Mehr als heiße Luft: Start-up macht aus Abwärme Strom
Mehr als heiße Luft: Start-up macht aus Abwärme Strom
rnd.de: Etwa die Hälfte aller Energie, die in industrielle Prozesse gesteckt wird, verpufft als Abwärme. Ein Münchner Start-up macht sie nutzbar. Das bekämpft die Energiekrise.
Das Ausmaß ist abenteuerlich. „Wir verschwenden die Hälfte unserer Energie in Abwärme“, sagt Andreas Sichert. Der Mitgründer und Chef des Münchner Start-ups Orcan Energy meint damit die EU-weit bei industriellen Prozessen eingesetzte Energie. Seine 2008 gegründete Firma hat eine Technologie entwickelt, die solche Abwärme schon bei relativ niedrigen Temperaturen ab 80 Grad Celsius auf rentable Weise nutzbar machen kann. Die ganze Hälfte der in Abwärme verpulverten Energie kann auch die Orcan-Technologie nicht recyceln. „Aber wir haben global ein Potenzial von 2500 Terawattstunden nutzbarer Energie durch Abwärme pro Jahr“, versichert Sichert. Deren Verstromung sei wirtschaftlicher und sinnvoller als jede Alternative. Das so erreichbare Volumen entspreche etwa dem Jahresverbrauch einer großen Volkswirtschaft wie Deutschland.
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„Unsere Kleinstkraftwerke arbeiten umgekehrt wie Wärmepumpen. Statt mit elektrischer Energie Wärme zu erzeugen, nutzen wir Wärme, um elektrische Energie bereitzustellen“, erklärt Technikchef und Mitgründer Andreas Schuster deren Funktionsweise. Die Geräte von der Größe eines Schiffscontainers entziehen warmen Gasen, Dampf oder Flüssigkeiten überschüssige Wärme und wandeln sie mittels Verdampfern und Kondensatoren in Strom um. Abwärme dieser Art fällt vor allem in der extrem klimabelastenden Zementindustrie, Glaswerken oder in der Schifffahrt, aber etwa auch in Krematorien an.
Kleinstkraftwerke schon in mehreren Branchen im Einsatz
Überall dort sind die Abwärme recycelnden Orcan-Kleinstkraftwerke schon im Einsatz. Typischerweise ein Zehntel des eigenen Strombedarfs könne ein Unternehmen auf diese Weise decken und damit die Energiekosten entsprechend senken, erklärt Schuster. Bezieht ein Unternehmen fossile Energie, werden zudem der ökologische Fußabdruck und der Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid reduziert.
„Unsere Anlagen amortisieren sich in der Regel binnen drei bis sechs Jahren“, rechnet Sichert vor. Spätestens seit der Energiekrise und dem Wegfall von Billiggas aus Russland ist Energieeffizienz speziell in Deutschland ein großes Thema, freuen sich die Gründer der Cleantech-Firma. „Unsere Produkte erfreuen sich immer größerer Beliebtheit“, sagt Schuster. Von 20 auf 34 Millionen Euro ist der Auftragseingang 2022 gestiegen und zeitverzögert entsprechend auch der Umsatz. Dieses Jahr erwartet Orcan erneut einen Zuwachs von rund der Hälfte.
Aber die Dimensionen sollen bald noch ganz andere werden. „In Verhandlung haben wir ein Projektvolumen von etwa einer halben Milliarde Euro, bis Ende der Dekade sollte unser Jahresumsatz in Richtung einer Milliarde Euro gehen“, gibt Sichert die Richtung vor. Es könnte aber wohl noch schneller und höher hinaufgehen, wäre da nicht ein bürokratisches Hemmnis. Denn als grün gilt die von Orcan recycelte Energie offiziell nicht. „In der EU-Taxonomie sind wir aktuell noch nicht als nachhaltig anerkannt“, grämt sich Sichert.
Nachhaltig ist, schon produzierte Energie zu recyceln
Nachvollziehen kann das Gründerduo das nicht. Wird Abwärme wiederverwendet, senkt das klimaschonend den Bedarf an Primärenergie. Auch wegen solcher behördlicher Hürden macht Orcan das meiste Geschäft mittlerweile im außereuropäischen Ausland. „In Asien und vor allem den USA ist man pragmatischer“, betont Sichert mit Blick auf die an sich grüne Technologie. Vor allem in Deutschland führe man da oft dogmatische Diskussionen, an deren Ende dann nicht selten eine teurere Lösung stehe. Für cleverer hält der Orcan-Chef es dagegen, schon produzierte Energie wiederzuverwenden… weiterlesen