Von der Kunst, das Klima zu retten

Von der Kunst, das Klima zu retten
Foto: whitedaemon/Pixabay CC/PublicDomain

Von der Kunst, das Klima zu retten

deutschlandfunk.de: Der Kunstbetrieb ist mit seinen Messen und Ausstellungen Teil des Klimaproblems. Doch es gibt ein Umdenken, beschreibt der Kunsthistoriker Robert Fleck im Buch „Kunst und Ökologie“: von der Ökoavantgarde der Kunst der Nachkriegszeit bis heute.

Sammler, Kunstenthusiasten, Galeristinnen, Kunstwerke, Kuratorinnen fliegen Jahr für Jahr zu großen Kunstmessen oder Blockbusterausstellungen. Die mit erheblichem Aufwand verbundenen klimatischen Bedingungen in Museen, penibel festgelegt für den Leihverkehr von großen Ausstellungen, sorgen für erhebliche Klimabelastungen. Dies stellt Museen und den Kunstmarkt vor gravierende und folgenreiche Legitimationsfragen.

Dennoch war die Kunst in den sechziger und siebziger Jahren schon einmal auf dem Weg in eine ökologisch bewusste Zukunft. Etwa mit den so genannten Neo‑Waldprojekten von Friedensreich Hundertwasser in Frankreich, Italien oder Neuseeland in den 1950er und 1960er Jahren oder der Rheinwasseraufbereitungsanlage von Hans Haacke von 1972 bis hin zum 7000‑Eichen-Projekt von Joseph Beuys bei der Kasseler documenta 1982. Aber spätestens als der globale Neoliberalismus unendliche Geldmengen in das Kunstsystem pumpte, die Eventkultur auch die Kunst erreichte oder Aids die westlichen Gesellschaften erschütterte, waren ab Mitte der achtziger Jahre die ökologischen Fragen „wie weggeblasen“. Aber heute gibt es kaum eine zeitgenössische Biennale oder documenta, die um das Thema des Klimawandels herumkommt. Es ist Zeit, für die Kunst eine Klimabilanz zu ziehen.

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Eines der markantesten Bilder in der Kunst der letzten Jahre ist ein Werk mit dem Titel „Kontrollraum“ von Thomas Demand aus dem Jahr 2011. Die Situation scheint vertraut. Eine fensterlose, von Bildschirmen und Reglerkonsolen bestimmte Halle in einem Kraftwerk, der Öffentlichkeit per se nicht zugänglich und ihr nur über streng kontrollierte Medienbilder vermittelt. Die entsprechenden Fotos kamen Ende der 1960er Jahre auf, in den damals tonangebenden Wochenmagazinen wie Stern und Spiegel und in den Anfängen des Farbfernsehens. Einblicke dieser Art in Kontrollräume von Kraftwerken – von Kernkraftwerken, deshalb der technologische Aufwand hier vor Ort – zählen zu den sprechendsten Bildern hoch entwickelter Industriegesellschaften, die vor einem halben Jahrhundert jene Form anzunehmen begannen, die wir heute kennen.

Was aber zeigt Demands Kontrollraum? Der menschenleere Steuerungsraum eines Atomkraftwerks weist Spuren der Zerstörung auf. Elemente der Zwischendecke sind heruntergebrochen. Der Raum war offensichtlich starken Erschütterungen ausgesetzt. Handelte es sich um einen „Super-GAU“? Auf Demands Foto haben die Ingenieure den Raum offensichtlich fluchtartig verlassen. Das Kraftwerk ist außer Kontrolle geraten, sogar in seinem Kontrollraum. Das hat niemand von uns je mit eigenen Augen gesehen, außer auf diesem Bild. Wir haben es aber alle seit mehreren Generationen geahnt. Dies ist ein zentrales Bild zur neuen Konstellation der Kunst, die sich mit diesem neuen Jahrhundert der Ökologie öffnet, da sich das Verhältnis zum Planeten als zentrale Frage erweist.

Was kann Bildende Kunst tun?

