Obst und Gemüse aus der Stadt: Zu viel CO₂

Obst und Gemüse aus der Stadt: Zu viel CO₂
Foto: Pixabay CC/Publicomain/Nippelsn

Obst und Gemüse aus der Stadt: Zu viel CO₂

spiegel.de: Kaffee zwischen Himbeerstrauch und Salatkopf? Das ist nicht so toll fürs Klima wie gedacht: Laut einer Studie haben Obst und Gemüse aus urbanen Gärten oft eine schlechtere CO₂-Bilanz als die konventionelle Landwirtschaft.

Gemeinschaftsgärten sind schlechter als ihr Ruf, zumindest was die Umweltbilanz angeht. Im Durchschnitt ist der CO₂-Fußabdruck von Lebensmitteln aus urbaner Landwirtschaft und urbanen Gärten sechsmal größer als bei Produkten aus konventionellem Anbau. Das hat ein Team von Forschenden um den Umweltingenieur Jason Hawes herausgefunden, der an der Universität Michigan zum Thema urbane Landwirtschaft promoviert.

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Hawes und seine Kollegen haben Daten aus 73 Stätten urbaner Landwirtschaft in Frankreich, Deutschland, Polen, Großbritannien und den USA zusammengetragen. Erhoben wurden sie von Freiwilligen, sogenannten Citizen Scientists, aus den jeweiligen Städten. In ihre Analyse bezogen sie Gemeinschaftsgärten, Gärten einzelner Personen wie etwa Kleingärten und städtische Bauernhöfe ein und untersuchten, wie viel Baumaterialien, Wasser und Betriebsmittel wie Dünger etwa für den Anbau von einem Kilo Tomaten, Zwiebeln oder Karotten verbraucht werden.

»Die industrialisierte Landwirtschaft geht oft zulasten des Ökosystems, ist aber äußerst effizient, und konventionell angebautes Gemüse relativ CO₂-arm«, sagt Hawes, der mittlerweile Dutzende urbane Gärten besucht hat. »Die urbane Landwirtschaft hingegen hat nicht den Vorteil, auf großen, offenen Feldern zu arbeiten, und verbraucht mitunter sehr viele Materialien und Ressourcen im Verhältnis zum Ertrag.« Erschienen ist die Studie in der Fachzeitschrift »Nature Cities«, die erst seit Januar 2024 einmal im Monat veröffentlicht wird und ausschließlich der Stadtforschung gewidmet ist.

Zwischennutzung treibt Materialverbrauch in die Höhe

Die Umweltbilanz von städtischen Gemeinschaftsgärten ist auch deshalb schlecht, weil sie häufig nur als Zwischenlösung betrieben werden. Nach wenigen Jahren müssen Hochbeete, Hütten und Kompostanlagen teils wieder abgebaut werden und landen dann häufig auf dem Müll. »Wenn der Kompost im urbanen Garten nicht richtig bewirtschaftet wird, ist sein Sauerstoffgehalt zu niedrig und er stößt jede Menge klimaschädliches Methan aus«, sagt Hawes.

Auch beim Bewässern hat die urbane Landwirtschaft Nachteile, weil die Pflanzen in der Stadt zum Großteil Trinkwasser bekommen. Auf konventionellen Feldern nutzten Landwirte dagegen häufiger Wasser direkt aus Brunnen, das nicht als Trinkwasser aufbereitet wurde und deswegen eine bessere CO₂-Bilanz hat.

Hawes’ Forschung berührt ein grundsätzliches Thema, das zunehmend an Bedeutung gewinnt: Es geht um die Frage, wie sich Städte klimafreundlicher gestalten lassen und die Lebensqualität ihrer Bewohner erhalten oder verbessert werden kann. Es ist einer der Gründe dafür, dass der renommierte Fachverlag Nature Research nun ein Magazin allein zur Stadtentwicklung herausgibt.

Ricarda Pätzold ist Stadtplanerin und leitet den Forschungsbereich Stadtentwicklung, Recht und Soziales am Deutschen Institut für Urbanistik. Sie war nicht an der aktuellen Studie beteiligt. »Auch wenn zuletzt mehr Menschen aufs Land gezogen sind, etwa weil sie im Homeoffice arbeiten können, bleibt die Urbanisierung der dominante Trend der Siedlungsentwicklung«, sagt sie, »und daraus resultieren Konflikte.«

Oft gehe es dabei um Platz, etwa auf den Freiflächen, wenn Kleingewerbe oder Gemeinschaftsgärten Bauvorhaben weichen müssten. Und es geht ums Geld: »Die Unsicherheit der Bewohner, ob sie dauerhaft an ihren Orten bleiben können, tut auch der Stadt nicht gut«, sagt Pätzold. »Man merkt den Quartieren an, wenn ihre Bewohner nur noch damit beschäftigt sind, die Miete zusammenzubekommen und sich nicht mehr im Viertel einbringen können.« weiterlesen

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