Mit Gülle durch die Dunkelflaute

Mit Gülle durch die Dunkelflaute
Foto: canva/pixabay CC/publicdomain

Mit Gülle durch die Dunkelflaute

n-tv.de: Aus Biogas kann man Strom und Wärme erzeugen. „Immer dann, wenn keine Sonne scheint und kein Wind weht“, sagt die Branchensprecherin bei ntv. Ihr zufolge deutlich günstiger als mit neuen Gaskraftwerken. Es gibt nur ein Problem: Die Branche wird von der Politik vergessen und ignoriert.

Ist Biogas die Lösung für die deutschen Energieprobleme? Man kann daraus Strom erzeugen. Und Wärme. „Immer dann, wenn keine Sonne scheint und kein Wind weht“, sagt Branchensprecherin Sandra Rostek im „Klima-Labor“ von ntv. „Die Anlagen machen das, was Gaskraftwerke machen sollen, aber deutlich günstiger.“ Denn deutschlandweit gibt es bereits 10.000 Biogasanlagen auf Bauernhöfen und Agrarbetrieben. Teure und langwierige Ausschreibungen sind nicht notwendig. Ein weiterer Vorteil: Deutschland macht sich mit Biogas nicht vom Ausland abhängig, sondern verschafft heimischen Landwirten zusätzliche Einnahmen. Anders als amerikanisches Flüssiggas ist Biogas auch eine erneuerbare Energie. Sandra Rostek zufolge gibt es nur ein Problem: Die Branche wird von der Politik ignoriert. Robert Habeck konnte sie vor drei Jahren von den Vorteilen überzeugen. Gelingt das auch bei Katherina Reiche?

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ntv.de: In der Bioenergie-Branche gibt es Biogas, Biomasse und Biomethan. Was sind die Unterschiede?

Sandra Rostek: Bioenergie ist der Überbegriff für alles, was aus verschiedenen Biomassen gewonnen und anschließend im Energiebereich auf verschiedene Arten angewendet wird. Biogas entsteht durch einen anaeroben Vergärungsprozess.

Anaerob?

Ja, ohne Sauerstoff. Dieser Prozess passiert in einem luftdichten Gefäß. Das sind meist große grüne Pötte. Die sieht man manchmal an der Autobahn oder auf einem Hof. Dort kommen Gülle, Ernteabfälle oder auch der Müll aus der Biotonne rein. Dann brodelt’s, bis daraus Biogas wird. Das kann man direkt in Blockheizkraftwerken weiterverarbeiten, den Strom einspeisen und mit der Wärme das örtliche Schwimmbad beheizen. Man kann das Biogas auch aufbereiten, bis es Erdgasqualität erreicht, und es anschließend wie fossiles Gas ins Gasnetz einspeisen – und Dinge machen, die man mit Erdgas eben macht.

Erdgas hat einen höheren Reinheitsgrad als Biogas?

Das kommt darauf an, was man in diese Pötte wirft, aber ja: Biogas besteht zu etwa 45 bis 55 Prozent aus Methan. Damit man es ins Gasnetz einspeisen kann, muss man es auf deutlich über 90 Prozent „aufreinigen“.

Und Biomasse?

Feste Biomasse stammt in der Regel aus der Forstwirtschaft. Das ist Holzenergie aus Pellets und Holzhackschnitzeln. Das bekannteste Beispiel ist wahrscheinlich Sägeholz: Das Brett oder der Balken wachsen nicht quadratisch im Wald. Wenn man aus einem Baumstamm einen Balken machen will, fallen bis zu 40 Prozent Sägespäne und Restholz an, die man energetisch verwerten kann.

Im Holzofen? Die stehen als erneuerbare Alternative zur Wärmepumpe im Gebäudeenergiegesetz drin.

Genau, Pelletöfen erfüllen die Anforderungen. Es gibt aber auch flüssige Formen der Biomasse. Aus dem blühenden Rapsfeld kann man Rapsöl zum Braten oder auch zum Tanken machen. Oder man stellt daraus Rapskuchen her, das ist ein eiweißhaltiges Tierfutter.

Das sind die gängigsten Formen der Bioenergie?

Es gibt noch einige Unterformen. Man kann zum Beispiel auch Wasserstoff aus Biogas herstellen.

Oder mit Biogas in Dunkelflauten helfen? Darüber wurde in den vergangenen Wochen intensiv diskutiert, Ihre Branche hat aber keine Rolle gespielt. Sie fühlen sich von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche vergessen oder ignoriert?

Ja. Es gibt deutschlandweit in unterschiedlichen Größenordnungen etwa 10.000 Biogasanlagen. Die Verteilung orientiert sich an den landwirtschaftlichen Strukturen, aber wichtig ist: Die sind da. Mit diesen Anlagen kann man viel machen, wenn man uns auf Augenhöhe mit Gaskraftwerken stellt.

Aber?

Als die Energiewende begann, war die Vorgabe: Produziert so viel Biogas wie möglich. Man wollte einfach eine Form der erneuerbaren Energien umsetzen. Vor 25 Jahren steckten Sonne und Wind in den Kinderschuhen. Beim Biogas war schon damals klar: Die Anlagen kann man 8760 Stunden im Jahr füttern und Energie erzeugen. Der Clou ist: Biogasanlagen sind flexibel. Diese Produktion kann man verschieben in Zeiten, in denen keine Sonne scheint und kein Wind weht, um die berühmten Dunkelflauten abzudecken. Studien zeigen: Sie machen genau das, was die fossilen Gaskraftwerke machen sollen – wenn man die Anlagen umrüstet, sogar besser als bisher.

Inwiefern?

Wir möchten die Anlagen mit Wärmespeichern und zusätzlichen Blockheizkraftwerken ausstatten. Dadurch erzeugt man zwar aufs Jahr gesehen nicht mehr Strom, man kann den vorhandenen aber schneller einspeisen – im Gegensatz zu Gaskraftwerken mit heimischen Inputstoffen und vor allem auch erneuerbar. Dieses Flexibilisierungspotenzial sollte man heben, um den Bedarf an neuen Gaskraftwerken so gering wie möglich zu halten. SPD und Grüne haben im Bundestag auf den letzten Metern der Scholz-Regierung zusammen mit der Union sogar noch ein Biomassepaket auf den Weg gebracht. Das sieht genau diese Flexibilisierung vor, aber leider werden wir in der Kraftwerksstrategie von Katherina Reiche trotzdem übersehen.

Sie dürfen die Erzeugung bisher nicht flexibilisieren?

Doch, aber wir haben dieselben Probleme wie fossile Kraftwerke: Sonne und Wind erzeugen den günstigsten Strom. Biogasanlagen rentieren sich nur, wenn sie rund um die Uhr laufen. Für einen tragfähigen Betrieb benötigen wir also eine Prämie… weiterlesen

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