Wir wollen Klatschmohn!
Wir wollen Klatschmohn!
Genug ist genug!
Von ihnen sprechen die Medien in Frankreich selten. Zahlreich sind aber diejenigen, die nicht mehr hinnehmen wollen, dass Pestizide aller Couleur völlig leichtfertig und reichlich angewendet werden, obwohl sie alles, was lebendig ist, abtöten, als ob es keine Alternativen geben würde, als ob es eine Frage von Leben und Tod wäre.
Nur: Wessen Leben und wessen Tod? Deshalb haben sich 2018 unter den Fittichen des Journalisten Fabrice Nicolino (Überlebenden des Charlie-Hebdo-Attentats und glühendem Naturschützer) 15 Personen eingefunden, die einen Appell, eine Art Manifest starteten: „Wir wollen Klatschmohn!“
Über Grenze hinweg könnten wir ihnen zurufen: „Und Kornblumen, und Kamille und Margeriten und Libellen und Feldhamster und Lerchen und und und …“ Die roten Listen in Deutschland sind ebenso lang und gefüllt mit den Namen bedrohter Tiere und Pflanzen wie in Frankreich.
Ein Aufruf zur Aktivität
Bis heute haben bereits über eine Million Menschen den Appell unterschrieben. Das Ziel: 5 Millionen französischer Stimmen gegen Pestizide.
- Die britisch-französische Sängerin Emily Loizeau hat extra für die Kampagne ein Lied geschrieben,
- die Stadt Brest in der Bretagne unterstützt das Manifest und
- die Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo, hat dem Manifest gegenüber ihr Wohlwollen bekundet.
Wie läuft die Kampagne? Auf Anregung des investigativen Journalisten Nicolino wurden Leute, die Klatschmohn aus Papier als Erkennungszeichen (Vorlage im Internet) am Rever tragen, zusammengetrommelt damit sie sich am 1. Freitag im Monat – mindestens – vor ihrem Rathaus oder auf einem anderen symbolischen Platz versammeln, solange bis sie endlich Gehör finden.
Dabei sollen die PestizidgegnerInnen ihre kreative Ader freien Lauf lassen: egal ob sie Musik oder nur Krach machen, essen, trinken, tanzen, singen … was auch immer ihnen einfällt! Beim ersten Treffen am 5. Oktober 2018 fanden kleinere oder größere Aktionen statt, 500 an der Zahl. Seitdem wachsen die Gruppentreffen unaufhaltsam – quer durch das Land.
Es gab aber nicht nur Befürworter, die sich angeschlossen haben: An manchen Orten gab es leichte Zusammenstöße mit konventionellen Bauern und eine spürbare gereizte Stimmung gegen die Bewegung kam zutage, die wohl hätte eskalieren können.
Kein „Biodiversitod“, sondern Biodiversität
Diese toxischen Substanzen, diese „Hormongifte“, die nicht nur Glyphosat heißen, finden sich überall wieder: Im Regenwasser, im Tau, im Vogelnest, in der Nabelschnur des Babys, in der Muttermilch, in Äpfeln und Kirschen, sie sind die Ursache von vielen schweren, meistens unheilbaren Krankheiten und wenn eins verboten wird, wird es durch zehn anderen ersetzt. Die Fauna- und Floravielfalt schrumpft jeden Tag mehr. Kein Wunder also, dass unter den UnterzeicherInnen des Appels u.a. Pierre Rabhi, Marie-Monique Robin, Gilles-Éric Séralini zu finden sind.
Sie verlangen, dass die Kommunalpolitiker endlich aufhören um den heißen Brei zu reden und nun handeln, um die Bevölkerung vor dieser schleichenden, unaufhaltsamen Gefahr zu schützen.
Ein Manifest, dessen Lektüre sich lohnt
Wer des Französischen mächtig ist, sei ihm/ihr die Lektüre des Manifests von Fabrice Nicolino, Nous voulons des coquelicots, empfohlen. Er schrieb es zusammen mit dem Umweltschützer und Mitbegründer der Bewegung „Générations Futures“ (Zukünftige Generationen) François Veillerette. Es kostet wenig Geld und ist kein Schmöker: Auf wenigen Seiten wird die Misere der Landwirtschaft und das traurige Bild der Agrarfabriken zusammengefaßt; das ganze System kann von Frankreich auf Deutschland fast eins zu eins übertragen werden. Nichtsdestotrotz bleibt nach der Lektüre der hoffnungsvolle Eindruck, dass wir alle etwas tun können …
Es könnte sogar die Keimzelle einer Bewegung werden, die nicht aufgeben wird, bis der Verbrauch von Pestiziden verboten wird (die Vision!) – oder zumindest bis er erheblich reduziert wird (die Hoffnung!) Wenn das nicht spannend ist?!
Laurence Wuillemin