Nordeuropa treibt die globale Energiewende an

Nordeuropa treibt die globale Energiewende an
Foto: Pixabay CC/PublicDomain/BjoKib

Nordeuropa treibt die globale Energiewende an

capital.de: Schweden, Norwegen und Dänemark werden zu Vorreitern beim Umbau zum grünen Wirtschaften. Sie liefern wichtige Rohstoffe – und etablieren völlig neue Industrien.

Es war eine aufsehenerregende Meldung: Ende Juni wurde bekannt, dass unter dem Boden Südnorwegens Phosphatgestein im Umfang von 70 Milliarden Tonnen lagert. Dass es Vorkommen in der Region gibt, war seit langem bekannt – überraschend aber war die Menge. Das nun angenommene Volumen entspricht fast dem sämtlicher bis dato weltweit nachgewiesenen Reserven. Der Rohstoff wird vor allem in Düngemitteln eingesetzt und ist daher unerlässlich für die Landwirtschaft.

Auf einen Umstand aber legte die Europäische Kommission besonders großen Wert, als sie den Fund begeistert kommentierte: Phosphor wird auch in Batterien benötigt, die Elektroautos antreiben oder die Energie von Photovoltaikanlagen speichern. Er wird also für den Wandel zu einer CO2-neutralen Wirtschaft gebraucht – und da ist es nicht schlecht, mit Norwegen einen Lieferanten zu haben, der als zuverlässig gilt und nicht wie Marokko oder China zu den Autokratien dieser Welt zählt.

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Die Nachricht aus Norwegen wurde auch deshalb so freudig begrüßt, weil das Nachbarland Schweden bereits im Januar eine sehr ähnliche Entdeckung verkünden konnte: In der Lagerstätte Per Geijer im Norden des Landes wurde das bisher größte europäische Vorkommen an Seltenen Erden ausgemacht, einer Gruppe von Metallen, die in Mobiltelefonen, aber auch in Windturbinen und Elektroautos zum Einsatz kommt. Bisher kommen die Rohstoffe überwiegend aus China, und auch hier feierten Experten die Chance, sich ein Stück weit aus dieser Abhängigkeit zu befreien.

Skandinavien als „Silicon Valley der Nachhaltigkeit“

Die beiden Funde passen zu einer Entwicklung, die sich spätestens seit dem russischen Überfall auf die Ukraine mit wachsendem Tempo vollzieht. Die nordischen Staaten Europas werden zum Treiber des Umbaus hin zu CO2-neutralen Volkswirtschaften in Europa. Und sie bringen das verlockende Versprechen mit, die bisherigen Lieferanten der Rohstoffe und Technologien, die dafür unerlässlich sind, zumindest zu ergänzen.

Dabei ist ein Umfeld entstanden, in dem die Regierungen, Geldgeber und viele Industrieunternehmen der Region sehr ähnliche Ziele verfolgen, ein „Ökosystem“ in der Sprache der Start-up-Welt. Das Beratungsunternehmen McKinsey sieht in einer Studie bereits „ein nordisches Silicon Valley der Nachhaltigkeit“ in der Entstehung begriffen.

Auffällig ist: Die Transformation geht nicht nur von jungen Wachstumsunternehmen aus, sondern kommt oft gerade aus der traditionellen Industrie. „Zu einem großen Maße sind es die etablierten Unternehmen, die die grüne Entwicklung vorantreiben“, sagt Teis Hansen, Professor an der Universität Kopenhagen, der den Umbau mit einer Forschungsgruppe untersucht hat. „Wir haben das im Forstwesen, der Papierindustrie, in der Seefahrt und im Transport gesehen.“

Pioniere bei CO2-Steuern

Ein Grund dürfte sein, dass die nordischen Staaten schon sehr früh auf eine Besteuerung von CO2-Emissionen gesetzt haben, als dies in anderen Ländern noch kaum denkbar war. Schon 1990 wurde eine CO2-Bepreisung in Finnland eingeführt, dicht gefolgt von hohen Energiesteuern in Dänemark, Schweden und Norwegen. Joachim Roth vom International Institute for Sustainable Development, einem kanadischen Forschungsinstitut, kommt zu dem Schluss, dass die nordischen Staaten die Energiesteuern auch zur Haushaltssanierung nach Wirtschaftskrisen einsetzten, ohne dass dies mittelfristig dem Wirtschaftswachstum geschadet habe: „Ende der 90er-Jahre hatten alle nordischen Länder ihre Budgetdefizite in Überschüsse verwandelt und ihre Arbeitslosenraten abgebaut“, so Roth.

Die Unternehmen aber hatten sich inzwischen umorientiert und damit schon früh ein wirtschaftliches Umfeld geschaffen, das auf erneuerbare Technologien ausgerichtet war: Start-ups, staatliche Förderung, universitäre Forschungszweige, Private-Equity-Fonds und etablierte Unternehmen, die dringend auf neue Technologien angewiesen waren. „In gewisser Hinsicht haben die nordischen Staaten heute die Bedeutung für Nachhaltigkeit, die das Silicon Valley in den 90er-Jahren für Technologie hatte“, heißt es in der McKinsey-Studie. „Vieles von dem, was gebraucht wird, um auf diesem Gebiet zu wachsen und dominant zu werden, ist jetzt schon da und muss nur noch genutzt werden.“ … weiterlesen

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