Klimasch(m)utz: Deutschland verfehlt erneut Klimaziele

Klimasch(m)utz: Deutschland verfehlt erneut Klimaziele
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Klimasch(m)utz: Deutschland verfehlt erneut Klimaziele bei Verkehr und Gebäuden

Kommentar von: Steve Trent, Geschäftsführer (CEO) & Gründer, EJF

Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag zugesichert, den Klimaschutz in Deutschland endlich voranzubringen. Die jetzt veröffentlichten Emissionsdaten des Umweltbundesamtes für das Jahr 2022 zeichnen ein gänzlich anderes Bild: Deutschland kommt beim Klimaschutz zu langsam voran. Dem selbst ernannten „Klimakanzler” fehlt offenbar die Durchsetzungskraft – insbesondere in den Sektoren Verkehr und Gebäude.

Heute hat das Umweltbundesamt die Emissionsdaten für das Jahr 2022 vorgestellt: Zum zweiten Mal in Folge reißt der Verkehrssektor das Klimaziel, der Gebäudesektor bereits zum dritten Mal. Seit mittlerweile neun Monaten lässt der selbst ernannte „Kanzler für Klimaschutz” Olaf Scholz (SPD) somit zu, dass der Koalitionspartner FDP untätig bleibt – beharrlich weigert sich Bundesverkehrsminister Volker Wissing, ein wirksames Sofortprogramm vorzulegen. Diese Untätigkeit darf Scholz nicht weiter tolerieren, wenn das Label „Klimakanzler“ mehr bleiben soll als ein reiner PR-Stunt.

Die Auswirkungen der verfehlten Klimaziele machen sich weit über die deutschen Landesgrenzen hinaus bemerkbar: Die Klimakrise zeigt ihre schlimmsten Folgen besonders an Orten, an denen die Menschen kaum zu ihr beitragen; sie verlieren ihre Heimat, ihre Lebensgrundlage und ihre grundlegendsten Rechte. Durch das Verfehlen seiner Klimaziele trägt Deutschland maßgeblich dazu bei, diese Ungerechtigkeiten weiter zu verschärfen.

Mehr Tempo bei Klimaschutzmaßnahmen

Es gibt viele Lösungen, mit denen sich Emissionen im Verkehrssektor wirksam reduzieren lassen. Eines davon ist ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen: Laut einer Studie im Auftrag des Umweltbundesamts könnte ein Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen rund 6,7 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten jährlich einsparen.

Während sich die Grünen und die SPD für das Tempolimit aussprechen, hat die FDP es bereits vor den Koalitionsverhandlungen zum Tabu erklärt – und das, obwohl die Mehrheit der deutschen Bevölkerung es befürwortet. In Angesicht der Studie des Umweltbundesamts veröffentlichte die FDP kürzlich ein Gegengutachten, welches die Ergebnisse des Umweltbundesamts anzweifelt und die CO₂-Einsparungen durch ein Tempolimit deutlich geringer einschätzt – ein Fakt bleibt jedoch sicher: Ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen spart Emissionen ein; zudem handelt es sich um eine beinahe kostenfreie Maßnahme, die zum Erreichen der Klimaziele beitragen kann.

Neben dem Tempolimit müssen klimaschädliche Subventionen wie das Dienstwagen- und Dieselprivileg abgeschafft und eine Reform der Kfz-Steuer sowie massive Investitionen in die Schiene und den ÖPNV getätigt werden. Auch im Gebäudesektor muss die Bundesregierung nachlegen: Der Einbau neuer Öl- und Gasheizungen sollte schnellstmöglich verboten und durch gezielte Förderung sowie eine Reform der Modernisierungsumlage sozial flankiert werden.

Investitionen zugunsten des Klimas und der Umwelt sind nicht nur notwendig, um die Energiewende zu schaffen – sie werden auch dazu beitragen, massiv Kosten einzusparen, die die Klimakrise zweifellos verursachen wird. Gleichzeitig steckt in ihnen enormes Potenzial um neue Arbeitsplätze zu schaffen und die deutsche Wirtschaft anzukurbeln. Deutsche Ingenieurskunst hat weltweit seinen Ruf; Wertigkeit und faszinierende Technik sind Kernkompetenzen, die man sich im Bereich der Entwicklung klimafreundlicher Technologien bislang nicht ausreichend zunutze macht. Es ist höchste Zeit, das zu ändern.

Mehr als heiße Luft nötig

Als Industrienation, die nicht nur heute, sondern schon historisch maßgeblich Emissionen verursacht und die Klimakrise angeheizt hat, ist Deutschland in der Pflicht, ambitionierte Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen. Darüber hinaus muss die Bundesregierung die Länder, die heute schon unter den schlimmsten Auswirkungen der Klimakrise leiden, finanziell angemessen unterstützen. Nur so kann sie glaubhaft einen echten Beitrag zu globaler Klimagerechtigkeit leisten.

Uns wurde ein „Klimakanzler” versprochen – diesem Versprechen müssen endlich Taten folgen, für eine echte Chance im Kampf gegen die Überhitzung unseres Planeten. Deutschland muss umgehend ein wirksames Klimaschutz-Sofortprogramm umsetzen. Jeder Tag, den wir länger darauf warten, verschärft die Krise, in der wir uns befinden, und treibt die finanziellen Kosten und die menschliche Tragödie, die sie auslöst, ins Unermessliche.


Über den Autor:

Steven Michael Trent ist Geschäftsführer (CEO) und Gründer der Environmental Justice Foundation. Er verfügt über mehr als 25 Jahre Erfahrung im Bereich Umweltschutz sowie im Bereich Interessensvertretung. Er selbst hat bereits mehrere verdeckte Untersuchungen durchgeführt und Kampagnen in über 30 Ländern geleitet, darunter in Bangladesch, Brasilien, Kambodscha, Ecuador, Indonesien, Liberia, Sierra Leone, Thailand und Vietnam.

Steve ist Mitbegründer und Präsident von WildAid, wo er Programme zur Bekämpfung des illegalen Handels mit Wildtieren in China und Indien leitete. Zuvor war er Kampagnendirektor bei der Environmental Investigation Agency (EIA).

EJF

Die Environmental Justice Foundation ist eine gemeinnützige Organisation. Sie setzt sich weltweit für den Schutz der Umwelt und die Verteidigung der Menschenrechte ein. Sie ist international aktiv und hat Standorte in Großbritannien, Belgien, Deutschland, Südkorea, Taiwan, Thailand, Indonesien, Japan, Ghana und Liberia. Am Standort in Hamburg leistet sie vorrangig Aufklärungsarbeit zu den Themen Klimakrise und Vertreibung sowie zu illegaler Fischerei und Menschenrechtsverletzungen auf See.

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