So senken Unternehmen Energieverbrauch im Web

So senken Unternehmen Energieverbrauch im Web
Bei Nachhaltigkeit denken Unternehmen in erster Linie meist an die üblichen Bereiche: Sie prüfen, ob ihr Energieversorger Ökostrom anbietet, ermutigen ihre Mitarbeiter öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen oder checken, ob sich hybrides Arbeiten in ihrem Betrieb lohnt. Viel zu selten werden energieintensive Bereiche wie die IT miteinbezogen.
Dabei ist es kein Geheimnis mehr, dass die ITK-Branche für etwa 4 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich ist. Das ist mehr als die zivile Luftfahrt verursacht. Leah Goldfarb ist Nachhaltigkeitsexpertin bei platform.sh und erklärt im Gespräch mit globalmagazin, welche Stellschrauben Unternehmen haben, um ihren Energieverbrauch und die Nachhaltigkeitsbilanz in Bezug auf ihre IT zu senken.
Frau Goldfarb, woran denken Sie zuerst, um CO2-Emissionen in der IT zu senken?

Leah Goldfarb: Weniger Hardware! Heutzutage neigen Unternehmen dazu, immer mehr Hardware anzuschaffen, da sie immer mehr Daten verarbeiten müssen. Das ist aber gar nicht notwendig. Um Websites und Apps im Unternehmen zu managen, kann sich die Zusammenarbeit mit einem spezialisierten Partner für sichere Cloud-Infrastrukturen lohnen. Kunden können damit auf die Infrastruktur des Partners zurückgreifen und dessen Kapazitäten nutzen. Sogenannte „Platform as a Service“ -Anbieter (PaaS) ermöglichen einen jederzeitigen Zugriff auf alle möglichen Tools, ohne dass Kunden dafür eine eigene Infrastruktur bereitstellen oder verwalten müssen. Das spart nicht nur Kosten, die mit dem Auf- bzw. Ausbau und der Wartung einer lokalen Infrastruktur verbunden sind – sondern auch Ressourcen.
Server sind Stromfresser – gibt es hier Einsparpotenzial?
Gleiches gilt in Bezug auf die Serverauslastung. In vielen Fällen nutzen Unternehmen nur einen Bruchteil ihrer Serverkapazität, typischerweise zwischen 15 und 40 Prozent. Sie behalten diese Serverressourcen als Reserve für Spitzenbelastungen, die aber in der restlichen Zeit ungenutzt bleiben. Mit der Nutzung der Infrastruktur eines PaaS-Anbieters können Unternehmen ihre Kapazitäten skalieren, wenn es nötig ist, und nur so viel Ressourcen nutzen, wie benötigt werden. Laut der Agentur Greenly können Unternehmen auf diese Weise ihren Energieverbrauch um das Zehnfache senken.
Sollte man etwas bei der Wahl der Partner beachten – beispielsweise was die genutzten Rechenzentren angeht?
Ja, unbedingt. Ein wichtiges Thema ist “Green Hosting”. Unternehmen sollten darauf achten, wo ihre Daten gehostet werden. Moderne Plattform-Anbieter können dabei helfen, indem sie auf ihren Dashboards Transparenz über die Rechenzentren der Hosting-Partner schaffen. Es lohnt sich, diese zu vergleichen, da immer mehr Anbieter umweltfreundliche Alternativen zu konventionellen Rechenzentren anbieten, die nicht mit ökologisch erzeugtem Strom arbeiten. Rechenzentren in Skandinavien beispielsweise arbeiten bereits häufig mit Ökostrom. Dabei werden bis zu zehnmal weniger CO2 pro Kilowattstunde ausgestoßen als bei Rechenzentren, die mit Kohlestrom betrieben werden. Andere Regionen ziehen nach. Dies ist ein wichtiger Schritt in einer gezielten Reduktionsstrategie.
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Hat auch die Software-Seite einen Einfluss auf die CO₂ -Emissionen?
Absolut! Green Coding – also auf Nachhaltigkeit angelegtes Programmieren – wird zukünftig immer wichtiger werden. Denn die Optimierung einzelner Codezeilen hat auf den ersten Blick nur begrenzte Auswirkungen. Bei einem Code, der wiederholt verwendet wird, kann der Gesamteffekt jedoch beachtlich sein und zu einer Verringerung des Energieverbrauchs führen. Auch im Bereich Programmierung können PaaS-Anbieter unterstützen: Sie stellen häufig Beobachtungs- und Überwachungstools zur Verfügung und geben im Idealfall Empfehlungen zum Quellcode sowie Beschreibungen, wie er optimiert werden kann. So können IT-Teams Ladezeiten messen und Engpässe identifizieren. Diese Optimierung führt zu einer besseren Leistung und geringeren Emissionen.
Für welche Unternehmen lohnt sich die Zusammenarbeit mit einem PaaS-Anbieter?
Die Herausforderungen von IT-Teams heute sind immens. Die Anzahl der Websites und Webanwendungen von Unternehmen wachsen stetig – und damit die Anwendungsentwicklung, das Testen und das Deployment. Vorgaben durch Datenschutzrichtlinien und steigende Sicherheitsanforderungen erhöhen die Komplexität zusätzlich. Unterstützende Plattformen helfen nicht nur, den Aufwand beim Managen von Websites und Apps zu reduzieren, sondern geben auch Transparenz. Kunden erhalten mit der Überwachung der App-Performance, dem Stromverbrauch der Server oder den CO2-Informationen notwenige Informationen, die die Grundlage dafür sind, grünere Entscheidungen im Unternehmen zu treffen und die IT nachhaltiger zu gestalten.
Dennoch zögern viele Unternehmen vor der Integration einer solchen einheitlichen Plattform, da sie die Kosten scheuen. Das Analystenhaus Forrester hat kürzlich jedoch das Gegenteil festgestellt: Bei einer dreijährigen Projektlaufzeit kam heraus, dass eine vollständig integrierte Lösung bei ihrem zugrunde gelegten durchschnittlichen “Composite-Business” zu Einsparungen von über 1 Mio. USD führte. Das lässt sich sicherlich nicht auf jedes Unternehmen übertragen. Dennoch sind diese Zahlen groß genug, um eine gründliche Prüfung zu rechtfertigen. Denn die von Forrester ermittelten Gewinne zahlen sich nicht nur monetär aus, sondern auch in Form von schnellerer Innovation, besserer Flexibilität und weniger CO2-Emissionen.
Wie bewerten Sie die Digitalisierung der Wirtschaft abschließend – Fluch oder Segen?
Die Digitalisierung eröffnet uns bemerkenswerte Möglichkeiten, um unseren CO₂-Fußabdruck zu reduzieren. Der Weltklimarat hat hierbei auf eine paradoxe Wirkung hingewiesen: Einerseits kann die Digitalisierung uns helfen, unsere Emissionen durch eine vereinfachte Kommunikation und weniger Papier und Reisen zu senken. Andererseits trägt sie auf andere Weise zu höheren Emissionen bei (z.B. durch erhöhte Governance-Anforderungen und den „Rebound-Effekt“). Die Herausforderung besteht darin, das richtige Gleichgewicht zu finden und die Nutzung digitaler Instrumente zu fördern, während gleichzeitig die Einführung energieeffizienterer Technologien vorangetrieben wird.
red