Roboter soll hektarweise hacken, jäten, schneiden

Roboter soll hektarweise hacken, jäten, schneiden
Unkrautroboter im Einsatz Foto: NAITURE

Roboter soll hektarweise hacken, jäten, schneiden

90 Prozent weniger Handarbeit im Bio-Gemüseanbau: Automatisierte, herbizidfreie Unkrautbekämpfung im Bio-Gemüseanbau ist das Ziel eines Forschungsprojektes JaetRobi, das seit 2022 bis 2025 mit mehreren Partnern aus Forschung, Industrie und Biolandbau läuft. Die Systemintegration für die Roboter-basierte Lösung liegt bei der Hydrive GmbH aus Freital bei Dresden. Der Automatisierungsspezialist aus dem Maschinenbau arbeitet hier eng mit der Naiture GmbH in Friedrichsgabekoog zusammen, einer Ausgründung aus der Hochschule Westküste, die in digitaler Bildverarbeitung und Künstlicher Intelligenz ihren Schwerpunkt hat. Gesellschafter ist der Bio-Landwirt Rainer Carstens, der auf mehr als 1.200 Hektar Bio-Gemüse anbaut.

„Die Landtechnik-Branche ist bundesweit gut vernetzt, überschaubar und extrem leistungsfähig,“ erklärt Hydrive-Inhaber Dr. Thomas Neubert, dessen Firma sich an der Schnittstelle von Maschinenbau und Land-/Forsttechnik mit Simulation und Automation positioniert. Damit bringen die Sachsen in das von Agrar und IT geprägte Netzwerk die Steuerungstechnik ein. „Für uns ist der Biohof von Carstens ein echter Glücksgriff, weil man im Pflanzenanbau wenig simulieren kann und auch mal eine Reihe Gemüse zerstören dürfen muss,“ beschreibt Neubert das Zusammenspiel.

Weitere Partner sind das Leibnitz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB) in Potsdam, das den pflanzlichen Part abdeckt, welche Sorten etwa mit welchen Spezifika es gibt und welchen Unkräutern; die TU Dresden, die mechanische Tests zu Funktionalität und Verschleißschutz koordiniert, wenn es um Hacken und Schneiden geht; und die TU Berlin, die das Lasern einbringt, um Keimblätter des Unkrauts mit hoher Temperatur abzutöten. Neubert: „Im Kern geht es um die Frage, wie man mit möglichst wenig Aufwand das Unkraut zwischen den Reihen größtmöglich schädigt.

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In der Bilderkennung muss der Rechner schnellstmöglich auf der Basis von möglichst wenig Fotos – Standard sind aktuell 30 pro Sekunde – erfassen, was Unkraut ist und wo es wächst. Schnellschaltventile wie sie etwa beim Kaffeebohnensortieren verwendet werden, werden mit der Optik verbunden, damit vier Zentimeter lange Hackmesser zentimetergenau in Millisekunden bis zu einem Zentimeter tief in den Boden eindringen, um dort Unkraut von der Wurzel zu trennen. Der Abstich bleibt danach auf dem Feld, vertrocknet und verrottet.

Foto: Naiture

Erschwerend kommt hinzu, dass etwa auf Karotten sogenannte Wildmöhren als Unkräuter wachsen, die gleichfalls eliminiert werden müssen für einen guten, verkaufsfähigen Ertrag. Hier kommt die Künstliche Intelligenz von Naiture zum Einsatz, die bereits bei drei Millimeter langen Keimblättern erkennt, ob es sich um die gewünschte Karotte oder um deren Wildkraut handelt. Auch hier koordiniert Hydrive als Steuerungsprofi das Zusammenspiel aller Einzelfunktionen zu einem synchronisierten Prozess, der die gewünschte Qualität liefert.

