Klimagerechtigkeit in Schieflage

Klimagerechtigkeit in Schieflage
So geht Klimaschutz Grafik: Darrel Moellendorf

Klimagerechtigkeit in Schieflage

Klimaschutz verschafft reicheren Ländern einen Vorteil gegenüber ärmeren. Das kritisieren jetzt Wissenschaftler, die dies mit einer Studie belegen: Zehn von sechzehn Publikationen zur Bewertung der weltweiten Anstrengungen gegen den Klimawandel urteilten, so deren Fazit, nach Kriterien, die „voreingenommen und stark vereinfachend sind“.

Damit bevorteilten sie vor allem die wohlhabenden Länder der Erde, schreibt der Informationsdienst der Wissenschaft (idw) über die neue Studie „Ethical choices behind quantifications of fair contributions under the Paris Agreement“, an der auch der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Darrel Moellendorf aus Frankfurt beteiligt war.

Im Vorfeld des für November 2021 in Glasgow geplanten Weltklimagipfels fordern er und seine beteiligten Kolleginnen und Kollegen deshalb, diese Kriterien transparent zu machen und politisch zur Diskussion zu stellen.

Bewertung lässt Klimagerechtigkeit vermissen

„Viele dieser Bewertungen von Klimagerechtigkeit gelten als neutral und unabhängig, was sie aber nicht sind und vielleicht auch gar nicht sein können“, sagt Darrel Moellendorf an der Goethe-Universität. „Wir müssen über diese Kriterien nachdenken, bevor auf Grundlage dieser Studien neue Beschlüsse gefasst werden. Andernfalls wird es weiterhin keine Klimagerechtigkeit geben. Und Klimagerechtigkeit bedeutet: Länder, die eine größere Kapazität haben, gegen den Klimawandel vorzugehen, müssen auch größere Anstrengungen unternehmen.“

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Selbst der anerkannten und als unabhängig geltenden wissenschaftlichen Analyse Climate Action Tracker“ (CAT), die von Medien, Regierungen und der Zivilgesellschaft zur Einschätzung klimagerechter Schritte herangezogen wird, attestieren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Kriterien, die wohlhabendere Länder bevorzugen. So liege etwa auch in CAT-Analysen das in der Europäischen Union praktizierte Grandfathering-Prinzip zugrunde – wenn auch „tief im Innern ihres Maschinenraums versteckt“, betonen die Wissenschaftler: Nach dem Grandfathering-Prinzip erhalten Anlagen kostenlose Zertifikate gemäß ihren bisherigen Emissionen.

Dieses Prinzip benachteilige Anlagen, die früher weniger durch Emissionen zum Klimawandel beigetragen hätten.

Schieflage in der Bewertung von Klimaschutz-Anstrengungen

Zu einer Schieflage in der Bewertung von Klimagerechtigkeit führe zudem auch, dass die „Not“ mancher Länder, also deren schwächere ökonomische Lage, bei der Beurteilung ihrer Klimagerechtigkeit nicht berücksichtigt werde.

„Die Studien sollten diese unterschiedlichen Ausgangslagen der Länder offenlegen“, sagt Moellendorf. „Auch sollte die größere Verantwortung der Industrienationen in die Bewertung von klimagerechtem Handeln einfließen. Und wir sollten uns darüber klar sein, dass es eine völlig neutrale Bewertung von Klimagerechtigkeit nicht gibt. Nach welchen Kriterien wir sie beurteilen, sollte aber transparent gemacht werden und auch politisch diskutiert werden.“

red

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