Luft-Schadstoffe machen offenbar dement

Luft-Schadstoffe machen offenbar dement
Foto: Respropolska/Pixabay CC/PublicDomain

Luft-Schadstoffe machen offenbar dement

riffreporter.de: Luftverschmutzung schadet dem menschlichen Gehirn besonders am Lebensanfang und am Lebensende. Demenzen und andere neurologische Erkrankungen treten gehäuft auf.

Auch an sonnigen Tagen hüllt sich Mexiko-Stadt in weiß-bräunlichen Dunst, den die 21 Millionen Bewohner nicht riechen und nicht sehen können. Nur eines bemerken sie: Am Abend überzieht ein bräunlicher Schleier ihre Haut und Kleidung.

Auch der Kinderärztin und Neurowissenschaftlerin Lilian Calderón-Garcidueñas fiel der permanente Smog über der Hauptstadt Mexikos auf, den sie schon beim Landeanflug erkennen konnte. Sie hatte sofort den Verdacht, dass die feinstaubschwangere Luft den Kindern der Stadt schade. Mit einer Untersuchung
wollte sie ihrer Befürchtung auf den Grund gehen: Sie verglich die geistigen Fähigkeiten von 55 Kindern aus der Hauptstadt mit denen aus einer Kleinstadtdes Landes. Und tatsächlich schnitten die Großstadtsprösslinge in den Tests deutlich schlechter ab. In Magnetresonanztomografie (MRT)-Aufnahmen des Gehirns entdeckte sie bei 56 Prozent der Kinder Entzündungsherde im präfrontalen Cortex. Das ist ein Bereich im Stirnhirn, der Sinneseindrücke auswertet, plant und entscheidet. Er übernimmt damit eine Schlüsselrolle beim Lernen.

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Verursacht die schmutzige Luft die Entzündungen im Gehirn und die geistigen Defizite? Auf der Suche nach einer Antwort untersuchte Calderón-Garcidueñas zusätzlich das Gehirn von sieben jungen Hunden aus Mexiko-Stadt. Und tatsächlich fand sie auch im Organ der Tiere bei etwas mehr als der Hälfte Entzündungsherde. Mehr noch: Sie konnte Ablagerungen von Feinstaub nachweisen. „Die Luftverschmutzung beeinträchtigt das reifende Gehirn, sie erklärt kognitive Defizite in gesunden Kindern“, warnte die Kinderärztin 2008 in einer viel beachteten Veröffentlichung im Journal Brain and Cognition.

Seither hat Mexico-Stadt Forschende wegen der brisanten Frage angezogen, ob schlechte Luft das Gehirn zerstört. Am Lebensanfang und am -ende reagiert es besonders empfindlich, weil es erst reift und später ganz natürlich abbaut.

Verschmutzte Luft bedingt mehr Demenzen

Oft heißt es, Demenzen würden schlicht deshalb häufiger, weil Menschen immer älter würden. Der Abbau des Gehirns ist quasi der Preis für die steigende Lebenserwartung.

Doch epidemiologische Studien liefern ein brisantes Gegenargument: Je höher die Feinstaubbelastung der Luft, desto mehr häufen sich Demenzen in der Bevölkerung. Daten, die diesen Zusammenhang unterfüttern, kommen aus London, aus Quebec, aus Nordschweden und 2020 noch einmal aus Stockholm: Forschende des Karolinska-Instituts hatten – 3000 Erwachsene mit einem Durchschnittsalter von 74 Jahren begleitet. 364 entwickelten innerhalb von elf Jahren eine Demenz. Und obwohl die Luft der schwedischen Hauptstadt als sauber gilt, fand die Neurobiologin des Instituts, Giulia Grande, dass die Gehalte an Feinstaub in der Luft in Wohnortnähe das Risiko einer Demenz beeinflussten. Ungefähr 800.000 Fälle an Demenzen in Europa könnten jedes Jahr auf die Luftverschmutzung zurückgehen, rechneten andere Forscher 2021 hoch.

„Diese Befunde sind sehr unpopulär“, bedauert Bruce Lanphear, Gesundheitswissenschaftler an der kanadischen Simon Fraser University. „Wir sollen lieber an einer Therapie gegen Alzheimer forschen, weil man damit Geld verdienen kann, als den Ursachen auf den Grund zu gehen. Denn, wenn die Luftverschmutzung schuld ist, würde das ein Absenken der Grenzwerte erfordern. Das wollen weder Politiker noch die Industrie gern hören.“

Blei raubt die Intelligenz

Lanphear widmet sich seit vielen Jahren einem der potentesten Schadstoffe für das Gehirn: dem Blei. Das Schwermetall ist auch im Feinstaub vertreten, weil es etwa im Flugbenzin enthalten ist und damit aus den Triebwerken gewirbelt wird. Vor allem aber ist es eine Substanz, von der man profunde weiß, wie gefährlich sie für den Menschen ist, weil sie seit vielen Jahrhunderten eingesetzt wird. Und noch heute enthalten bestimmte Gläser und Kunststoffe Blei, auch Knöpfe an Bekleidung, Farben und Stifte, teils sogar Modeschmuck. In verschiedenen Pkw-Kraftstoffen ist Blei zwar EU-weit seit der Jahrtausendwende verboten. Genau gesagt heißt das aber, dass die erlaubten Mengen lediglich sehr gering sind.

Überall auf der Welt empören sich Toxikologen und Toxikologinnen, die an Blei forschen, wie Lanphear oder die international renommierte Kinderärztin und Umweltmedizinerin Ruth Etzel aus den USA, dass Blei bis heute in vielen Anwendungen nicht komplett verboten ist. Die Belastungen von Kindern und Kleinkindern auch in Deutschland sind nach wie vor zu hoch, warnt das staatliche Bundesinstitut für Risikobewertung… weiterlesen

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