Volk entscheidet pro Natur und gegen Erdöl

Volk entscheidet pro Natur und gegen Erdöl
Foto: Wikimedia CC 2.0/Diego Tirira

Volk entscheidet pro Natur und gegen Erdöl

zeit.de: Mit Ecuador hat sich erstmals eine Nation per Volksentscheid gegen den Abbau fossiler Brennstoffe entschieden. Denn es gibt Dinge, die deutlich schwerer wiegen als Öl.

Ecuador ist alles andere als eine vorbildliche Demokratie. Wenige Tage vor den vorgezogenen Neuwahlen am vorvergangenen Sonntag wurde Fernando Villavicencio erschossen, nach bisherigen Erkenntnissen von Gangmitgliedern. Der ehemalige Journalist war Präsidentschaftskandidat der Movimiento-Construye-Partei, er versprach, gegen die Korruption und Kriminalität vorzugehen.  

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Unter anderem wollte er eine Antimafiaeinheit einführen, die „mit ausländischer Unterstützung“ gegen „Drogenhändler, Entführer und alle Arten von kriminellen Strukturen“ vorgehen sollte. Seit die mexikanischen Drogenkartelle ihre Tentakel immer mehr in den Andenstaat ausstrecken, haben Gewalt gegen Politiker und Vertreter des Staates und Korruption zugenommen. Während der Pandemie stieg vor allem in Europa der Kokainkonsum, und Ecuador gilt inzwischen als Drehscheibe für die internationale Verteilung. Der legitime Teil der Wirtschaft ist dagegen seit Jahren in der Krise. Drei von zehn der Erwerbstätigen haben keine Vollzeitstelle, die Lebenshaltungskosten sind enorm gestiegen.

Umso überraschender ist deshalb der Ausgang eines Volksentscheids, für den Umweltaktivisten und Vertreter der Indigenen jahrelang gekämpft haben. Bei dem Referendum sollten Ecuadors Wählerinnen und Wähler entscheiden, ob die Ölvorkommen im Yasuní-Nationalpark im Boden bleiben sollen, statt weiter gefördert zu werden. Das Ergebnis: 59 Prozent der Wähler stimmten dafür, das Öl dort zu belassen, wo es seit Millionen Jahren ist. Die Zweidrittelmehrheit ist durchaus repräsentativ. Weil in Ecuador Wahlpflicht herrscht, lag die Wahlbeteiligung über 80 Prozent. Es ist ein historisches Ergebnis, nicht nur für Ecuador. Es ist das erste Mal, dass eine Nation sich per Volksentscheid für den Schutz der Natur und gegen den Abbau fossiler Brennstoffe entscheidet.

Öllobby hatte Stimmung gegen das Förderverbot gemacht

Die eindeutige Absage an die Versprechen der Öllobby ist umso bemerkenswerter, weil diese mit ihren enormen Mitteln kräftig Stimmung gegen das Förderverbot gemacht hat. Auch die bisherige Regierung warnte vor einem Aus fürs Öl: Das krisengeschüttelte Land würde 1,2 Milliarden Dollar an Einnahmen und 107.000 Arbeitsplätze verlieren, behaupteten ihre Vertreter vor der Abstimmung.

Der Verzicht dürfte tatsächlich nicht leicht fallen. Ecuador, das kleinste Mitglied der Organisation erdölexportierender Länder (Opec), ist längst abhängig vom Öl. Der fossile Brennstoff stellt seit rund 50 Jahren die größte Einkommensquelle des Andenstaates dar. Neben Shell haben unter anderem auch die spanische Repsol, Chevron-Texaco und zuletzt die chinesische Sinopec im Yasuní gebohrt. Nachdem der frühere Präsident Rafael Correa 2010 Zugeständnisse von ausländischen Ölgesellschaften gefordert hatte, die die Förderung für die ausländischen Gesellschaften weniger profitabel machen, haben diese sich weitgehend zurückgezogen. Derzeit wird die Ausbeutung im Yasuní vollständig von der staatlichen Gesellschaft Petroecuador vorgenommen.

Ähnlich wie in Venezuela verhinderte die Dominanz der Rohstoffexporte nicht nur die Entwicklung einer eigenständigen Industrie. Stattdessen sorgte der scheinbar endlose Zustrom an Devisen durch den Ölexport dafür, dass die vorhandene wirtschaftliche Basis des Landes verkümmerte, so eine Studie von Grupo Faro, einem Thinktank aus Quito. Entsprechend fehlen diese Strukturen heute. 

Damit nicht genug, drohen externe Preisschocks – wie etwa während der Pandemie, als der Ölpreis abstürzte – das Land immer wieder zu destabilisieren. Schon jetzt sehen viele jungen Ecuadorianer keine Zukunft für sich in ihrer Heimat und wandern aus. Sie gehören zu der jüngsten Welle an Migranten, die in den USA auf ein besseres Leben hoffen.

Der Ölboom sorgte dafür, dass ausländische Investoren dem Land in der Vergangenheit gerne Geld liehen, und es verführte die früheren Regierungen – darunter immer wieder Autokraten – dazu, sich zunehmend im Ausland zu verschulden. Mittel, die allzu selten der breiten Bevölkerung zugutekamen, stattdessen jedoch der besitzenden Oberschicht… weiterlesen

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