Wo Visionen an Realitäten scheitern

Wo Visionen an Realitäten scheitern
Foto: wired CC

Wo Visionen an Realitäten scheitern

Insider-Erzählungen faszinieren. Der Blick hinter Kulissen klärt auf. Und die kritische Selbstreflexion ehemals begeisterter Anhänger der ach so schönen neuen Netz-Community, die auszogen um die Welt zu verbessern und dabei doch bloß erkennen müssen, dass auch die Wirtschaft im Cyberspace mit brachialen und althergebrachten ur-kapitalistischen Methoden funktioniert, ziehen eine eher ernüchternde Bilanz dieses Trips. Ihre Beschreibung der Erlebnisse und ihre Erkenntnisse in der scheinbar so anderen Sphäre des Internets öffnet den Lesern die Augen. Manche mögen dabei sagen, sie hätten das immer auch schon irgendwie geahnt. Andere sind wahrscheinlich eher schockiert über das, was Wiener und Zeiler mit seiner Co-Autorin Katharina Höftmann Ciobataru ihnen da vorlegen. Statt Aufbruch in neuen Welten, ist’s ein düsteres Bild der Intrigen und des rücksichtslosen Kampfs um den schnöden Mammon.

Das verbindet die beiden ansonsten recht unterschiedlichen, neuen Bücher der US-Amerikanischen Journalistin Anna Wiener (Code kaputt) über die Macht und Dekadenz im Silicon Valley (Untertitel) sowie des deutschen Selfmade-Unternehmers Waldemar Zeiler (Unfuck the Economy), in dem dieser seine Vision einer „neuen Wirtschaft und eines besseren Lebens für alle“ (ebenfalls im Untertitel) ausmalt und zu dem Maja Göbel ihr Vorwort beisteuert.

Beide Bücher beschreiben die Mängel der Scheinwelt

Darin rät die Nachhaltigkeitsforscherin Lesern, das Buch „trotzdem“ zu lesen – auch wenn die Sprache „zu krass“ klinge oder ihm und ihr Abrissbirnen „noch nie ein Symbol (waren), das für konstruktive Kritik stand“.

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Sie hat recht damit. Zeiler Unfuck the Economy besticht mit einer Füllle von Einblicken, die seine Schlüsse, die er daraus ableitet, begreifen lassen: „Wir brauchen neue Werte. Und zwar jetzt!“

Zeiler trifft damit den Kern. Das macht sein Buch ebenso lesenswert, wie Wieners Entzauberung der Illusion der Startup-Euphorie und ihrer Protagonisten mit all den menschlichen Schwächen, der Machtbesessenheit und der Gier nach raschen Profiten, die menschliches Miteinander eher schwierig bis unmöglich machen. Die Welt der Startups wird beherrscht vom Glauben an den schnellen Aufstieg. Der aber macht ein Miteinander eher problematisch.

Beides sind Welten, die vom schönen Schein leben. Beides sind Welten, in die es Menschen, die an der Zukunft arbeiten, aber kaum aushalten.

So schmerzlich diese Erkenntnis ist, so wichtig sind die beiden Bücher: weil sie die Augen öffnen.

Anna Wiener
Code kaputt
Macht und Dekadenz im Silicon Valey
Droemer Verlag, 2020
320 Seiten
18 €

Waldemar Zeiler, Katharina Höftmann Ciobotaru
Unfuck the Economy
Eine neue Wirtschaft und
ein besseres leben für alle
Goldmann Verlag, 2020
224 Seiten
15 €

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