die Zwangslage, mit einem Ausnahmeparagraphen im Immissionsschutzgesetz den Bau per vorläufiger Genehmigung erst einmal zu erlauben – offiziell „auf eigenes Risiko des Investors, der bei möglichen Verweigerung der Genehmigung, einen Bau wieder beseitigen muss. Dumm nur, wenn zuvor Wald gerodet, Tiere getötet, Wasser verschmutzt und Landschaft betoniert worden ist. Dann ist der schaden irreparabel.

Genau das soll eine Beteiligung der Öffentlichkeit eigentlich verhindern.

Gerd Pfitzenmaier

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