Schallende Backpfeife für Agrarwende, Umwelt- & Klimaschutz
EU-Agrarpolitik – Skandal: Schallende Backpfeife für Agrarwende, Umwelt- & Klimaschutz
Während sich in den USA neue Nachrichten auftürmen, die allerhand Anlass zur Fassungslosigkeit bieten, haben wir uns noch gar nicht erholt von den Neuigkeiten aus Brüssel zur GAP, der EU-Agrarpolitik. Ende Oktober haben sich sowohl Europäisches Parlament als auch der Rat auf Reformvorschläge für die kommenden sieben Jahre geeinigt. Herausgekommen ist eine Absage an Klima- und Umweltschutz sowie eine schamlose Verweigerung, die dringend notwendige Agrarwende anzugehen und dem Höfesterben entgegenzuwirken.
Dementsprechend fand man auch in den Medien deutliche, vernichtende Worte für Parlament und Rat: „Schlag ins Gesicht für alle, die es besser machen wollen“ (BÖLW), „große Chance verpasst, die Agrarpolitik sozialer und ökologischer auszurichten“ (Tagesschau), „Agrarreform ist Nullrunde“ (TAZ), „Weitere sieben Jahre im Rückwärtsgang“ (Grüne), „Die Vetternwirtschaft in Brüssel ist ein Skandal“ (Spiegel), „Verrat an Umwelt- und Klimaschutz“ (Naturland), und „Eine Katastrophe mit Ansage“ (FAZ), um nur ein paar zu nennen.
Julia Klöckners trump(f)te daraufhin mit irrwitzigen, kaum ernst zu nehmenden Versuchen auf, indem sie den offenkundigen Rückschritt als Systemwandel bezeichnete. Ihre Aussage „Wir haben einen Systemwechsel eingeleitet, weil es keinen Euro mehr an Direktzahlungen gibt, die nicht an Umweltanforderungen gebunden sind.“, kann man mit Blick auf die tatsächlichen Ergebnisse der Verhandlungen kaum aushalten. Immerhin steht dem gegenüber, dass sich an dem alten System der Subventionen, von denen 60% als Flächenprämien gezahlt werden, nichts ändern wird. Die Bedingungen um die Prämien zu erhalten, die Klöckner so stark als Kopplung an den Klimaschutz betont, wurden tatsächlich geschwächt anstatt verschärft. Systemwandel sieht anders aus!
Denn Details der Beschlüsse sind u.a.:
- Das alte System der Agrarsubventionen bleibt, wie es ist. Es sollen 60% der Gelder nach Hektar vergeben werden.
- Anstatt 30% der Mittel der ersten Säule für verbindliche Greening Maßnahmen auszugeben sind beim Europäischen Rat nur noch 20% Eco-Schemes vorgesehen. Diese sollen auch nicht mehr verbindlich sondern ab sofort freiwillig sein und zudem erst nach einer zwei jährigen Testphase anlaufen.
- Die Begrenzung der Direktzahlungen je Betrieb auf 100.000 € werden nicht verpflichtend sondern freiwillig.
- Die Konditionalität für die Direktzahlung sieht anstatt 7% ökologischer Vorrangflächen (öVF) nur noch 5% vor. In der EU sind in der landwirtschaftlichen Praxis im Schnitt allerdings ohnehin im Schnitt schon ca. 10% der Flächen öVF gängig. Wo man hier die Bindung an ökologische Maßnahmen attestieren will, bleibt fraglich. Daneben wurde das Pestizidverbot auf diesen Flächen , ebenso wie das Pflugverbot auf Natura 2000 Flächen aufgehoben.
- Feuchtgebiete und Moore, die unter Schutz stehen, sollen erst ab 2025 (wieder) „angemessen“ geschützt werden.
Solche Beschlüsse sind eine Provokation gegenüber wissenschaftlichen Tatsachen und reihen sich ein in den Trend des Leugnens notwendiger Veränderungen. Helga Schmidt vom ARD-Studio Brüssel trifft den Nagel auf den Kopf:
„Ihre Beschlüsse [der Agrarminister] klingen so, als hätten sie noch nie etwas von Artenschwund gehört, nichts von Bodenerosion und Erderwärmung. Weltweit sind rund eine Million Pflanzen und Tierarten vom Aussterben bedroht. Nur ein Viertel der Insektenbestände in Deutschland hat die letzten 30 Jahre Intensivlandwirtschaft überstanden. Unser Grundwasser ist mit Nitrat belastet, der Einsatz von Pestiziden steigt, der von Antibiotika auch.“
Doch weder Klimaschutz, Pestizidreduzierung noch Sicherung der Artenvielfalt oder die Stärkung kleiner und mittlerer Betriebe tauchen in den Beschlüssen auf. Das alles, obwohl es seit langem keine wissenschaftliche Legitimation für die Direktzahlungen gibt, daneben jedoch diverse negative Auswirkungen auf bäuerliche Strukturen sowie die Umwelt belegt sind. Und das alles auch, obwohl es detaillierte Reformvorschläge u.a. vom DVL oder der AbL gibt.
Wir sind zutiefst ernüchtert. 7 verlorene Jahre, ein „Weiter so“ mit unsozialer, unökologischer Agrarpolitik, die falsche Anreize setzt und auf Großbetriebe setzt, die möglichst viel, möglichst billig, auf Kosten von Umwelt, Tierwohl und Arbeitsschutz produzieren.
Noch ist der neue GAP Vorschlag nicht in Stein gemeißelt. Politisch geht es in die nächste Runde. Bei den Trilog-Verhandlungen müssen nun der Europäische Rat, das Europäische Parlament und die EU Kommission eine Einigung erzielen. Hier hat die EU Kommission also die Chance den Vorschlag abzuschlagen und nachzubessern. Gute Gründe hätte sie sogar selbst in der Tasche: Green Deal, Biodiversitätsstrategie und Farm to Fork sind klare Bekenntnisse, nicht noch mehr Zeit und Geld in den Sand zu setzen. Es bleibt abzuwarten, ob sich auch die Kommission vor hohlen Phrasen versteckt oder endlich ihre Reformanläufe in politische Maßnahmen umsetzen will.
Eine derartige Agrarpolitik ist inakzeptabel und zerstört unsere Zukunft! Wir fordern eine angemessene Honorierung und unbürokratische Anreize für öffentliche Leistungen von Bauern und Bäuerinnen beim Umwelt-, Tier- und Klimaschutz und dafür ein Ende des Gießkannenprinzips.
Wir lassen uns nicht für weitere 7 Jahre abwimmeln und im Bündnis werden Aktionen ausgetüftelt, um klarzustellen, dass wir Klöckner diese Absage an eine zukunftsfähige Agrarpolitik nicht durchgehen lassen. In den kommenden Tagen werden wir euch über Möglichkeiten mitzumachen informieren.
Damit wir zusammen mit euch mehr erreichen, müssen wir aber lauter werden! Offensichtlich ist der Druck aus Gesellschaft und Medien nicht groß genug! Lasst uns als Bewegung wachsen!
Aktion Agrar – Landwende jetzt!
Die Veröffentlichung erfolgt im Rahmen unserer Medienpartnerschaft mit Pressenza