Kann Geoengineering das Polareis retten?

Kann Geoengineering das Polareis retten?
tagesschau.de: Glasperlen auf dem Meer oder Vorhänge unter Wasser. Das sind technische Ideen, mit denen die Erderwärmung insbesondere in den Polarregionen aufgehalten werden soll. Kann das funktionieren?
Einige der Maßnahmen klingen wie aus einem Science Fiction-Roman: zum Beispiel Glasperlen im Ozean verteilen, um das Sonnenlicht an der Wasseroberfläche stärker zu reflektieren. Unter Wasser Vorhänge von Dutzenden Kilometern Länge ausbringen, damit warmes Wasser vom Eis ferngehalten wird und es so nicht zum Schmelzen bringt. Löcher in die Eisoberfläche bohren und die Schicht Schmelzwasser unter dem Eis abpumpen, damit das Eis nicht auf dem Wasserfilm ins Meer rutschen kann.
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Polarregionen erwärmen sich besonders schnell
Die Polregionen werden auch als der „Kühlschrank der Erde“ bezeichnet. Denn hier wird besonders viel Sonnenstrahlung ins All reflektiert und so die Atmosphäre kühler gehalten. Durch den Klimawandel erwärmen sich aber gerade die Polregionen besonders schnell. Die Folge: Der Kühlschrank taut ab, der Meeresspiegel steigt schneller an, der Klimawandel beschleunigt sich weiter.
Mögliche Gegenmaßnahmen, die den hohen CO2-Ausstoß begrenzen, werden derzeit bei der Weltklimakonferenz in Brasilien verhandelt. Zusätzlich gibt es aber Ideen, die Entwicklung mit technischen Mitteln aufzuhalten.
Mehr Fiction als Science im ewigen Eis
Eine Studie hat vor Kurzem untersucht, wie realistisch solche Ideen sind. Das Fazit ist verheerend. Denn viele der vorgestellten Maßnahmen hätten laut der Untersuchung unerwünschte Nebenwirkungen. Die Glasperlen zum Beispiel können sich im Polarmeer auflösen und dann giftig für die Lebewesen dort sein. Zudem könnten sie die Temperaturen des Wassers sogar noch erhöhen.
Darüber hinaus scheitern wohl viele Ideen allein aus technischen Gründen, so Steven Chown von der Monash University in Melbourne. Eisbrecher müssten zum Beispiel schwer befahrbare Gewässer ansteuern, um Equipment für die kilometerlangen unterseeischen Vorhänge auszubringen: „Im Thwaites-Gebiet gibt es zu viel Eisbergaktivität, Meereisaktivität und Eis, das von den Schelfeisen abbricht. Es ist einfach zu gefährlich. Daher fahren die Kapitäne dieser Schiffe nicht hinein, egal wie sehr man sie für darum bittet.“ Tatsächlich sei das Thwaites-Gebiet in 40 Jahren nur einmal von einem Forschungsschiff erreicht worden.
Störung unberührter Orte
Auch andere mögliche Maßnahmen, die schon länger diskutiert werden, bekommen von der Studie ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Beispielsweise die Strahlung über den Polarregionen zu reduzieren, indem kleine Partikel in der Luft ausgelassen werden. Oder das Polareis wieder künstlich dicker zu machen, indem Wasser über das Eis gepumpt wird, das dann dort gefrieren soll.
Solche Maßnahmen würden Eingriffe in ein bisher noch weitgehend ungestörtes Ökosystem bedeuten, so der Geowissenschaftler Martin Siegert von der University of Essex, der Erstautor der Studie: „Es handelt sich um fragile, empfindliche und unberührte Orte. Und die Umsetzung einiger dieser Ideen und Konzepte würde im Wesentlichen die Industrialisierung einiger dieser Orte bedeuten. Es müssten zum Beispiel Millionen von Pumpen installiert werden, um das arktische Meereis zu gefrieren.“
Unrealistisch in der Umsetzung
Viele der vorgeschlagenen technischen Lösungen dieses sogenannten polaren Geoengineerings wären auch nicht nur einmalig installiert. Sie müssten für eine sehr lange Zeit laufen, regelmäßig gewartet und erneuert werden. Auch das halten die Studienautorinnen und -autoren für unrealistisch.
Kritik von einigen Fachleuten
Die Fachwelt fasst die Studie allerdings nicht nur positiv auf. So sagte zum Beispiel der Geophysiker Peter Irvine von der Universtity of Chicago gegenüber dem Science Media Center UK: „Wir vertrauen darauf, dass unsere Ärzte uns objektiv die Vor- und Nachteile verschiedener Behandlungsmethoden darlegen, damit wir eine fundierte Entscheidung treffen können. Das Gleiche sollten wir auch von Klimaforschern erwarten.“ Das tue die Studie jedoch nicht.
„Wir sehen hier eine einseitige Analyse von Vorschlägen zum Geoengineering in den Polarregionen, die nur die Nebenwirkungen, Nachteile und das Potenzial für Missbrauch hervorhebt.“
Die Strahlung durch Ausbringen kleiner, reflektierender Partikel zu reduzieren, sei gerade eine kostengünstige Möglichkeit, das Abtauen der Polarregionen zu verlangsamen, so der Wissenschaftler, der auch Teil einer Nichtregierungsorganisation ist, die über das solare Geoengineering aufklären möchte… weiterlesen


