Weizen: Grundstoff für vielfältige Anwendungen
Weizen: Grundstoff für vielfältige Anwendungen
Ein „Weiter-So“ könne es nach der Corona-Krise nicht geben, meint der geschäftsführende Gesellschafter der Crespel & Deiters Group in Ibbenbüren. Das Unternehmen verarbeitet Weizen zu Nährstoffen und Rohstoffen für technische Anwendungen und setzt sehr auf regionale Produzenten in seiner Lieferkette. Das gewährleiste, meint Deiters im Interview mit globalmagazin, dass Nahrung für Mensch und Tiere und der Rohstoff für die Industrie auch in Krisensituationen gleichwertig und nachhaltig vorhanden bleibe.
Ist es aus Sicht der Nachhaltigkeit vertretbar, Weizen vor allem als Rohstoff und damit Rendite-Quelle zu betrachten?
Gustav Deiters: Ja, definitiv, denn der Agrarrohstoff Weizen ist multifunktional und in jedem seiner Nutzungszwecke leistet er einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit.
Können Sie uns das genauer erklären?
Neben der Verwendung als klassisches Lebensmittel bietet Weizen für die Tierernährung, die Verpackungsindustrie, als Inhaltsstoff für Pharmazeutika, Kosmetika, Baustoffe oder für Farben und Lacke eine bessere Alternative gegenüber petro-chemischen Ingredienzien. Pflanzenbasierte Stärkeprodukte können gegenüber synthetischen und nicht abbaubaren Materialien einen wichtigen Beitrag zur Lösung von Fragen des Klima- und Umweltschutzes liefern, indem sie etwa als natürliche Bindemittel- oder Coatingsysteme eingesetzt werden. Durch nachwachsende Rohstoffen, die der Natur problemlos wieder zugeführt werden können, wird eine Kreislaufwirtschaft oftmals erst möglich.
Sie setzen also darauf, dass Ihr Rohstoff vielfach wiederverwendet werden kann?
Wir sind davon überzeugt, dass der Status Quo von Industrieprozessen immer wieder in Frage gestellt werden kann. Aus diesem Grund haben wir uns darauf spezialisiert, hochfunktionelle Lösungen zu bieten mit dem Ziel, den Einsatz klassischer Rohstoffe in industriellen Prozessen zu reduzieren oder ganz zu ersetzen.
Regionalität als Grundsatz des Geschäftsprinzips
Sie stellen die Regionalität ihrer Waren in den Mittelpunkt: Was zählen Sie noch zu den Pluspunkten aus Sicht der Nachhaltigkeit?
Die Liste der Pluspunkte ist lang und vielfältig. Tatsächlich ist Weizen als regionaler Rohstoff lückenlos verfügbar, benötigt kürzere Transportwege, fördert die traditionelle Landwirtschaft und schafft außerdem Arbeitsplätze in ländlichen Gebieten. Die pflanzlichen Proteine dienen einer hochwertigen Ernährung, die – besonders im Vergleich zur Versorgung mit tierischen Aminosäuren – flächen- und ressourcenschonend ist. Weizenstärken können Lebensmittel länger haltbar machen und dadurch Abfallmengen reduzieren. Aber darüber hinaus ist die Wiederverwertbarkeit, die durch die Eigenschaften des Naturmaterials möglich wird, elementar…
Nämlich?
Die Stärkeindustrie ist ein grundlegender Bestandteil der Wertschöpfungskette für Lebensmittel und technische Produkte. Gut 60 Prozent der Rohstoffe werden für die Lebensmittelindustrie und 40 Prozent für technische Anwendungen verwendet, wobei hier der Bedarf nach ökologischen Alternativen stetig steigt und das Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft ist.
Sie nennen als wichtige Stichworte der Nahrungsproduktion auch „Lieferkettengesetz, Green Tech, Direct Trade oder Kreislaufwirtschaft“: Wo müssen nachhaltig wirtschaftende Unternehmen hier – und was – noch verbessern?
