Zweifel als Waffe im Kampf um das Klima

Zweifel als Waffe im Kampf um das Klima
Foto. Tumisu/Pixabay CC/PublicDomain

Zweifel als Waffe im Kampf um das Klima

derstandard.at: Sprache ist ein mächtiges Werkzeug in der Hand von Industrie und Politik. Über gezielte Kommunikation werden Zweifel gesät, Desinformation wird ins kollektive Denken eingepflanzt.

„Zweifel ist unser Produkt, denn er ist das beste Mittel, um mit den Fakten zu konkurrieren, die in den Köpfen der Öffentlichkeit existieren.“ Festgehalten wurde dieser Satz im Jahr 1969 in einem Dokument der Brown and Williamson Tobacco Company, einer Tochtergesellschaft von British American Tobacco. Es war die Zeit, in der die Tabakindustrie bemüht war, die Gefahren des Rauchens zu negieren und das Suchtpotenzial von Nikotin herunterzuspielen, um keine finanziellen Einbußen oder Imageschäden hinnehmen zu müssen.

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Heute wissen wir um die gesundheitsschädigenden Effekte von Zigaretten. Der Informationsstand der Gesellschaft und der Grad der Aufklärung haben sich verändert, während eines gleich blieb: Nach wie vor ist das Streuen von Zweifeln eine populäre Strategie, wenn es um bewusste Desinformation der Öffentlichkeit oder das Entfachen von Kontroversen geht. Was vor mehr als 50 Jahren für die Tabakindustrie funktionierte, wirkt noch immer – und zwar bei der heißumkämpften Thematik des Klimawandels. Auch hier heißt die Formel: Zweifel schüren, wo eigentlich wissenschaftlicher Konsens herrscht, und die öffentliche Meinung dadurch in die gewünschte Richtung lenken. Jahrzehntelang lautete die Strategie der fossilen Industrie, den Klimawandel zu leugnen. Unangenehme Erkenntnisse wanderten in Schubladen und wurden unter Verschluss gehalten.

Demaskierte Strategien

Der Ölkonzern Exxon verfügte Ende der 1970er über präzise Prognosen zur Erderwärmung, 1986 warnten hausinterne Forscher von Shell vor drohenden Dürren und Überschwemmungen. Die Aufforderung, unverzüglich zu handeln, stieß auf taube Ohren. Auch Forschende selbst waren und sind oft Erfüllungsgehilfen der Industrie, wie Publikationen zeigen. Häufig liegt ihr Fachbereich weit abseits des Themas, zu dem sie sich mit Nachdruck äußern. Eine andere Methode, um Skepsis zu nähren, war und ist es, Forschende und deren Arbeit zu diskreditieren. Der Bluthund der Klimawandelleugner hieß um die Jahrtausendwende Marc Morano. Er war unter anderem auf Mission gegen Michael Mann, der im Hockeyschläger-Diagramm den Temperaturverlauf der vergangenen tausend Jahre auf der nördlichen Hemisphäre darstellte. Nach Hetzkampagnen zog Mann wegen Drohungen gegen ihn und seine Familie mehrmals um, Häme und Anfeindungen begleiteten ihn weiterhin.

Seither hat das Geschäft mit dem Zweifel in puncto Klimawandel aber eine Evolution durchlaufen: Statt zu leugnen, wird heute beschwichtigt. In einer aufsehenerregenden Studie identifizierten Forschende 2020 jene Kommunikationsstrategien, die sie „Discourses of Climate Delay“ nannten. Diese „Diskurse der Verzögerung“ erkennen den Klimawandel zwar an, rechtfertigen aber Untätigkeit. Die Gruppe ordnete die zwölf identifizierten Verzögerungsstrategien vier Kategorien zu. Punkt eins ist das Umlenken von Verantwortung, etwa auf andere Nationen oder auf das Individuum, Stichwort: ökologischer Fußabdruck. Punkt zwei ist das Drängen auf nicht-transformative Lösungen, hier findet sich oft auch der Verweis auf künftige technologische Maßnahmen. Punkt drei betont die Nachteile von Klimaschutzmaßnahmen, seien sie sozialer, ökologischer und wirtschaftlicher Natur. Punkt vier rechtfertigt die Resignation, da Wandel unmöglich sei oder schon zu spät komme.

Skepsis bringt Stimmen

Geht es um Verzögerung, sieht Klimawissenschafter Daniel Huppmann derzeit zwei Handlungsstränge, erklärt er im STANDARD-Gespräch. „Einerseits wird bezweifelt, dass der Klimawandel mit den Extremen zu tun hat, die wir gerade beobachten können, etwa Hitzewellen, Waldbrände und Überschwemmungen“, sagt der Forscher des International Institute for Applied Systems Analysis. „Dazu gesellt sich das Infragestellen von Klimaschutzmaßnahmen, parallel wird auf Maßnahmen verwiesen, die erst in einigen Jahren schlagend werden können.“ Das sind etwa grüner Wasserstoff, CO2-Abscheidung und -Speicherung und die von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) angepriesenen E-Fuels. Zwar seien diese Technologien künftig wichtig, bestätigt Huppmann, doch: „Sie werden mit dem Hintergedanken verkauft, jetzt nichts tun zu müssen, und das widerspricht dem Wissensstand.“

Die Politik zieht in vielen Fällen Profit daraus, Fakten zu verzerren und wissenschaftlich gesichertes Wissen anzufechten. Stark verbreitet ist diese Methode in der rechten Szene. Von Brasilien über die USA bis Europa steht der Klimaschutz unter Beschuss rechtsgerichteter Politpersönlichkeiten und Parteien. Sowohl die AfD als auch die FPÖ verkaufen Klimaschutz als Schikane gegenüber der Bevölkerung, die Klimabewegung als etwas von Eliten Erdachtes. Derart verpackt liefert das Thema die Basis, um für die Rechte des Volkes einzutreten. Oder wie es Huppmann formuliert: „Um den kleinen Mann mit dem großen Auto zu beschützen.“ Das Ausmaß solcher Taktiken wird ihm zufolge in Zukunft steigen, stehen doch massive finanzielle Interessen im Hintergrund. „Ölkonzerne, Auto- und Bauindustrie verstehen es, die emotionale Klaviatur optimal zu bespielen, etwa mit der Auto- oder Schnitzeldebatte als Ausdruck der geraubten Freiheit“, sagt er… weiterlesen

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