Mehr Utopie wagen
Mehr Utopie wagen
„Es ist an der Zeit, mehr Utopie zu wagen“, zitiert der Oekom Verlag den Soziologen Stephan Lessenich auf dem Rückdeckel seines neuen Buchs der Herausgeber Benjamin Görgen und Björn Wendt. Die beiden versammeln in ihrem Band, dessen Vorwort nicht weniger als eine „Rückkehr der Utopie“ ankündigt, eine ganze Phalanx von Autoren, die uns Lesenden einen umfassenden Überblick über das Denken in utopischen Kategorien vermittelt, deren Ziel auf die Transformation gesellschaftlicher Gegebenheiten verweist. Sie schlagen dabei vor allem den Bogen zur aktuellen Debatte um die verschiedenen Entwürfe einer möglichen künftigen Gesellschaft und Wirtschaft, „diesseits und jenseits von Wachstum und Kapitalismus“ und greifen damit die Stimmung unter vielen sich nach mehr Nachhaltigkeit sehnenden Menschen auf.
Utopien beschreiben wie Mögliches machbar wird
Utopien sind seit der Aufklärung nicht nur literarische Gegenentwürfe der bestehenden Ordnung. Sie sind vor allem deren kritische Würdigung, über die sie jedoch hinausreichen, um eine künftig sich bereits abzeichnende neue Welt in Gedankenspielen anzukündigen – je konkreter sie dabei werden, desto eher kristallisiert sich bei den Lesenden das Machbare und regt sie zur Aktivität an, diesem Ziel so nahe wie möglich kommen zu können: So gesehen sind Utopien tatsächlich wohl auch Möhren, die wir einem Esel vor die Schnauze halten, um ihn vorwärts zu treiben in Richtung auf ein gewünschtes Ziel.
Je konkreter die vorgestellten Utopien – wie etwa jene der Gemeinwohlökonomie oder des Grundeinkommens – desto realistischer rücken deren Entwickler sie dabei auch an eine tatsächlich umsetzbar erscheinende Ebene heran. So wird aus dem Möglichen allmählich Machbares. Auch wenn dafür Geduld, Ausdauer und manchmal auch ein Quantum Sturheit erforderlich sein werden. Denn natürlich sind alle Utopien – das genau ist ja Teil ihrer Definition – nicht gleich absehbar machbar. Auch der Esel kann nach der Möhre zunächst nur schnappen, sie nicht fressen. Deshalb bleibt der eingangs zitierte Satz Lessenichs auch eine Aufgabenbeschreibung an alle, die Utopien wahr werden lassen (wollen).
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Benjamin Görgen, Björn Wendt (Hrsg.)
Sozial-ökologische Utopien
Diesseits oder jenseits von
Wachstum und Kapitalismus
Oekom Verlag
München 2020
332 Seiten
28,00 Euro