Verkehrswende zu mehr sozialer Gerechtigkeit

Verkehrswende zu mehr sozialer Gerechtigkeit
Eine umweltfreundliche Verkehrswende kann nach Auffassung des Umweltbundesamts (UBA) zu mehr sozialer Gerechtigkeit führen. Das heutige Verkehrssystem in Deutschland weise, so betont es ein Positionspapier der Behörde, zahlreiche soziale Ungerechtigkeiten auf.
„Insbesondere Haushalte mit niedrigen Einkommen sind benachteiligt“, heißt es in einer Pressemeldung des UBA zu dem Papier: beispielsweise weil sie häufiger an Straßen mit höherem Verkehrsaufkommen und damit höheren Lärm- und Luftschadstoffbelastungen wohnen – obwohl sie oftmals kein Auto fahren.
UBA-Präsident Dirk Messner sagt daher: „Haushalte mit niedrigen Einkommen, Kinder, ältere Menschen, Frauen und Menschen ohne Auto, gerade in ländlichen Räumen, sind die Verlierer des heutigen Verkehrssystems. Mit einer Verkehrswende hin zu einer ökologischeren Mobilität schließen wir diese Gerechtigkeitslücke und schützen Umwelt und Klima.“
UBA fordert „Verkehrswende für Alle“
Das neue Papier „Verkehrswende für Alle“ gibt einen Überblick über die Gerechtigkeitslücken in der Mobilität. Es zeigt, dass das deutsche Verkehrssystem aktuell nicht nur unter ökologischen, sondern auch unter sozialen Gesichtspunkten dringend reformbedürftig ist.
Haushalte mit niedrigen Einkommen sind überdurchschnittlich von Umwelt- und Gesundheitsbelastungen betroffen. Haushalte mit hohen Einkommen hingegen verursachen pro Kopf deutlich mehr Treibhausgase und andere Umweltbelastungen durch ihre Mobilität als der Durchschnitt der Haushalte, bezahlen aber nur zu einem geringen Teil für die entstehenden Umweltkosten. Zusätzlich profitieren reichere Haushalte überproportional von umweltschädlichen Subventionen wie dem Dienstwagenprivileg und der Entfernungspauschale. Dirk Messner: „Das Dienstwagenprivileg ist ein besonders offensichtlicher Fall von sozialer Ungerechtigkeit. Von diesem profitiert nur ein kleiner, meist privilegierter Teil der Bevölkerung, während die K osten dafür alle Steuerzahlenden tragen müssen.“
Das Auto beanspruche den größten Teil des öffentlichen Straßenraums, so das UBA. Auch dies begünstige vor allem Haushalte mit hohem Einkommen, denn sie besäßen häufiger ein oder mehrere Autos und nutzten diese in höherem Maße.

„Wenig Raum gibt es dagegen für den Fußverkehr“, heißt es in derPressemeldung des amts weiter. Dies gehe vor allem zu Lasten von Kindern, Menschen mit geringem Einkommen, älteren Menschen und Frauen. Gerade diese Gruppen sind häufiger zu Fuß unterwegs und leiden daher verstärkt unter unattraktiven Bedingungen für den Fußverkehr. Dirk Messner: „Die Kosten, mit Bus und Bahn zu fahren, sind zudem zwischen 2000 und 2018 mehr als doppelt so stark gestiegen wie die Kosten des Autofahrens. Das verstärkt die Ungerechtigkeit zwischen den Verkehrsarten noch mehr und bestraft gerade die, die sich umweltfreundlich verhalten.“
Seit der Jahrtausendwende sind die Kosten für Anschaffung und Unterhalt eines Kfz laut UBA um etwa 36 Prozent gestiegen, die ÖPNV-Preise hingegen um knapp 80 Prozent.
Fußgänger und Radfahrer stärker berücksichtigen
Dirk Messner: „Mit einer Verkehrswende hin zu mehr Fußverkehr, Radverkehr und öffentlichem Verkehr kann unsere Mobilität sozial und ökologisch gerechter werden. Durch sie gewinnt der Mensch mehr Raum zum Leben und damit Lebensqualität. Weniger Autos auf den Straßen und den Parkplätzen schafft Platz, der für Wohnraum, Erholungsraum und für umweltfreundliche Mobilität besser genutzt werden kann.“ Das UBA empfiehlt langfristig ein Ziel von etwa 150 Autos pro 1000 Einwohner in Großstädten. Zum Vergleich: In Berlin sind derzeit etwa 335 Fahrzeuge pro 1.000 Einwohner auf den Straßen unterwegs, in München ca. 503 und in Deutschland insgesamt sind es im Durchschnitt 575.
Die Verkehrswende kostet Geld, so zum Beispiel der Ausbau des öffentlichen Verkehrs oder der Fuß- und Radwege. Enorme Finanzmittel hierfür könnten allein durch den Abbau umweltschädlicher Subventionen im Verkehr frei werden. Die Entfernungspauschale, die Energiesteuervergünstigung von Dieselkraft¬stoff und das Dienstwagenprivileg kosten die deutschen Steuerzahlenden jedes Jahr mehr als 15 Mrd. Euro. Diese Subventionen schaden nicht nur der Umwelt und dem Klima , sondern sind auch aus sozialer Sicht ungerecht, da Haushalte mit hohen Einkommen überdurchschnittlich von ihnen profitieren. Hinzu kommt: Je stärker der Staat den fossilen motorisierten Individualverkehr durch Subventionen begünstigt, umso intensiver muss er im Gegenzug Subventionen gewähren, um den Umstieg auf umweltfreundlichere Verkehrsmittel attraktiver zu gestalten. Auf diese Weise werden die Steuerzahlenden gleich doppelt belastet. Mit den freiwerdenden Geldmitteln beim Abbau der Subventionen wäre auch eine bessere Versorgung ländlicher Regionen mit öffentlichem Verkehr möglich.
uba