So kann KI die Energiewende beflügeln
So kann KI die Energiewende beflügeln
faz.net: Digitale Technologien können einen wichtigen Teil zur Klimaneutralität beitragen.
Ein Klima-Pakt, der hoffen lässt”, schrieb die F.A.Z., als sich vor knapp neun Monaten 200 Länder im Pakt von Glasgow auf ein ambitioniertes Programm zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels verständigten. Erst kurz zuvor, im Juli 2021, hatte die Europäische Kommission das „Fit for 55“-Paket vorgestellt: Maßnahmen zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2050 und zur Reduzierung der Emissionen um 55 Prozent bis zum Jahr 2030.
Seitdem hat sich unsere Welt dramatisch verändert. Durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine stehen wir vor völlig neuen Herausforderungen in der Sicherheits- und Energiepolitik mit unmittelbaren Auswirkungen auch auf die Klimapolitik. Wie können wir unter diesen veränderten Rahmenbedingungen unsere gemeinsamen Klimaziele erreichen und gleichzeitig unsere Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland und Europa stärken? Die westliche Welt hat zuletzt eindrucksvoll demonstriert, diese Aufgabe gemeinsam lösen zu wollen. Daneben gibt es einen elementaren Hebel, um unsere Klimaziele zu erreichen: Technologie.
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Zu ihr haben wir hierzulande ein durchaus ambivalentes Verhältnis. In vielen Bereichen ist Deutschland technologischer Spitzenreiter, im Bloomberg Innovation Index sogar auf Platz vier der 20 innovativsten Länder der Welt, noch vor den USA oder China. Gleichzeitig führen wir jedoch oft und geradezu mit Begeisterung Diskussionen über die Risiken und Gefahren neuer Technologien.
In der Corona-Pandemie haben wir alle erlebt, welche wichtige Rolle Technologie bei der Bewältigung einer Krise spielen kann. Digitale Technologien haben in dieser Phase viele Dinge erst wieder möglich gemacht: das Arbeiten aus dem Homeoffice, das virtuelle Lernen und Lehren, das soziale Leben trotz Abstandhaltens und nicht zuletzt den digital unterstützten Einzelhandel. Und das von einem Tag auf den anderen. Ohne digitale Technologien hätten bis zu vier Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht von zu Hause aus arbeiten können. Einer Studie des Beratungsunternehmens Deloitte zufolge wäre das deutsche Bruttoinlandsprodukt dann nicht um 5, sondern um bis zu 22 Prozent eingebrochen.
Auch bei der Bekämpfung des Klimawandels spielen technische Innovationen eine entscheidende Rolle. Der Digitalverband Bitkom hat herausgefunden, dass digitale Technologien mit einem Anteil von bis zu 41 Prozent zum Erreichen des deutschen Klimaziels beitragen können.
20 Prozent effizientere Windkraft
Natürlich benötigen auch digitale Technologien Energie. Rechenzentren verbrauchen insgesamt etwa ein Prozent des weltweit erzeugten Stroms. Bitkom schätzt aber, dass das CO2-Einsparpotential digitaler Technologien fünf- bis sechsmal höher ist als ihr eigener Ausstoß. Der Bedarf an Rechenleistung in Rechenzentren ist zwischen 2010 und 2018 um 550 Prozent gestiegen. Deren Energieverbrauch war aber 2018 nur sechs Prozent höher als 2010. Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) haben die Effizienz der Energienutzung für Kühlung und Betrieb der Server enorm gesteigert. Bei Google erstellt KI zum Beispiel Prognosen für den Energieverbrauch und verteilt Arbeitslasten in den Serverräumen so, dass der Energieverbrauch um bis zu 30 Prozent gesunken ist.
KI kann auch die Energieerzeugung effizienter gestalten. Windkraft wird zum Beispiel so vorhersehbarer und damit besser nutzbar. Untersuchungen zeigen, dass KI den Nutzungsgrad von Windenergie um 20 Prozent steigern kann.
Für Unternehmen lohnt es sich oftmals auch, den eigenen Speicherplatz und die Rechenleistung in die Cloud zu verlegen, statt selbst Server zu betreiben. Die National Geographic Society hat zum Beispiel beschlossen, ihre gesamte, 20 Jahre alte Bilddatenbank – zwei Millionen Fotos, von Stonehenge bis zu Orang-Utans, insgesamt 17 Terabyte Daten – in die Cloud zu verlegen. Allein dadurch spart die Organisation jährlich knapp 17 Tonnen an CO2-Emissionen.
Technologien wie KI und Cloud können auch auf ganze Branchen übertragen und damit für viele Akteure nutzbar gemacht werden. Schon jetzt tauschen wir zum Beispiel Leistungsdaten unserer Rechenzentren aus, um die digitale Wirtschaft insgesamt voranzubringen. Im Rahmen des „Environmental Insights Explorers“ (EIE) arbeiten wir mit Tausenden von Städten weltweit zusammen. Das EIE-Werkzeug stellt Daten aus vier Bereichen zur Verfügung: Gebäudeemissionen, Verkehrsemissionen, Potential für Solarenergie sowie Klimaprognosen. Gerade mittlere und kleine Städte bekommen so ein günstiges und wirksames Instrument zur Steuerung der eigenen Klimaschutzziele. Das Potential ist riesig: Städte sind für rund 70 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich.
Allein durch intelligente Mobilität können wir bis zu 13 Prozent der erwarteten Mobilitätsemissionen im Jahr 2030 vermeiden. Dazu gehören Carsharing, digitale Fahrscheine, Echtzeitinformationen zum öffentlichen Verkehrsnetz oder Anwendungen für effizientes Fahren. GPS-Systeme können beispielsweise verkehrsbezogene Daten von Autofahrern erfassen, um das optimale Fahrverhalten und eine effiziente Streckenführung im Verhältnis zum aktuellen Verkehrssystem vorzuschlagen. Wir gehen davon aus, dass Autofahrer allein durch die Auswahl einer kraftstoffsparenden Route in Google Maps bereits zur Einsparung einer halben Million Tonnen CO2 weltweit beigetragen haben. Das entspricht etwa dem Ausstoß von 100 000 Autos… weiterlesen