Kritik an Energiewende: „Falsche Prioritäten“

Kritik an Energiewende: „Falsche Prioritäten“
Foto: Pixabay CC/PublicDomain/Ioannis-Ionnidis

Kritik an Energiewende: „Falsche Prioritäten“

n-tv.de: Die Energiewende steht an einem Scheideweg. Sie belastet die deutsche Wettbewerbsfähigkeit und kann keine Versorgungssicherheit gewährleisten, sagt Katherina Reiche. Die Wirtschaftsministerin pocht deshalb auf Gaskraftwerke. Inzwischen ist von bis zu 72 Blöcken die Rede. Ist das noch sinnvolles Nachsteuern, um die Kosten der Energiewende zu senken? Oder werden die Erneuerbaren der Gaslobby zuliebe abgewürgt? Philipp Schröder ist überzeugt: Subventionierte Gaskraftwerke lösen kein Problem, sondern machen Deutschland erneut vom Ausland abhängig. Der Chef des Energieunternehmens 1Komma5Grad hat einen anderen Vorschlag: Wer Geld sparen möchte, sollte die Einspeisevergütung für Solaranlagen abschaffen und auf große Batteriespeicher verzichten, sagt er im „Klima-Labor“ von ntv. Der Schlüssel zur erfolgreichen Energiewende ist ihm zufolge aber deutlich kleiner, simpler und günstiger.

ntv.de: Wann steigen Sie mit 1Komma5Grad in den Bau von Gaskraftwerken ein?

Philipp Schröder: Nie. (lacht)

Warum nicht? Das ist doch anscheinend ein lukratives Geschäft.

Das Kernproblem der deutschen Stromversorgung ist die Disharmonie zwischen erneuerbarer Produktion und Verbrauch. Die Bundesregierung scheint zu glauben, dass man dieses Problem nur mit Gaskraftwerken lösen kann. Wir sind überzeugt: Es wäre günstiger, den Verbrauch intelligent zu verschieben und Speicher oder Elektroautos zu nutzen, um überschüssige erneuerbare Energie abzuspeichern. Deswegen brauchen wir kaum Gaskraftwerke, selbst fünf bis zehn Gigawatt wären hochgegriffen.

Lesen Sie auch:
Auch bei Robert Habeck ging es zwischenzeitlich um bis zu 25 Gigawatt. Dann sollte die Hälfte ausgeschrieben werden. Die schwarz-rote Regierung spricht jetzt von bis zu 36 Gigawatt. Woher kommt so viel Unsicherheit?

Von der Berechnungsgrundlage: Diese Zahlen kann man zusammenstellen, wie man sie braucht. Die Bundesregierung rechnet mit einem sehr langsamen Hochlauf von Batterien und Elektroautos. Daraus ergibt sich eine höhere Notwendigkeit für Gaskraftwerke. Wir glauben: Hätte jeder deutsche Haushalt ein Smart Meter, würde eine Flexibilität von 20 Gigawatt von selbst entstehen, denn Privatpersonen haben bereits 20 Gigawatt an Batterien installiert. Sie könnten einen Großteil der Grundlast abdecken – nicht alles, weil sie saisonal variiert. Aber dafür wäre keine Investition notwendig, die Heimspeicher sind bezahlt. Sie dürfen allerdings nicht am Energiemarkt teilnehmen, wie es notwendig wäre.

Schwarz-Rot hat kein Interesse daran, auf erneuerbare Energien zu setzen?

Im Bundeswirtschaftsministerium gibt es kluge Leute, die die Herausforderungen kennen. Die Bundesnetzagentur leistet ebenfalls solide Arbeit. Aber durch den Zolldeal mit Donald Trump steigt der Druck, amerikanisches Flüssiggas zu kaufen. Man hat quasi versprochen, 750 Milliarden US-Dollar zu investieren. Katherina Reiche hat selbst gesagt: LNG wird zu teurem Strom führen.

Wir würgen die Energiewende ab, um Donald Trump glücklich zu machen?

Wenn man es so stark verkürzen möchte, ja. Aber dann würgen wir nicht nur die Energiewende ab, wir senken auch nicht die Stromkosten.

Das zentrale Versprechen der Bundesregierung …

Richtig. Ich kann nicht erkennen, wie man mit LNG die Preise nachhaltig senken möchte, denn das wird immer teurer sein als russisches Gas.

Katherina Reiche kann nichts für den Zolldeal, aber sie wird in die Ecke gedrängt und muss zusehen, dass sie dieses Gas abnimmt – und versucht stattdessen, an anderer Stelle zu sparen, etwa beim Netzausbau?

Die Kosten verursacht der statische und willkürliche Stromverbrauch. Wenn die Wärmepumpe läuft, nachdem die Sonne untergegangen ist, muss man Netze bauen, um anderen Strom dorthin zu transportieren – ob das Windstrom von der Küste oder importierter Strom von unseren Nachbarn ist. Je mehr Wärmepumpen und E-Autos es gibt, desto schlimmer wird es. Die Netzentgelte werden steigen und steigen. In dem Sinne hat Frau Reiche recht: Wir subventionieren Solarstrom, erzeugen ihn aber dann, wenn ihn niemand braucht. Und wir bezahlen Gaskraftwerke dafür, dass sie tagsüber nicht laufen. Letztlich sind beide Kraftwerksparks defizitär, weil die Verbindung zwischen Verbrauch und Erzeugung fehlt.

Lokale Strompreissignale?

Und flexible Netzentgelte, also ein Preissignal für das Netz. Wir sind in sieben Märkten tätig, in Schweden gibt es das bereits: Dort ist der Stromtransport teurer, wenn viel im Netz los ist, und günstiger, wenn weniger los ist. Es wird weniger erneuerbarer Strom abgeregelt, die Energiepreise sinken und man benötigt weniger Netzausbau, weil weniger Re-Dispatch notwendig ist. Der verursacht in Deutschland die steigenden Strompreise: Die Windkraftanlage muss abgeregelt werden, weil niemand den Strom abnehmen kann. Wird dieses Problem gelöst, wenn ich mehr subventionierte Gaskraftwerke aufstelle? Nicht wirklich.

Wir ketten uns langfristig an hohe Strompreise?

Ja. Aktuell verschenken wir Strom nach Österreich und kaufen ihn später aus Polen zurück. In einem flexiblen und intelligenten System wird der günstige Strom in jedem Haus gespeichert oder genutzt. Wenn man das umsetzt, kann man die Strompreise für alle in Europa massiv senken und bräuchte viel weniger Gas und Netzausbau. Dafür sind aber Smart Meter notwendig. … weiterlesen

One thought on “Kritik an Energiewende: „Falsche Prioritäten“

  1. Stellen Sie ChatGPT mal folgende Frage: „Kannst Du mal Zeitungsartikel der letzten zwei Monate mit Blick auf die Diskussion ‚Batterie kann Gaskraftwerke ersetzen‘ suchen und diese auf Seriosität prüfen?“. Dann lässt sich dieses Interview m.E. recht gut einordnen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.