„Zu Verschenken“-Kultur Belins steht vor Aus?

„Zu Verschenken“-Kultur Belins steht vor Aus?
Foto: Canva/Pixabay CC/PublicDomain

„Zu Verschenken“-Kultur Berlins steht vor Aus?

dw.com: Beliebte Praxis in Berlin: Viele Leute stellen noch brauchbare Dinge vor das Haus und die kann jeder bei Bedarf mitnehmen. Jetzt drohen hohe Bußgelder, weil zu viel illegaler Müll entsorgt werden muss. Bringt das was?

Zwischen alten Sofas und kaputten Kühlschränken, Kisten mit Babykleidung und Kassetten kann man in den Straßen Berlins versteckte Schätze finden. So entdeckte der Berliner Musiker Eno Thiemann in einer unscheinbaren Kiste einen neuen Lieblingsautor. 

Er fand die Bücher von Haruki Murakami , die jemand mit dem Schild „Zu Verschenken“ vors Haus gestellt hatte. Das Verschenken noch brauchbarerer Gegenstände ist in Berlin schon lange verbreitet. Sie werden auf Fensterbänken und vor Häusern abgelegt, damit andere sie mitnehmen können. Und das tun viele, oft innerhalb weniger Minuten.

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„Als ich 2013 zurückkam habe ich mich gefreut, dass es hier diese Art von Kultur gibt“, sagt Thiemann. Er hatte dreißig Jahre vorher die Stadt verlassen, bevor sich diese Praxis durchgesetzt hatte. „Die meisten Menschen werfen ihren Müll nicht einfach weg – es ist eine nette Geste und es bereichert die Nachbarschaft.“

Doch der Berliner Senat plant jetzt höhere Geldstraßen für Leute, die Gegenstände auf die Straße stellen. Damit könnte diese informelle Kreislaufwirtschaft bald der Vergangenheit angehören.

Die Umweltbehörden der Stadt sagen, dass die Idee, Dinge für andere zum Mitnehmen zurückzulassen, zwar „gut und wünschenswert“ sei, aber „zu Exzessen geführt hat, die nicht mit der ursprünglichen Absicht vereinbar sind“. Und es ist nicht billig, das aufzuräumen, was niemand will. Allein im letzten Jahr kostete es die Stadt etwa 10,3 Millionen Euro, Müll, einschliesslich Elektroschrott und Bauabfälle, zu entsorgen, die unerlaubt auf der Straße entsorgt wurden.

„Es muss klar sein, dass das Zurücklassen von Gegenständen auf der Straße den Besitzer nicht von seiner Verantwortung dafür befreit, nach dem Motto: Ich habe es weggegeben und jetzt bin ich es los“, so eine Sprecherin der Umweltbehörde gegenüber der DW.

Berlin erhöht Bußgelder für illegalen Müll 

Im vergangenen Jahr hatten die Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) 54.000 Kubikmeter illegalen Müll im Stadtgebiet entsorgt, acht Prozent mehr als im Vorjahr. Als Hauptverursacher des Problems sehen die BSR unseriöse Entrümpelungsfirmen und Bauunternehmen, die „Entsorgungskosten einsparen“, sagt ein Sprecher der BSR. 

Das macht hohe Geldstrafen notwendig, weil „unverbesserliche Müllsünder oft nur über ihren Geldbeutel zu erreichen sind“. Die Bußgelder, die in den kommenden Wochen in Kraft treten sollen, hängen davon ab, was genau weggeworfen wird. Wer etwa im zentralen Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg Kleidung oder Geschirr vor das Haus stellt, muss künftig mit Bußgeldern zwischen 150 und 300 Euro rechnen – bisher waren es zwischen 25 und 75 Euro.

Wer Geräte wie Kühlschränke oder Waschmaschinen nicht ordnungsgemäß entsorgt, kann künftig mit einer Strafe zwischen 1.000 und 15.000 Euro belegt werden. Bisher lag die Höchststrafe dafür bei 5.000 Euro

Wie realistisch sind die Strafen?

Die Bußgelder sollen entweder von Mitarbeitern in Zivil vor Ort verhängt werden, oder aufgrund von Zeugenaussagen, die online gemeldet werden können. Die Berliner sind allerdings nicht davon überzeugt, dass die Strafen tatsächlich durchgesetzt werden können.

„Sie gehen raus, finden eine Matratze und was dann?“, fragt Marianne Kuhlmann, Mitbegründerin von Circularity, einer Berliner Organisation, die Unternehmen hilft, ihren Abfall zu reduzieren. „Die Wahrscheinlichkeit, dass sie die Person in dem Moment erwischen, wo sie die Matratze dort abstellt, ist extrem gering.“

„Es wird schwierig die Personen hinterher zu finden, wenn sie nicht ihre Visitenkarte in den Kartons hinterlassen“, sagt Thiemann.

Kreislaufwirtschaft mit offiziellen Anlaufstellen  

Die BSR argumentiert, dass die Berliner andere Möglichkeiten nutzen können, um Gegenstände loszuwerden, die sie nicht länger haben wollen.

„Niemand in unserer Stadt ist gezwungen, seinen Müll einfach auf der Straße zu lassen“, sagt BSR-Sprecher Sebastian Harnisch gegenüber der DW. „Privatpersonen haben viele attraktiver Entsorgungsmöglichkeiten, um Sperrmüll, Elektroschrott und anderen Müll gratis oder zu geringen Kosten zu entsorgen.“

Dazu gehören laut BSR sogenannte Nachbarschaftstauschbörsen, die insgesamt 14 Recyclingzentren der Stadt oder der Secondhand-Laden „NochMall“, der sogar einen allerdings kostenpflichtigen Abholservice anbietet.

Eine „kurzsichtige“ Politik?

Kritiker finden jedoch, dass das nicht den Kern des Problems trifft. Sie sagen, dass offizielle Abgabestellen für Leute ohne Auto weniger attraktiv seien.

Doris Knickmeyer, von der Berliner Non-Profit-Organisation „Zero Waste e,V.“  befürchtet, dass das harte Durchgreifen der Stadt unerwünschte Folgen haben könnte.

„Menschen, die Angst haben, mit einer Geldstrafe belegt zu werden, werfen jetzt möglicherweise noch brauchbare Dinge in den Müll, weil das einfacher und bequemer ist, als durch die halbe Stadt zu fahren, um sie bei NochMall zu spenden.“ … weiterlesen

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