„Wir müssen Touristen dringend aufklären“
„Wir müssen Touristen dringend aufklären“
In der Tourismusbranche nimmt Nachhaltigkeit einen immer größeren Stellenwert ein. Dabei entstand auch eine Vielzahl unterschiedlicher Labels und Kennzeichnungen, welche die Anstrengungen der Player am Markt bewerten und Urlauberinnen und Urlaubern damit die Wahl von Destinationen und Anbietern erleichtern sollen. Über den Orientierungswert dieser Kennzeichnungen sprach globalmagazin mit Prof. Gabriel Laeis. Er ist Experte für nachhaltigen Tourismus und lehrt Hospitality Management an der IU Internationalen Hochschule.
Sie sprechen vom „Wildwuchs“ der grünen Label im Tourismusbereich: Wie wollen Sie diesen genau eindämmen?
Gabriel Laeis: Theoretisch kann jeder ein Nachhaltigkeitssiegel kreieren und an den Markt bringen. Hinter den meisten Nachhaltigkeitssiegeln stecken private Firmen, welche u.a. wirtschaftliche Interessen verfolgen. Daher kann meiner Einschätzung nach nur eine Regulierung helfen.
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Wie könnte die Aussehen?
Die EU sieht vor, im Rahmen der Green Claims Directive (bzw. die „Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und durch bessere Informationen“ (EU, 2024/825)) die Kreierung von neuen/weiteren Nachhaltigkeitssiegeln zu unterbinden. Hier schreitet also demnächst der Gesetzgeber ein.
Darüber hinaus würde ich mir wünschen, dass das Wort „Siegel“ geschützt wird, so dass sichergestellt ist, dass ein Siegel immer auch gleichbedeutend mit einem bestimmten Prozess der Zertifizierung ist, nämlich dem Drei-Parteien System: a) Siegelgeber, b) Siegelanwärter (z.B. Hotel) und c) Zertifizierungsstelle, welche ihrerseits staatlich akkreditiert ist. Somit grenzt es sich deutlich ab von firmeninternen Siegeln oder auch Auszeichnungen.
Kann die Tourismusbranche bei ihrer Heterogenität (Reise, Gastro, Beherbergung etc.) sich auf einheitliche Standards einigen: Welche könnten oder müssten das sein?
Global betrachtet hat sie das schon. Der Globale Rat für nachhaltigen Tourismus – im Englischen: Global Sustainable Tourism Council (GSTC) – ist seit 2007 bestrebt ein weltweit einheitliches Verständnis von nachhaltigem Tourismus zu schaffen. Ein Teil dessen sind die Mindeststandards für Nachhatligkeitszertifizierungen im Tourismus, welche es für Hotels, Touroperator, Destinationen und die MICE-Branche gibt. Diese Standards betrachten vier Bereiche: Das Nachhaltigkeitsmanagementsystem vor Ort sowie die sozioökonomischen, kulturelle, und ökologischen Auswirkungen. Darauf aufbauend kann nun jeder Siegelbetreiber sich weiter spezialisieren und differenzieren. Solange sie aber auf den GSTC-Mindeststandards aufbauen ist ein einheitliches Niveau von nachhaltigem Tourismus gesichert.
Sie fordern gesetzlich einheitliche Regeln für solche Label: Muss das die Politik oder eher die Branche regeln?
Am besten beide gemeinsam, so wie es beim GSTC der Fall war, als rund 80.000 internationale Fachleute aus Industrie, Zivilgesellschaft und Politik gemeinsam die Mindeststandards aufbauten.
Bis es soweit ist: (Wie) können sich der Verbraucherinnen und Verbraucher heute am Tourismusmarkt orientieren?
Leider nur sehr schwer, da grundlegendes Wissen fehlt. Wie viele Touristen kennen bspw. den Unterschied zwischen dem Michelin Green Leaf, eine Auszeichnung für nachhaltige Restaurants durch den Guide Michelin, dessen Kriterien nicht bekannt sind und dem deutschen Bio-Siegel für Restaurants, dass ein echtes Siegel ist, durch staatlich akkreditierte Stellen zertifiziert wird und auf der frei zugänglichen EU-Öko-Verordnung beruht? Hier muss also noch viel Aufklärung erfolgen.
Ein erster Ansatz kann aber sein, dass man sich an denjenigen Nachhaltigkeitssiegeln orientiert, welche durch den GSTC als gleichwertig zu den GSTC-Basiskriterien anerkannt wurden: https://www.gstcouncil.org/gstc-criteria/gstc-recognized-standards-for-hotels/
pit