Wie Superreiche im Privatjet das Klima killen
Wie Superreiche im Privatjet das Klima killen
focus.de: Superreiche, die das Klima mit Privatflügen verschmutzen, stehen derzeit in Europa und teilweise weltweit am Pranger. Doch es gibt bessere Alternativen zu Verboten. Zum Beispiel Hochgeschwindigkeitszüge.
Früher schürten Privatjet-Nutzer vor allem Neid, und vielen Promis, Stars und Sternchen fällt es heutzutage schwer, die Gewohnheit abzulegen, mit ihren Privatflügen in sozialen Medien zu prahlen. Tun sie es weiterhin, werden sie schnell von Aktivisten als „Klima-Kriminelle“ gebrandmarkt.
So geschah es im Sommer 2022 der US-Berühmtheit Kylie Jenner, als sie über einen 17-minütigen Flug im Großraum Los Angeles zwischen zwei kaum 70 Kilometer voneinander entfernten Flughäfen postete. Dabei belief sich der CO2-Ausstoß auf etwa eine Tonne – für die gleiche Menge wäre ein SUV über 2500 Kilometer weit gekommen.
Vielen Prominenten wird in diesem Punkt Heuchelei vorgeworfen wie etwa Bill Gates, der 2017 ein Buch mit dem Titel „Wie wir die Klimakatastrophe verhindern“ verfasste, aber währenddessen selbst 1629 Tonnen CO2 bei unglaublichen 356 Privatflügen verursachte.
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Erst vergangene Woche musste sich EU-Ratspräsident Charles Michel rechtfertigen, der den EU Green Deal vertreten soll, dabei aber seit Amtsantritt 2019 für 64 Prozent seiner Reisen Privatjets in Anspruch nahm, wie das Magazin „Politico“ berichtete. So etwa im Dezember 2022 auf einer Reise mit einer Delegation nach Peking, was 460.000 Euro gekostet hatte.
„Ich verstehe, dass man das teuer findet und ich verstehe die Empfindlichkeit bei Privatflügen“, betonte er in Interviews mit belgischen Medien. Um sogleich beinahe beleidigt darauf zu verweisen, dass seine Chefin, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, auch sehr intensiv Privatjets nutze, aber „niemand wirft ihr das vor“.
Deutlich höherer CO2-Fußabdruck
Fest steht: In der Luftfahrt gibt es keine größeren Verschmutzer als Privatjets, was allerdings daran liegt, dass die Emissionen auf die beförderten Personen umgelegt werden und nur in Ausnahmefällen mehr als zehn Mitreisende an Bord sind.
Die Nichtregierungsorganisation (NGO) Transport & Environment, die sich seit Jahren für saubere Mobilität einsetzt, hat in einem Report 2021 ausgerechnet, dass Privatjets zwischen fünf- und 14mal mehr Verschmutzung pro Passagier verursachen als kommerzielle Flüge, siebenmal mehr etwa als ein Flug in Business Class, und bis zu 150mal mehr als stromgetriebene Züge.
Die zahlenmäßig extrem kleine privilegierte Klientel dieses Segments gibt einen weiteren Anlass zur Kritik, da sie sich bisher auch noch nahezu steuerfrei in den Augen der Aktivisten am Klima versündigen.
Vor der Pandemie verursachten nur ein Prozent aller Flugreisenden die Hälfte aller Emissionen durch Passagierflüge. In Großbritannien fliegt die Hälfte der Bevölkerung maximal einmal im Jahr, während gerade mal ein Prozent der Briten für ein Fünftel aller internationalen Flüge vom Königreich verantwortlich ist.
In Frankreich stehen einige Multimilliardäre mit extremen Privatflug-Aktivitäten besonders am Pranger, etwa Bernard Arnault, Chef des Luxusgüter-Konzerns LVMH mit einer ganzen Flotte von Firmenjets.
Der Twitter-Account I fly Bernard (66.000 Follower) verfolgt deren Flugaktivitäten aus öffentlich zugänglichen Quellen. Damit lässt sich leicht addieren, dass zum Beispiel fünf LVMH-Jets auf 16 Flügen im November 2022 über 257 Tonnen CO2 produziert haben – der Durchschnitts-Franzose bringt es auf etwa zehn Tonnen im Jahr.
Die Bahn als Alternative?
Die Kritik an Privatjetflügen verstärkt sich auch deshalb derzeit fühlbar, weil die Mehrzahl der Flüge scheinbar unnötig kurze Strecken abdeckt, für die es klimafreundlichere Alternativen gibt.
Die meistgeflogene Strecke in Europa führt von Paris-Le Bourget (Europas wichtigster Flughafen für Business Jets) nach Genf – Luftlinie 410 Kilometer- zwischen beiden Städten fährt auch der Schnellzug TGV in nur drei Stunden und 13 Minuten.
Danach folgt auf Rang zwei die Route von Paris-Le Bourget nach Nizza (686 km), ein hochfrequent beflogene Inlandsroute, auch vom TGV befahren (5:40 Stunden). Nach Frankreich und Großbritannien ist Deutschland der drittgrößte Markt Europas für Privatjetflüge, nach Untersuchungen des Forschungsinstituts CE Delft wurden ab/bis Deutschland 2022 bei insgesamt 58.424 solcher Flugbewegungen genau 208.645 Tonnen CO2 freigesetzt.
Besonderer Kritikpunkt für Klimaaktivisten sind hier die oft extrem kurzen Distanzen, inklusive mehr als zehn Flüge im Jahr zwischen Stuttgart und Böblingen, die kaum 15 Kilometer voneinander entfernt liegen.
Fast drei Viertel der in Deutschland startenden Privatjetflüge führen nicht einmal 500 Kilometer weit, 60 Prozent der Strecken sind sogar unter 300 Kilometer kurz, genau 508 Flüge verkehrten 2022 allein zwischen Hamburg und Westerland auf Sylt, wo in gut drei Stunden auch Züge hinfahren… weiterlesen