Migration: Zu arm, um zu fliehen

Migration: Zu arm, um zu fliehen
Foto: Chuttersnap/Unsplash

Klimawandel behindert Migration durch Schwächung des Wirtschaftswachstums in Herkunftsländern

Der Klimawandel verstärkt Migration weltweit. In den vergangenen 30 Jahren wurde dieser Effekt aber stark verringert, weil der Klimawandel das Wirtschaftswachstum in den Ländern des globalen Südens schwächt. Das haben Forschende des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) herausgefunden, indem sie die beobachteten Migrationsströme mit einem Szenario ohne die Auswirkungen des Klimawandels verglichen haben.

„Der Klimawandel verringert das Wirtschaftswachstum in fast allen Ländern der Welt“, erläutert Jacob Schewe, Leiter des PIK FutureLabs Sicherheit, ethnische Konflikte und Migration und einer der Autoren der Studie, die in der Fachzeitschrift Environmental Research Letters veröffentlicht wurde. „Dies wirkt sich aber in ärmeren und reicheren Ländern sehr unterschiedlich aus. Insgesamt hat die Migration im Zusammenhang mit dem Klimawandel zugenommen – aber sie hat das in geringerem Maße getan, als man hätte erwarten können. Der Grund ist bitter: In armen Ländern fehlen vielen Menschen in Not die Mittel, um auswandern zu können. Ihnen bleibt keine Wahl als zu bleiben, wo sie sind.“

In ihrer Studie konzentrierten sich die PIK-Wissenschaftler auf einen wichtigen Einflussfaktor für Migrationsströme – das Einkommensniveau eines Landes. Sie untersuchten, wie sich der Klimawandel auf die internationale Migration auswirkt, indem sie das Einkommensniveau mehrerer Länder von 1990 bis 2020 analysierten.

„Das Wirtschaftswachstum beeinflusst das nationale Einkommensniveau und dieses wiederum die Migration. Sowohl aus Ländern mit hohem als auch aus Ländern mit sehr niedrigem Einkommensniveau wandern relativ wenige Menschen aus. Bei den armen Ländern liegt das unter anderem daran, dass sich viele Menschen einfach die Ausreise nicht leisten können“, erläutert Christian Otto, PIK Wissenschaftler und ebenfalls Ko-Autor der Studie. Sehr arme Menschen bleiben also oft in ihrem Heimatland, auch wenn sie dort in Not geraten oder aus anderen Gründen gern auswandern würden.

Migration
Auswirkungen des Klimawandels auf die durchschnittlichen bilateralen Migrationsströme zwischen zehn großen Weltregionen. Der Anstieg der bilateralen Migrationsströme stellt den Fall dar, in dem die Migration unter den historischen Werten des BIP pro Kopf größer ist als im kontrafaktischen Fall. Der äußere dickere Bogen definiert die Herkunftsregion, während der kleinere innere Bogen die Zielregion darstellt. Die Pfeile zeigen auf die Zielregion. So wird beispielsweise geschätzt, dass der Klimawandel im kurzfristigen Fall die Migration von Südasien nach Westasien um etwa 30 000 Personen pro 5-Jahres-Zeitraum verringert hat (dicker gelber Pfeil in der Mitte von Tafel (b)). Die dargestellten Ströme sind Mittelwerte für den Zeitraum 1990-2020. Aus der Studie in Environmental Research Letters (CC BY 4.0)

„Bei unserer Studie ging es nicht um die durch Naturkatastrophen verursachte Flucht“, ergänzt Anders Levermann, Leiter der Komplexitätsforschung am PIK, Professor an der Universität Potsdam und Wissenschaftler an der New Yorker Columbia University, ein Mitautor der Studie. „Vielmehr ging es um die von den Lebensumständen motivierte Migration. Die globale Erwärmung hält viele Menschen im globalen Süden weiter in Armut und erschwert ihnen so das Auswandern. Der Klimawandel nimmt Menschen eine wichtige Möglichkeit, sich an seine Folgen anzupassen, und verstärkt damit die Schere zwischen Arm und Reich.“

Wichtig ist, dass sich der Klimawandel auf die internationale Migration in den reicheren und ärmeren Teilen der Welt sehr unterschiedlich ausgewirkt hat. In Zukunft könnte der Klimawandel die globale Migration weiter ansteigen lassen, da er den Übergang der Länder in den mittleren Einkommensbereich verlangsamt, der mit den höchsten Auswanderungsraten verbunden ist, so das Fazit der Studie.

Weblink zum Artikel: https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/aca6fe

PM des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK)

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