Der Wirtschaft kommt hier die Aufgabe zu neue, innovative Lösungen anzubieten, die flexibel auf Verbraucherbedürfnisse eingehen und zugleich einen schonenden Umgang mit Natur und Umwelt ermöglichen. Die Crespel & Deiters Group sieht es als ihre gesellschaftliche Verantwortung, sich im Sinne einer Kreislaufwirtschaft für eine nachhaltigere Produktion von Industriegütern und Lebensmitteln einzusetzen.
Expertise in der Verarbeitung des Raohmaterials
Das machen Sie wie genau?
Wir steuern dafür langjährige Expertise in der Verarbeitung des Rohmaterials und in seiner innovativen Verwendung bei und suchen international Partner, die mit uns neue Wege in der Produktion und ihren Prozessen gehen wollen…
Welches Ziel verfolgen Sie dabei mit Ihren Partnern zusammen?
Unser gemeinsames Ziel sollte es sein, den Einsatz fossiler Rohstoffe bei der Herstellung von Non-Food-Produkten zu reduzieren oder sie gar zu ersetzen. Im Food-Bereich geht es einerseits darum, die Funktionalität und den Nährwert der Endprodukte zu erhöhen, andererseits gilt es, durch die Entwicklung von attraktiven Fleischersatzprodukten dazu beizutragen, dass der weltweite Fleischkonsum reduziert wird.
Sie sprechen von der vollständigen Verwertung des Weizens durch „Kuppelproduktion“: Was ist damit gemeint, können Sie das an Beispielen zeigen?
Weizen kann zu 100 Prozent für unterschiedlichste Zwecke verwertet werden ohne Restabfall zu produzieren. 1.000 Kilogramm Weizen werden auf rund 1.200 Quadratmetern angebaut. Die isolierbare Menge an reinem, hochwertigem Nahrungsprotein liegt bei 80 Kilogramm. An unserem Hauptsitz in Ibbenbüren wird das Weizenmehl durch Zugabe von Wasser zu einem Teig suspendiert, der mittels Zentrifugalkraft zerlegt wird. Durch physikalische Trennung wie zum Beispiel Eindampfung, Siebung und Extraktion werden hochwertige Weizenstärke, Weizenproteine, Weizenfasern und Weizenextrakte gewonnen. Aus dem verbleibenden Protein wird hoch verdaubares Futtermittel gewonnen. Während der Veredelung dieses Rohmaterials durch unsere Food-, Non-Food- und Futtermittel-Marken entstehen durch Mischen, Extrudieren und Modifizieren Produkte mit Mehrwert, die in unterschiedlichsten Anwendungen und Industrien effizient eingesetzt werden.
Auch Qualität des Weizen vom Klimawandel beeinflusst
Können Sie uns auch dafür ein Beispiel geben?
Ein Beispiel bietet Wellpappe: Sie ist zu 100 Prozent recyclingfähig und bis zu 25 Mal wiederverwertbar. Würden synthetische Klebstoffe anstelle von stärkebasierenden Hochleistungsklebstoffen eingesetzt, wären Papier und Wellpappe nicht mehr wiederverwertbar. Dies hätte gravierende Auswirkungen auf Ökologie, Wertstoffzerlegung und CO2-Bilanz.
Wie kann/wird sich die Weizenproduktion bei fortschreitendem Klimawandel verändern und wie kann da gegengesteuert werden?
Weizen wird weltweit auf rund 220 Millionen Hektar angebaut und ist damit die bedeutendste Feldfrucht der Welt. Es wird geforscht, um Weizensorten klimaresistenter zu machen. Die Verfügbarkeit ist grundsätzlich nicht gefährdet…
Das hört sich nach einem „Aber“ an.
Die Qualität des Weizens, also Ertrag ebenso wie Nährwert an Stärke und Protein, hängt allerdings von den Klima- und Bodenverhältnissen ab. Um eine konsistente Produktqualität zu gewährleisten verwenden wir zu 100 Prozent EU-Weizen, davon mindestens 75 Prozent aus Deutschland. In diesem Spektrum nutzen wir die Vielfalt der Anbauregionen und Sorten. Diese gleichbleibende Produktqualität ist für unsere Kunden wichtig, um die sichere Verarbeitung ihrer Endprodukte zu gewährleisten.
pit