Klima- und Biodiversitätskrise: Zwei Seiten einer Medaille
Klima- und Biodiversitätskrise: Zwei Seiten einer Medaille
welt.de: Für einen Ausstieg aus der Braunkohle schon 2030 müssten Wind- und Wasserkraft sowie die Fotovoltaik massiv ausgebaut werden. Doch dagegen gibt es weiter große Widerstände, auch bei Naturschützern.
Er sei nicht der Typ, der nach Düsseldorf fährt, um dort zu demonstrieren, sagt der Heinsberger Elektroingenieur Hubert Verbeek. Am Mittwoch aber zog der nebenberufliche Betreiber von zwei Wasserkraftanlagen in der Eifel mit knapp hundert weiteren Demonstranten vor die NRW-Zentrale des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu). „Mit unseren Anlagen verbessern wir die Gewässerökologie“, sagt der 55-Jährige. „Trotzdem werden wir behindert.“ Eine weitere von ihm beantragte Wasserkraftanlage würde seit Jahren nicht genehmigt, eine andere vom Landesfischereiverband beklagt. „Dabei helfen solche Anlagen auch noch beim Hochwasser-Schutz“, betont Verbeek.
Lesen Sie auch:
Zu der Demo gegen den Nabu hatte der Landesverband Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW) aufgerufen. Neben den rund 250 Betreibern von Wasserkraftanlagen, die sich durch Fischerei- und Anglerverbände unter Druck gesetzt sehen, kamen die ebenfalls im LEE organisierten Betreiber von Windkraftanlagen in NRW. Sie halten den Nabu für den größten Bremsklotz beim Ausbau der erneuerbaren Energien. „Gerade dessen Landesverband NRW hat in den zurückliegenden Jahren mit zahlreichen Klageverfahren und Interventionen bei den Genehmigungsbehörden vor allem den Bau von Windparks erschwert“, begründete der LEE-Vorsitzende Reiner Priggen die Demonstration. Allein in NRW seien in den vergangenen Jahren mehr als 100 Windenergieanlagen mit über 500 Megawatt Leistung blockiert und ausgebremst worden. Mehrere Tausend Tonnen CO2 könnten deswegen in NRW nicht eingespart werden.
Dass im Zuge des anstehenden Ausstiegs aus der Kohleverstromung bis spätestens 2038 viele weitere Windräder, Fotovoltaikanlagen und auch Wasserkraftwerke entstehen müssen, gilt als unbestritten. Hoch umstritten ist aber die Frage, wo diese Anlagen gebaut werden dürfen. So beklagt der Nabu vorrangig Windkraftanlagen, durch die er Vögel wie den Rotmilan und bestimmte Fledermausarten gefährdet sieht. „Vogelschutz ist unser Kernanliegen“, sagte Heide Naderer, Vorsitzende des Nabu NRW, WELT AM SONNTAG. Zudem stehe man Anlagen im Wald skeptisch gegenüber. „Wir müssen sowohl die Klimakrise als auch die Biodiversitätskrise erfolgreich meistern“, so Naderer, die den Landesverband mit 116.000 Mitgliedern führt. Deshalb dürfe „der enorme Ausbau der erneuerbaren Energien nur naturverträglich erfolgen, was von der Landespolitik entsprechend berücksichtigt werden muss“. Jedoch sei der Nabu seit 2013 lediglich gegen 38 Windkraftanlagen vorgegangen.
Neben Umweltschützern wehren sich vielerorts auch Anwohner gegen neue Windräder. Nach der Landtagswahl 2017 hatte Düsseldorf die Empfehlung ausgegeben, einen Abstand von mindestens 1500 Metern zu Wohnbebauungen einzuhalten, Berlin ermöglichte später einen Abstand von 1000 Metern, den die Landesregierung dann im Sommer gesetzlich verankerte.
An der Regelung will der neue Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) zunächst nicht rütteln. „Mein Anliegen ist eine gesellschaftliche Befriedung“, sagte Wüst vor einer Woche dem WDR-Magazin „Westpol“. Und die Abstandsregelung von 1000 Metern sei ein Baustein dazu. Auch so könne das Ziel erreicht werden, zwei Prozent der Landesfläche für Windkraft nutzbar zu machen… weiterlesen