Es ist ein großformatiges Bild auf fotografischer Basis, an dem man sich nicht sattsehen kann. Sofort erkennt man, dass es sich nicht um einen konkreten Kontrollraum handelt, sondern um ein Großmodell aus Pappe, Papier und Farbe, in dem alles neu gebaut, bemalt und anschließend fotografiert wurde. Thomas Demands Werk geht davon aus, dass ein Foto im 21. Jahrhundert einen unbestrittenen Wirklichkeitseffekt hat. Er schafft verfremdete Bilder, die Nachdenken ermöglichen, indem er Wirklichkeit nicht fotografiert, sondern in reduzierter Weise nachbaut und als Doppelung neu vermittelt. Die von oben heruntergekippten Flächen der Zwischendecke verkörpern eine soeben stattfindende Katastrophe in einem Kraftwerk, in dem man die Energie nicht mehr unter Kontrolle hat, die es selbst erzeugt.

Die Fortschrittsgesellschaft ist nicht mehr optimistisch, sondern zweifelt. Wir erleben, dass in der Weltbevölkerung in vielen Bereichen der existenziellen Bedrohung die Bewusstheit zunimmt, dass sich die Wirtschaftsform, unser Umgang mit dem Planeten Erde radikal ändern muss, und das in wenigen Jahren, sonst gibt es keine Zukunftsperspektive. Wir sind in ein neues Zeitalter eingetreten, in dem das Verhältnis zur Natur und zum gesamten Planeten neu gedacht werden muss, wobei die Kunst eine große Rolle zu spielen hat und längst begonnen hat, sie einzunehmen.

Aber was kann bildende Kunst tun? Was soll sie tun? Stellen wir uns zunächst die Frage: Was sollte sie nicht tun? Obwohl dies derzeit eine stark spürbare Tendenz ist, sollte die Kunst in ihren Institutionen und in ihrer öffentlichen Meinung den Künstlerinnen und Künstlern nicht vorschreiben, was sie zu tun haben, mit welchen Themen und Materialien sie umzugehen haben, an welche Publikumskreise sie denken sollen und vor allem welche Themen und Materialien sie nicht mehr behandeln und verwenden dürfen. Das ist derzeit eine große Gefahr in der Kunstwelt. Mit der künstlerischen Freiheit und der Autonomie der Künstlerinnen und Künstler steht und fällt auch die Bedeutung der Kunst. Aus dem berechtigten Gefühl, dass nicht genug zur Abwendung der Klima- und Biokatastrophe getan wird, nehmen die Tendenzen zu, die Kunst auf eine ausdrückliche oder erkennbare Konformität zu klimagerechtem Handeln, Klimaschutz und entsprechenden Themen zu verpflichten. Konformität ist nie eine Lösung in der Kunst.

Vorstellungen grundlegend revidieren

Kunst kann Bilder schaffen für Dinge und Prozesse, für die es noch keine oder bislang nur klischeehafte und flüchtige Bilder gibt, wie im Medienalltag. Das meint nicht Science-Fiction, wenngleich Antizipatorisches, eine imaginäre Zukunft vorwegnehmend, in vielen Beiträgen der Biennalen und anderer Großausstellungen bildender Kunst in den letzten Jahren eine große Rolle spielte. Es geht um Bilder, die stark und unabhängig genug sind, um zu überdauern, womit sie Teil des kollektiven Gedächtnisses werden. So ermöglichen sie eine Orientierung in Zeit und Raum, in der individuellen und kollektiven Geschichte.

Die Epoche, in der wir leben, erfordert es, Vorstellungen und Erfahrungen des Planeten und der Natur grundlegend zu revidieren. Beide erschienen in der technischen Zivilisation als unter Kontrolle gebrachte Bereiche, nachdem die Menschheit lange Zeit von den Naturkräften abhängig gewesen war. Heute erweisen sich beide als ein im Bestand gefährdetes Geflecht. Genau darin spielen die Künste insgesamt und die bildenden Künste im Besonderen eine vorrangige Rolle… weiterlesen

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