Taxonomie: Eigentor der EU
Taxonomie: Eigentor der EU
Jetzt also macht die EU doch ernst: Die Kommission will – ungeachtet aller Kritik am Vorhaben – Atomkraft und Gaskraftwerke als „nachhaltig“ einstufen. Sie ignoriert Bedenken von Wissenschaftlern, selbst ihrer eigenen Beratergremien. Sie stellt den Glauben an klimapolitische Harakiri-Hightech über die Einsicht in längst belegte Fakten und die Warnungen vor einer allzu leichtgläubigen Interessenlobby. Alles nur, damit Investoren noch mehr Geld in ihre Taschen lenken können!
Die Gegenwehr der Umweltschützer kommt prompt. „Klimapolitische Bankrotterklärung“ , nennt das die Deutsche Umwelthilfe (DUH), BUND-Chef Olaf Bandt spricht von der „Kapitulation vor der Atom- und Erdgas-Lobby“. Ausgestrahlt kommentiert den Vorgang als „Greenwahing des Jahrhunderts“, der WWF fordert das EU-Parlament und den Rat auf, den Vorschlag abzulehnen. Es dürfte allem Anschein nach ein frommer Wunsch bleiben, obwohl die Mahner mit ihrer Bewertung des skandalösen Vorgangs sämtlich richtig liegen!
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Glaubwürdigkeit verspielt
Bis zum Sommer wird der Vorschlag nun vermutlich durch die Mühlen der EU-Bürokratie gedreht. Das Parlament berät, die nationalen Regierungen debattieren, einige gar wollen klagen – wozu sich die deutsche Koalition durchringt, steht noch in den Sternen. Zurzeit vertritt sie öffentlich nur ein strammen „Jein“.
Dabei steht nicht weniger als die Glaubwürdigkeit der europäischen Politik auf dem Spiel. Einerseits soll die mit dem großspurig angekündigten Green Deal dem Rest der Weltgemeinschaft zeigen, wo die Zukunft des Planeten liege: Ehrgeizige Treibhausgasminimierungen sollen uns EU-Bürgern als Leitplanken in eine Wirtschaft ohne fossile Energie leiten und belegen, dass Fortschrittt und Wohlstand auch Kohlenstoff ärmer funktionieren.
Nun aber konterkariert die Taxonomie-Verordnung all diese Anstrengungen mit einem einzigen Federstrich, der an Arroganz nicht zu überbieten sein dürfte. Lässt er doch alle Fragen nach Generationengerechtigkeit (Stichwort Atommülllager) gar nicht erst zu und wischt zugleich Argumente vom Tisch, die belegen, dassmit Atomkraft und Gaskraftwerken die Klimakrise nicht zu lösen sein wird. Sie verschlimmert sie höchstens.
Wen wundert es da, wenn sich Bürgerinen und Bürger von Politikerinnen und Politikern nicht mehr vertreten fühlen – und sich abwenden.
Gerd Pfitzenmaier