Regiobranche stemmt sich gegen die Krisen
Regiobranche stemmt sich gegen die Krisen
Anlässlich des 11. Bundestreffens der Regionalbewegung versammelte sich die Regiobranche am Fuße der Zugspitze. Über 200 Akteure von regionalen Initiativen, Organisationen, Dorfläden und Lebensmittel-Handwerksverbänden, sowie aus Politik und Wissenschaft waren der Einladung des Bundesverbandes der Regionalbewegung e.V. (BRB) ins oberbayerische Farchant gefolgt und diskutierten mit rund 60 namhaften Referentinnen und Referenten die aktuellen Herausforderungen zum Thema „Regional im Zeichen von Klimawandel und Daseinsvorsorge“.
Drei Tage lang bot das Bundestreffen der Regionalbewegung in zahlreichen Programmpunkten und attraktiven Formaten umfangreiche und kompetente Wissensvermittlung sowie konstruktiven Austausch und Kulinarik rund um das Thema Regionalität. „Ein Heimspiel für uns“, freute sich Dr. Florian Herrmann, Leiter der Staatskanzlei und Staatsminister für Bundesangelegenheiten und Medien in Bayern: „60 Prozent der in Bayern produzierten Lebensmittel werden im eigenen Land vermarktet“, berichtete er in seinem Festvortrag und dankte der Regionalbewegung in gleichem Zug für ihren unermüdlichen Einsatz für gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land sowie die bäuerliche Landwirtschaft.
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Enorme Herausforderungen
Die Veranstaltung brachte jedoch auch die prekäre Lage der Regionalvermarkter deutlich zum Ausdruck und es wurden konkrete Maßnahmenvorschläge gegenüber den zahlreich erschienenen politischen Entscheidungsträgern formuliert. Im Zuge der vielfältigen Krisen – Energie, Klima, Inflation – und der daraus schwindenden Kaufkraft der Verbraucherinnen und Verbraucher, ist die Regiobranche enormen Herausforderungen ausgesetzt. Eine Branche, die sich im „Haifischbecken“ Lebensmittelindustrie und -handel über Wasser halten muss, von der man aber mittlerweile auch weiß, dass ihre Funktionen und Potenziale weit über die Lebensmittelversorgung hinaus gehen. Aus Sicht der Regionalbewegung muss hier politisch aktiv gegengesteuert und unterstützt werden, um regionale Wertschöpfungsketten für resiliente Regionen nicht noch weiter auszudünnen.
„Regionalität und nah versorgte Regionen sind Sicherheitsarchitektur in einer globalisierten und von Krisen gebeutelten Welt“, ist sich Heiner Sindel, 1. Vorsitzender des BRB sicher und ergänzt: „Regionale Strukturen schaffen nicht nur Versorgung für urbane und ländliche Räume, sondern übernehmen neben den ökonomischen und ökologischen auch unschätzbar wichtige gesamtgesellschaftlich-soziale Funktionen und sind damit Fundament unserer Demokratie.“
Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe
Umso wichtiger ist es, dass das Bewusstsein für die erschwerten Rahmenbedingungen sowohl auf bundes- als auch auf landespolitischer Ebene angekommen ist und Maßnahmen ergriffen werden.
Dr. Klaus Heider, Ministerialdirektor und Leiter der Abteilung „Ländliche Entwicklung, Digitale Innovation“ im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft betonte ebenfalls in seinem Festvortrag: „Starke Regionen und ihre Initiativen können und sollten das Fundament unserer nationalen Sicherheitsarchitektur bilden und als Gewinner aus den Transformationsprozessen hervor gehen, die vor uns liegen. Die Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe – gerade im Bereich der Lebensmittel – liegt in unserem gesamtstaatlichen und gesamtgesellschaftlichen Interesse. Wir möchten Ihren Initiativen und Ideen vor Ort Rückenwind geben.“
Ilonka Sindel, Geschäftsführerin des BRB erklärte: „Funktionsfähige Regionalvermarktung ist häufig abhängig von Fördermitteln. Hier muss die Politik nachsteuern und den Zugang zu Fördermitteln für kleinbäuerliche Landwirtschaft sowie lebensmittelverarbeitendes Handwerk und regionale Vermarktungsinitiativen vereinfachen. Und: Regionalvermarktungsbetriebe dürfen nicht weiterhin mit Unternehmen der Lebensmittelindustrie in einen Topf geworfen werden. Hier bedarf es einer Entbürokratisierung. Zudem müssen stets Ausnahmebestände geschaffen werden, um regionale Strukturen aufrecht zu erhalten und zu fördern.“
Sven Giegold, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, pflichtete hier in seinem Impulsvortrag bei: „Wir haben die nationale Förderlandschaft in einer großen Reform stärker an die Bedürfnisse ländlicher Regionen angepasst. Künftig steht die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ auch dezentralen Produzenten offen. Trotzdem brauchen wir mehr Effizienz und Transparenz über die regionale Verteilung der Fördermittel.“ Darüber hinaus kündigte er an: „Die Bundesregierung plant noch dieses Jahr einen Entwurf für ein viertes Bürokratieentlastungsgesetz vorzulegen. Ich möchte dabei insbesondere jene Hürden beseitigen, die kleine, regionale oder handwerkliche Produzentinnen und Produzenten betreffen und im Wettbewerb benachteiligen. Wir freuen uns über konkrete Hinweise.“
Ländliche Räume erhalten
Gleichzeitig warnte er ebenso wie die Bundestagsabgeordnete Dr. Anne Monika Spallek, Bündnis 90/Die Grünen, vor den aus dem Finanzministerium angedachten Kürzungen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK)“ um 150 Millionen. „Für die ländlichen Regionen ist die Kürzung dieser Mittel eine Katastrophe“, befürchtete Spallek. „Die GAK ist das wichtigste nationale Förderinstrument für leistungsfähige, auf künftige Anforderungen ausgerichtete sozial-stabile ländliche Räume“, betonte sie weiter. Ihren Vorschlag für eine Gemeinschaftsaufgabe oder gar einem Programm „Daseinsvorsorge und Nahversorgung“ unterstützt die Regionalbewegung ausdrücklich. Abschließend betonte Spallek die große Macht und Wirkung der Basis und ermutigte die Teilnehmer, fokussiert und unermüdlich konkrete Hebel zur Stärkung der kleinsten, kleinen und mittleren Betriebe an die örtlichen politischen Mandatsträger zu formulieren.
Der Bundesverband der Regionalbewegung greift die spürbar positive politische Stimmungslage aktiv auf und nimmt ein großes Maßnahmenbündel von der in Farchant versammelten Fachkompetenz mit in die Verbandsarbeit. Um die vielfältigen Themen wie glaubwürdige Regionalkennzeichnung, regionale Produkte in der Außer-Haus-Verpflegung, Ernährungs- und Energiewende, regionale Mikrologistik, Dorfladengründungen oder Entbürokratisierung der Förderpolitik voranzutreiben, arbeitet der BRB weiterhin an einem eigenständigen Bundesprogramm Regionale Wertschöpfung. Die darin enthaltenen Maßnahmenvorschläge sollten im kürzlich erweiterten Bundesprogramm Ländliche Entwicklung und regionale Wertschöpfung (BULEplus) mit einer kräftigen Mittelaufstockung berücksichtigt werden. Gemeinsam den Krisen trotzen für starke Nahversorgerregionen – die Regionalbewegung hat starke Allianzpartner!
Andrea Winter