Verbindung von Ideen, Sinn und Geld: Robin Hood lebt!

Verbindung von Ideen, Sinn und Geld: Robin Hood lebt!
Foto: Pixabay CC/PublicDomain

Verbindung von Ideen, Sinn und Geld: Robin Hood lebt!

brandeins.de: Das Geld der Reichen nehmen und es den Bedürftigen geben: Das Berliner Analyse- und Beratungshaus Phineo bringt finanzstarke Menschenfreunde und sozial engagierte Start-ups zusammen. Zum Wohle aller.

Die Hauptfigur dieser Geschichte ist Andreas Rickert, einer, dem das Wandern zwischen den Welten große Freude bereitet.

An einem Tag im vergangenen November bewegt er sich in einer Welt, die Normalsterblichen in aller Regel verschlossen bleibt: In einen Weltkriegsbunker in Berlin-Kreuzberg, der eine private Sammlung alter südostasiatischer Kunst beherbergt, sind rund 70 Reiche und Superreiche zum Fine Dining gekommen, darunter fünf Milliardäre. In Rickerts Worten sind es „Vermögende“ und „Hochvermögende“. Zusammen repräsentieren sie vielleicht zwanzig Milliarden Euro, aber genau weiß das niemand.

„Ich hab’ Respekt vor Menschen, aber keinen falschen Respekt vor Schulterklappen und Geld“: Das ist Rickerts Haltung, in der er den Versammelten nach dem Bunker-Dinner darlegt, was er mit ihnen „erarbeiten“ könnte. Nämlich ihr Geld menschenfreundlich anzulegen. Anschließend hätten ihn drei Familienunternehmen, genauer: deren NextGens, angesprochen. Mit zweien seien schon Termine vereinbart, um herauszufinden, „ob und wie wir diese Familien auf ihrer Reise begleiten können“.

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Zwischen zwei Welten

Wohin die möglicherweise führen könnte, sieht man ein paar Tage später, wieder in Berlin-Kreuzberg, aber diesmal in der anderen Welt, in der sich Rickert wie ein Fisch im Wasser bewegt. Rickert – Pulli in Beige, Hose knallblau, türkisfarbene Socken, rote Turnschuhe – sitzt auf einem Panel im „betterplace Umspannwerk“. Das alte Backsteingebäude dient als „Raum für solidarisches Miteinander“ für „Aktivist:innen, Kreativschaffende und engagierte Menschen aus der Zivilgesellschaft“. Und genau so liest sich die Liste der teilnehmenden Vereine, Sozialunternehmen und Start-ups: „Radikale Töchter“ (Aktionskünstlerinnen für politische Teilhabe), Hoffnungswerk e. V. (für Menschen in Not), Letsdata (KI-gestützte Frühwarnung gegen Desinformation) oder der WaterKiosk (Trinkwasseraufbereitung). Ihnen allen ruft Rickert zu, dass er trotz der vielen Krisen auf der Welt optimistisch sei angesichts so „kreativer Menschen aus dem privaten Sektor, die nach neuen Lösungen suchen“. Und dafür Geld brauchen.

Man kann sich Rickert als einen modernen, friedlichen Robin Hood denken, der mit seiner Berliner Analyse- und Beratungsgesellschaft Phineo Zugang zu denen findet, die viel Geld haben und überlegen, einiges davon abzugeben: Erben, Stiftungen, Unternehmen, Philanthropen, Family-Offices, Investoren. Und der gleichzeitig einen Überblick darüber hat, welche Empfänger in der Zivilgesellschaft dazu beitragen können, die Welt sozialer, ökologischer und vielfältiger zu machen. Denn das ist Rickerts Mission. Sie erfüllt sich, wenn er Geldströme von der einen in die andere Welt lenken kann.

Dabei hilft dem 50-Jährigen seine verbindliche, freundliche und zugewandte Art sowie seine Vergangenheit als Berater bei McKinsey, der Bertelsmann Stiftung und der Weltbank. Dass er davor Biologie, Ökologie und Umweltschutz studiert, in Molekulargenetik promoviert und auf diesen Feldern geforscht hat, schadet auch nicht. Vorteilhaft sei zudem, dass Phineo mit seinen knapp 100 Mitarbeitern eine gemeinnützige AG ist, sagt Rickert: „Als Non-Profit-Organisation ist unsere Positionierung von Anfang an klar – und klar anders als die von McKinsey und jedem anderen klassischen Berater: Unser Interesse ist ein gesellschaftlicher Mehrwert, kein individueller.“

Das schafft Vertrauen – in beiden Welten. Und es hat zur Folge, dass Phineo-Berater anderswo deutlich besser verdienen könnten, inklusive ihres Mitgründers und CEO Rickert, der mit dem Verkauf seines kleinen Anteils keinen Cent verdienen würde.

