Lobbycontrol: Pflüger kein unabhängiger Sachverständiger

Lobbycontrol: Pflüger kein unabhängiger Sachverständiger
Lobbycontrol kritisiert die Ladung des Ex-CDU-Spitzenpolitikers Friedbert Pflüger als so genannten „Sachverständigen“ in den Untersuchungsausschuss des Landtags von Mecklenburg-Vorpommern zur Aufklärung der Hintergründe der Nordstream-Pipeline von Russland durch die Nordsee. Nina Katzemich, Expertin für Klima-Lobbyismus von LobbyControl: „Es führt die Öffentlichkeit in die Irre, jemanden als vermeintlich neutralen Sachverständigen zu befragen, der so stark in die Lobbyarbeit um die Nord Stream 2-Pipeline involviert war.“ Ihr Verband fordert stattdessen, die Hintergründe der Sachverständigen offenzulegen, damit die Öffentlichkeit sich ein Bild machen könne. Pflüger sei, schreibt Lobbycontrol in einer Pressemeldung, „selbst ein sehr aktiver Lobbyist rund um das Pipeline-Projekt und ist nach wie vor eine Art Spin-Doktor der deutschen Gaspolitik. Dabei agiert er in einer Doppelrolle als Gaslobbyist, der als sich als Wissenschaftler tarnt.“
Der ehemalige CDU-Politiker Pflüger habe mit seiner Lobbyagentur Bingmann Pflüger International die Nord Stream 2 AG seit 2016 beraten. Auch das Unternehmen Uniper, ein Mitinvestor des Pipelineprojekts, hatte seit 2017 ein Auftragsverhältnis mit Pflügers Lobbyagentur.
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Vermischung der Tätigkeit als Politiker, Lobbyist und Wissenschaftler
Parallel zur Gründung seiner Lobbyagentur hatte Pflüger das Europäische Cluster für Klima-, Energie- und Ressourcensicherheit (EUCERS) aufgebaut und am Londoner King’s College angesiedelt.
Die Rollen als Wissenschaftler und als Lobbyist habe er dabei immer wieder und auf problematische Weise vermischt, schreibt Lobbycontrol. Im Juli 2016 beispielsweise veröffentlichte Pflüger in seiner Rolle als Institutsleiter gemeinsam mit dem Russia Institut des King’s College eine Studie zur Nord-Stream 2-Pipeline, die laut dem Lobbyverband „von deren Investoren finanziert wurde: Shell, OMV, Wintershall, Uniper und Engie“.

Die Studie habe dem Pipeline-Projekt einen „Nutzen für die Energiesicherheit in Europa“ bescheinigt,schreibt Lobbycontrol. Gleichzeitig arbeitete Pflüger demnach als Lobbyist für die Nord Stream 2 AG.
Auch heute noch Spin-Doktor der deutschen Gaspolitik
Auch heute bleibt Pflüger Spin-Doktor der deutschen Gaspolitik: Als Lobbyist ist er inzwischen Founding Partner bei der Lobbyagentur Strategic Minds Company. Kunden sind unter anderem weiterhin der Gaskonzern Uniper sowie der Fernleitungsnetzbetreiber Fluxys. Zugleich ist er Aufsichtsratsvorsitzender des PR-Lobbyverbands Zukunft Gas. Der Verband setzt sich aus 124 Mitgliedern der Gaswirtschaft zusammen und vermarktet Erdgas in Politik und Öffentlichkeit als vermeintlichen Energieträger der Zukunft. Mit dem EUCERS-Institut ist Pflüger inzwischen bei der Universität Bonn angesiedelt. Seine Rolle als Wissenschaftler nutzt er weiterhin auch für seine politische Arbeit: Bei Vorstellungen – wie beispielsweise seiner Diskussionsreihe „Energiegespräche am Reichstag“ – nennt er zunächst seine wissenschaftliche Rolle als Leiter des EUCERS, erst dann seine Tätigkeit bei seiner Lobbyagentur. Unklar bleibt, wie sich das Institut und seine Stelle als Leiter dort finanzieren und ob er mit dieser Arbeit Geld verdient. Am Londoner King’s College handelte es sich um einen unbezahlten Posten.
Pflüger hat immer wieder öffentlich bescheinigt, dass Russland ein verlässlicher Partner und eine Energiepartnerschaft mit Russland wichtig sei. Noch im Mai 2021 erstellte Pflügers Lobbyagentur eine Studie über die Wichtigkeit europäisch-russischer Energiebeziehungen im Auftrag von „Dialog Europe-Russia“. Der Vorstand dieses Think Tanks war mit hochrangigen europäischen Ex-Politikern ebenso wie mit russischen Oligarchen besetzt, die Finanzierung des Think Tanks und der Studie bleibt im Dunkeln. 2017 moderierte er das „Nord Stream 2 Business Breakfast“ beim Internationalen Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg. Das Forum wird von der russischen Regierung organisiert, Präsident Putin ist Schirmherr. Key Speaker auf Pflügers Panel war Nord Stream-Lobbyist Gerhard Schröder.
„Ganzes Ausmaß an Lobbyverstrickungen ans Licht bringen“
„Statt als vermeintlich neutralen Sachverständigen hätte man Friedbert Pflüger eher als Zeugen einladen sollen, um ihn zu seinen Verstrickungen in die Lobbyarbeit rund um Nord Stream 2 zu befragen“ sagt Christina Deckwirth, Expertin für Klima-Lobbyismus bei LobbyControl. „Immer noch mangelt es offenbar an Interesse der Regierungsfraktionen in Mecklenburg-Vorpommern, die massiven Lobbyverstrickungen rund um den Bau der Nord Stream 2-Pipeline und die Stiftung Klima- und Umweltschutz MV ernsthaft aufzudecken,“ so Deckwirth. „Es wird Zeit, dass das ganze Ausmaß der Lobbyverstrickungen rund um die Nord Stream 2-Pipeline ans Licht kommt.“
red