Weitere Erfordernisse an den Roboter, der rund um die Uhr sieben Tage die Woche arbeiten kann: Er muss Personen auf dem Feld erkennen und rechtzeitig stoppen oder ausweichen, um Unfälle zu vermeiden. Nach einem Halt muss er wieder anfahren, sich autonom auf dem Feld orientieren und idealerweise mit anderen Robotern koordiniert den Acker flächendeckend und effizient bestellen. Auch das Abflammen, das etwa Zwiebelsamen überleben, aber nicht die Samen vieler Unkräuter, soll durch jätende Roboter ersetzt werden, um neben Herbiziden auch CO2 einzusparen. Variabilität in seiner Verwendbarkeit über Anbausorten hinweg macht den Roboter marktfähig, um mit möglichst vielen Gemüsesorten kompatibel zu sein.

Komplexe Aufgabensteling

Um die Komplexität des Forschungsprojektes, das das Bundeslandwirtschaftsministerium mit 1,4 Millionen Euro fördert, zu verdeutlichen, gibt Neubert mehrere Beispiele. Allen voran steht da die Witterung: Mal ist das Frühjahr extrem trocken, mal außergewöhnlich nass oder etwas dazwischen. „Das wirkt sich alles auf die Vegetation und deren Wachstumsgeschwindigkeit aus,“ sagt der promovierte Maschinenbauer, womit sich Zeitfenster für Bodenbearbeitung und Jäten nicht nur um Tage verschieben, sondern Zeitfenster extrem verkleinern.

Wenn etwa die Böden sehr nass sind, kann der schwere Roboter tagelang nicht fahren, während parallel das Unkraut „ins Kraut schießt“. Die Folge: Stile werden dicker, Massen größer und auch dann soll die Technik noch funktionieren. Oder: Aktuell hat der Roboter eine Arbeitsgeschwindigkeit von 1.000 Metern pro Stunde, attraktiv wird er aber erst bei sechs km/h. Dann könnte er bis zu 30 Hektar Fläche pro Stunde bearbeiten.Zum Vergleich: Sechs Frauen auf einem Traktor schaffen 600 Meter pro Stunde und jäten dabei fünf, sechs Hektar pro Tag. Denn die Schwierigkeit liegt nicht bei den 70 Zentimeter breiten Flächen zwischen den Reihen, die bereits automatisch gehackt werden können, sondern in den Reihen selbst, in denen die Möhren maximal fünf Zentimeter Abstand haben. Deshalb geht es um das Hacken in den Reihen.

Das sind typische Aufgabenstellungen, die Hydrive auch etwa in der Bau- und Forstwirtschaft seit 2005 löst, die extrem komplex sind. Schließlich verbraucht die große Flächenleistung bei hoher Geschwindigkeit mehr Energie, die die Sachsen über einen gasbetriebenen Motor bereitstellen.

In gepflanzten Kulturen im Öko-Gemüseanbau, so Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne), sei die Maschinenhacke bereits Standard. Für gesäte Gemüsekulturen in den Reihen will sein Ministerium dasselbe zeitnah erreichen, um weitere Herbizide einzusparen und die Biodiversität nicht weiter zu gefährden. Externe Gutachter hätten deshalb die Förderung für das anspruchsvolle Vorhaben ausdrücklich befürwortet.

Die Westhof Bio-Gemüse GmbH & Co. KG von Bio-Landwirt Rainer Carstens bewirtschaftet mit 16 Angestellten und 120 Saisonkräften 1200 Hektar Land. Dort werden wegen der Fruchtfolge zu 30 Prozent Kleegras für die eigene Biogasanlage angebaut, je 15 Prozent Kohl, Karotten, Erbsen und Getreide sowie zehn Prozent Sonstiges. Sämtliche Erzeugnisse liefert Carstens drei Partnern in der Lebensmittelverarbeitung. Sein Gesamtunternehmen inklusive Energieerzeugung, Werkstatt, Verpackung und Logistik beschäftigt 170 Mitarbeiter, davon fünf Feste in der Naiture GmbH, der wiederum sechs Studenten zuarbeiten.

Leonhard Fromm

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