Nahrung, Klima- und Naturschutz zusammen denken
Nahrung, Klima- und Naturschutz zusammen denken
Intakte Böden sind eine Grundvoraussetzung, um gesunde, vielfältige Lebensmittel zu erzeugen, das Klima zu schützen und die Artenvielfalt zu erhalten. „Aber der Zustand der Böden ist schlecht, mehr als ein Drittel der landwirtschaftlich genutzten Flächen weltweit gelten als degradiert“, warnt der jetzt veröffentlichte, aktuelle Bodenatlas des BUND und der Heinrch-Böll-Stiftung.
Bei einer Presskonferenz gemeinsam mit Vertretern des Think Tanks TMG in Berlin mahnten die Umweltexperten, dass „in der Europäischen Union mittlerweile mehr als 60 Prozent der Böden geschädigt“ seien – unter anderem durch industrielle Landwirtschaft und die Auswirkungen der Klimakrise wie Trockenheit und Bodenverluste.
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Bedeutung der Böden für den Klimaschutz
Gleichzeitig komme Böden aber eine immer größere Bedeutung in der internationalen Klimadebatte zu, was die Verteilungskonflikte um Land massiv verschärfe. „Was dringend gebraucht wird, sind abgestimmte politische Anstrengungen zum Bodenschutz, die die verschiedenen Nutzungsformen zusammen denken und sich an Menschenrechten orientieren“, betonten die Experten.
Wie diese aussehen könnten, darauf gibt der Bodenatlas 2024 erste Antworten.
Dr. Imme Scholz, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung: „Wir brauchen gesunde Böden, um uns an die Klimakrise anzupassen: Sie können bis zu 3.750 Tonnen Wasser pro Hektar speichern und dieses nach Bedarf wieder abgeben. Durch Versiegelung, aber auch industrielle Formen der Landwirtschaft geht die Fähigkeit von Böden, Wasser aufzunehmen, zurück – mit verheerenden Folgen, wie wir aktuell an der Hochwasserkatastrophe in Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sehen. Gleichzeitig nimmt die Wüstenbildung durch intensive Landwirtschaft und Klimakrise zu – auch in Europa: Dreizehn EU-Mitgliedstaaten sind mittlerweile betroffen. Und zwar nicht nur Südeuropa, sondern auch Länder mit gemäßigtem und feuchtem Klima wie Ungarn und Bulgarien. In Deutschland weist mindestens ein Fünftel der landwirtschaftlichen Flächen sehr starke Bodenerosion auf.
Ein Konzept, um auf die multiplen Krisen zu reagieren – von Hunger über Klimakrise und Artensterben bis hin zu volatilen Preisen und Armut – ist laut den Bodenatlas-Autoren die Agrarökologie. Diese Methoden der Landwirtschaft förderten nachhaltig die Bodenfruchtbarkeit. „Agrarökologische Betriebe – auch Projekte unserer Partnerorganisationen – haben zudem eins gemeinsam: Sie erhöhen die Unabhängigkeit und Resilienz der Betriebe“, heißt es in der Pressemeldung zum aktuellen Atlas.
Olaf Bandt, BUND-Vorsitzender: „Politik muss Böden besser schützen, auch mit Blick auf die enorme Artenvielfalt: Denn unter einem Hektar Land leben 15 Tonnen Bodenlebewesen – das entspricht dem Gewicht von 20 Kühen. Eine Handvoll Boden kann mehr Lebewesen enthalten, als Menschen auf der Erde leben. Doch aktuell sind Böden bedroht – in Deutschland vor allem durch eine zu intensive Landwirtschaft mit übermäßigem Einsatz von Mineraldünger und chemischen Pestiziden sowie durch Versiegelung. Denn täglich gehen 55 Hektar Land für Siedlungsbau oder Verkehrsflächen verloren. Diese Flächen fehlen dann für die Landwirtschaft und den Artenschutz.“
Landwirtschaft beim Schutz der Böden unterstützen
Landwirtinnen und Landwirte sollten besser beim Bodenschutz unterstützt werden: „Die Novellierung des Bundesbodenschutzgesetzes muss den vorsorgenden Bodenschutz deutlich hervorheben, die Gemeinsame Agrarpolitik als Förderinstrument der EU muss Ökosystemleistungen auch für den Boden zukünftig stärker honorieren. Nachhaltige Flächennutzung kommt nicht nur der Natur zu Gute, sondern schützt unsere Lebensgrundlage Boden und erhöht die Resilienz gegenüber Auswirkungen der Klima- und Biodiversitätskrise“, so Bandt.
Dr. Jes Weigelt, stellvertretender Geschäftsführer TMG: „Aufgrund der Fähigkeit von Böden, das Klimagas CO2 zu speichern, und des Flächenbedarfs für Klimaschutzmaßnahmen wie etwa Aufforstung erlangen Böden eine immer größere Bedeutung in der internationalen Klimadebatte. Denn Böden sind die größten CO2 -Speicher an Land. Gleichzeitig benötigen die geplanten Klimaschutzmaßnahmen aller Länder rechnerisch 1,2 Milliarden Hektar Land – eine Fläche dreimal so groß wie die EU. Eine Zunahme an Konflikten um Land und Boden ist vorprogrammiert. Verlierer werden die Schwächsten sein, die Kleinbäuerinnen und Kleinbauern und die indigenen Bevölkerungsgruppen. Nur wenn politisch kohärente, auf den Menschenrechten basierende Maßnahmen zu Nutzung und Erhalt der Böden entwickelt werden, können wir diese Konflikte verhindern und gleichzeitig die Klimaziele erreichen.“
Der Bodenatlas 2024 beleuchtet auf 50 Seiten und mit 53 Illustrationen, wieso gesunde Böden für Mensch und Natur überlebenswichtig und zugleich umkämpft sind. Er erklärt auch, warum intakte Böden für den Klimaschutz und die Anpassung an die Klimakrise essenziell sind. Er zeigt, wie ein langfristiger Bodenschutz in der Landwirtschaft gelingen kann und welche politischen Rahmenbedingungen es dafür braucht.
red