Alles Betrug, oder was?

Alles Betrug, oder was?
Foto: Pikist CC

Alles Betrug, oder was?

Bürokratieabbau, Beschleunigung, Verschlankung: Klingt prima. Ist aber Betrug!

Gerd Pfitzenmaier

Hinter diesen Schlagworten, die Politiker jeglicher Couleur zurzeit so gern und laut besingen und wie Monstranzen bei der Prozession vor sich hertragen, um potenziellen Wählern das Blaue vom Himmel zu versprechen, verstecken sie in Wahrheit genau das Gegenteil. Sie wollen nur zäh erworbene Schutzrechte für Verbraucher, für die Umwelt oder das Klima und den Artenschutz schleifen. In Wahrheit meinen sie damit nämlich, dass sie vor der Industrielobby zu Kreuze kriechen und Regeln – im besten Fall – verwässern, wenn möglich aber gleich ganz abschaffen: wie beim Lieferkettengesetz, beim Klimaschutzgesetz, beim Verbrenner-Aus oder beim Verbandsklagerecht

Es klingt so herrlich richtig: Weniger verwalten, dann könnten wir mehr umsetzen. In Wahrheit ist’s ein Vorwand, den die Einflüsterer aus der Auto-, der Chemie- oder Agrarbranche uns und unseren Politprofis aufschwätzen. Die scheuen dafür keine Mühen. „2024 gaben Lobbyisten rund eine Milliarde Euro aus. Ihnen ging es vor allem um Wirtschaftsinteressen“, meldete die Tagesschau.

Lesen Sie auch:

Wirtschaft muss offen und ehrlich ihre Interessen auf den Tisch legen

Wen wundert es da, dass am Ende der oft langen politischen Debatten meist wirtschaftsfreundliche Versionen von Gesetzen Mehrheiten finden. Die lassen sich leicht begründen mit dem „Totschlagargument“, nur so komme die darbende Ökonomie wieder in Schwung, und am Ende sei das doch gut zur Wohlstandsmehrung und diene also allen. Dagegen wehren sich allenfalls Extremisten.

Dabei ist das mit dem Wohlstand schon wieder ein Scheinargument (manche nennen es neudeutsch: Fakenews). Wahr ist – und das ist keine Statistik von Sozis oder gar noch Schlimmeren. Die Zahlen publizierte die Bundesbank: „Mehr als die Hälfte des gesamten Vermögens in Deutschland entfallen auf nur 10 Prozent der Haushalte.“ Heißt im Klartext: Wer schon reich ist, bekommt laufend noch mehr. Arme Kirchenmäuse darben weiter.

Es geht um Regeln fürs Zusammenleben: von Menschen sowie von Menschen und ihrer Umgebung. Das erfordert zuvorderst Rücksicht und zudem, den Ausgleich von Interessen und das Zugeständnis, alle anderen mitzunehmen und sie zu stützen – auch schwächere (was wir in der aktuellen Debatte um eine Neuregelung der Unterstützungsleistungen wie Bürgergeld oft in einer neidgeprägten Gesprächskultur missen lassen). Es braucht vor allem Ehrlichkeit. Dazu zählt auch, Dinge so zu benennen, wie sie gemeint sind und Wahrheit nicht zu verklausulieren, zu verbrämen oder zu verschleiern.

So gelingt Zukunft – ohne überbordende Verwaltung, dafür mit Visionen und Tatkraft

Bürokratieabbau, Beschleunigung, Verschlankung: Das sind alles hehre Ziele, an denen die Gesellschaft als Ganzes arbeiten sollte. Sie sind zu wichtig, als dass wir sie missbrauchen. Wer sie als Vorwand nimmt, um Kosten zu drücken, um verpasste Innovationen zu entschuldigen, um Fehler zu kaschieren, macht einen Doppelfehler: weil er oder sie das Publikum, also uns, belügt. Dann: Weil er oder sie die Chance verpasst, gemeinsam mit allen den Wettstreit um die besten Ideen zu eröffnen, die uns wieder aufs richtige Gleis hieven. Nur so gelingt die Fahrt in die Zukunft – ohne überbordende Verwaltung, dafür mit Visionen, Hoffnungen und Tatkraft.

Gerd Pfitzenmaier

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.