Als sich Rickert vor etwa 15 Jahren erstmals mit der Idee eines Beratungsunternehmens dieser Art beschäftigte, war er zunächst begeistert von der Relevanz des Marktes: Über 600.000 gemeinnützige, nach Geld suchende Organisationen in Deutschland, denen jährlich – so Rickerts Schätzung in diesem nicht sehr transparenten Markt – etwa 20 Milliarden Euro an Spenden zufließen. „Aber wir mussten lernen, dass sehr viel Geld ohne jede Strategie gespendet wird“, sagt er. Soll heißen: Viele Großzügige folgen ihrem Bauchgefühl, der Familien- tradition, der Leidenschaft des Firmenpatriarchen, ohne jedoch potenzielle Empfängerorganisationen im Vorhinein zu analysieren – und ohne Kontrolle im Nachhinein, ob die Spende bewirkte, was sie bewirken sollte. Susanne Bregy, bis vor Kurzem Phineo-Beraterin, hat früher in Private-Equity-Firmen und Hedgefonds gearbeitet und weiß: „In der Philanthropie kann man lange am Markt ,vorbeiproduzieren‘, weil es keinen Marktdruck gibt. Das Geld ist ja sowieso weg.“

Philanthropie braucht Wirkung

Neben solchen Spendern gehören zum Bild auch jene, die sich aktionistisch auf nur einen Empfänger stürzen. Andreas Rickert hat Unternehmer erlebt, die in guter Absicht – und mit „patriarchaler“ Attitüde – partout Programmierkurse für Kinder in prekären Verhältnissen finanzieren wollten, obwohl der betreuende Sozialarbeiter davon abriet und geeignetere Ideen im Sinn hatte. Allergisch reagiere er auch auf „Philanthrotainment“, also das, was man früher wohl Charity nannte und was oft nicht viel mehr sei als „just another event in Berlin“, wie Rickert es ausdrückt.

Dem erratischen Verhalten vieler Spender begegnete Phineo zunächst, indem es im Stil einer Ratingagentur Vereine und gemeinnützige NGOs analysierte – seit 2010 weit über 3.000 Organisationen. Doch die Erwartung, dass die Informationen die Spendengelder automatisch den für gut befundenen Projekten zuleiten, wurde enttäuscht, wie Rickert zugibt. Deshalb entwickelten die Berater die „Wirkungstreppe“ und das „Wirkometer“, sie schufen ein kostenloses „Wirkt-Siegel“ und veröffentlichten das „Kursbuch Wirkung“. All das soll Spendern Orientierung geben und Empfänger animieren, ihre guten Taten professioneller, effektiver und strategischer zu erbringen.

Parallel betreibt Phineo seitdem „Agenda-Setting“. Dafür sitzt Rickert in zahllosen Gremien, wirkt als Dozent an Business Schools und ließ Phineo ins Lobbyregister des Deutschen Bundestags eintragen. „Unser Motto in den ersten Jahren war: Es darf keine Veranstaltung zum Thema Spenden und Philanthropie geben, wo wir nicht darüber reden, dass es wirkungsvoll sein muss.“ So habe Phineo das Thema Wirkung – neudeutsch Impact – regelrecht in den Markt gedrückt.

Das erkennt auch Andreas Schiemenz an, der in Hamburg als Berater für Vermögende viele hundert Millionen Euro managt. Mit seinem Angebot „sinngeber.eu“ ist er durchaus ein Konkurrent zu Phineo und gerade deswegen voll des Lobes: „Bei Phineo haben sie sich tatsächlich als eine der ersten um Fragen gekümmert, die sich vermögende Familien stellen: ,Wie geben wir richtig? Arbeiten die Organisationen, die wir im Auge haben, wirkungsorientiert?‘ Denn darum haben sich viele NGOs früher wirklich keinen Kopf gemacht.“ Phineo mit seinem CEO Rickert, sagt Andreas Schiemenz, sehe er als Pionier der Philanthropie… weiterlesen

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