Klimawandel verdirbt dem Riesling das Bouquet
Klimawandel verdirbt dem Riesling das Bouquet
n-tv.de: Der Klimawandel ist für deutschen Riesling nicht gut, denn er führt dazu, dass er zunehmend nach Benzin riecht. Wissenschaftler finden heraus, woran das liegt und was möglicherweise das Bouquet des beliebten Weines retten kann.
Der Riesling hat in Deutschland eine große Bedeutung. Er wird hier nachweislich seit über 600 Jahren kultiviert, gilt als das Aushängeschild des hiesigen Weinanbaus und ist laut Statistischem Bundesamt die am häufigsten angebaute Rebsorte. Dem Deutschen Weininstitut zufolge ist Riesling als langsam reifende Sorte für nördliche Anbaugebiete prädestiniert, wo er in der späten Herbstsonne seine Reife vollendet. Der Klimawandel ändert die Bedingungen aber, was für den Riesling nicht unbedingt gut ist. Denn zu viel Sonne führt dazu, dass sein Bouquet eine immer stärkere Benzin-Note hat.
Doch es gibt Hoffnung für den deutschen Vorzeige-Wein. Ein Forschungsteam des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München hat herausgefunden, wie Menschen den unangenehmen Geruch wahrnehmen. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass es mit dem neuen Wissen möglich sein wird, das Problem in den Griff zu bekommen.
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Ein wenig TDN ist okay
Normalerweise zeichnet sich das Bouquet des Rieslings durch blumige, fruchtige und honigartige Nuancen aus, zu denen auch eine gewisse Petrol-Note gehört. Der dafür verantwortliche Geruchsstoff hat den chemischen Namen 1,1,6-Trimethyl-1,2-dihydronaphthalin (TDN). Geringe und moderate Konzentrationen dieses Duftstoffs tragen zur Komplexität des Bouquets bei, Weine mit höheren Gehalten stoßen bei hiesigen Verbraucherinnen und Verbrauchern allerdings häufig auf Ablehnung.
Die TDN-Konzentration im Wein steigt allgemein während der Flaschenreifung durch die Umwandlung von Carotinoid-Vorstufen an, die in den Trauben oder im Most enthalten sind. Die Menge der Vorstufen hängt dabei von den Weinbaupraktiken wie der sogenannten Entblätterung der Trauben, der Bodendüngung, der Bewässerung und der Auswahl der Rebenklone ab. Auch die Hefestämme und die Wahl der Flaschenverschlüsse beeinflussen die Geruchsstoffkonzentration im Wein.
Zu viel Sonne, zu warm
Die Gründe für den steigenden TDN-Gehalt in deutschen Rieslingweinen sind wahrscheinlich vor allem die durch den Klimawandel verstärkte Sonneneinstrahlung, aber auch höhere Temperaturen bei der Lagerung. 1961 bis 1990 schien die Sonne in Deutschland durchschnittlich 1550 Stunden pro Jahr. In den vergangenen Jahrzehnten stieg der Wert auf 1660 Stunden an, laut Deutschem Wetterdienst war 2022 mit 2025 Stunden das sonnigste Jahr seit Messbeginn. Gleichzeitig stiegen die Durchschnittstemperaturen stetig an, 2023 war laut dem Umweltbundesamt das bisher wärmste Jahr in Deutschland.
Die mit verstärkter Sonneneinstrahlung verbundene UV-Strahlung führt in den Trauben den Forschenden zufolge zu einer verstärkten Carotinoid-Produktion. Das lasse sich aus einem Vergleich mit Rieslingweinen aus Australien und Südafrika schließen, die generell deutlich höhere Konzentrationen der Geruchskomponente aufwiesen. Der typische Gehalt an TDN in europäischen Rieslingweinen liegt in der Regel zwischen 1 und 50 Mikrogramm pro Liter, während er in australischen Weinen bis zu 250 Mikrogramm pro Liter und mehr erreichen kann.
Ähnlich wie Pigmente in der menschlichen Haut dienen Carotinoide als Sonnenschutz. Sie sind jedoch auch molekulare Vorstufen des Geruchsstoffs TDN. Durch verschiedene Studien war schon bekannt, dass die Wahrnehmungsschwelle der nach Petroleum und Kerosin riechenden Substanz etwa zwischen zwei und 20 Mikrogramm pro Liter liegt. Der menschliche Geruchsrezeptor für den Duftstoff war bislang jedoch unbekannt.
Rezeptor erkannt, Geruch gebannt?
Der Studie der Münchner Forschenden zufolge handelt es sich um den Rezeptor OR8H1, der in Screenings als einziger von insgesamt 766 menschlichen Geruchsrezeptor-Varianten auf den Duftstoff ansprach. Zusätzlich untersuchte das Team, ob OR8H1 auch noch auf weitere lebensmittelrelevante Geruchsstoffe reagiert. Von den 180 getesteten Substanzen waren lediglich sieben, vorwiegend aromatische Verbindungen, in der Lage, den Rezeptor signifikant zu aktivieren… weiterlesen