Atommüll könnte sich in Rohstoff wandeln

Atommüll könnte sich in Rohstoff wandeln
zeit.de: Mit Transmutation ließe sich strahlender Abfall entschärfen, womöglich sogar Strom gewinnen, sagen Befürworter. Ob das irgendwann Realität wird, weiß aber bisher niemand.
In der Debatte um die Atomkraft ist er ein Argument, das sich nicht wegdiskutieren lässt: Atommüll, der für Hunderttausende von Jahren strahlt. Deutschland hat hierfür bisher keine Lösung – außer der Ankündigung, in den 2030er-Jahren endlich einen Standort für ein Endlager festlegen zu wollen.
Stand heute sollen dort ab 2050 rund 17.000 Tonnen hoch radioaktives Material untergebracht werden. Vor allem die alten, abgebrannten Brennstäbe aus den deutschen Kraftwerken. Der Platzbedarf dafür ist klar umrissen: Es bräuchte eine Kaverne so groß wie 400 Logistikcontainer, um sämtliche Fässer mit dem alten Brennmaterial aufzunehmen.
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Aber vielleicht ließe sich das Endlager auch deutlich kleiner bauen, am Ende müsste es vielleicht sogar nur ein paar Hundert statt etlicher Tausend Jahre dichthalten. Damit jedenfalls werben Befürworter der Transmutation – einer Technik, die einen Teil des Atommülls unschädlich machen soll. Am Ende, heißt es, könnte sich damit sogar Strom gewinnen lassen.
Ein alter Traum
Seit Jahrzehnten kursiert die Idee schon unter Nuklearingenieuren und Befürworterinnen der Atomenergie. Neben staatlich finanzierten Forschungsanlagen interessieren sich zunehmend auch Privatunternehmen dafür. Auf dem Papier erscheint das Konzept auch durchaus schlüssig. Aber ob es großtechnisch und wirtschaftlich machbar ist, weiß bisher niemand.
Damit der Müll weniger schädlich wird, muss man die Atome im Inneren der Brennstäbe gezielt verändern. Das geht, indem man sie mit Neutronen beschießt. Treffen diese Teilchen auf Atomkerne, werden sie zunächst eingefangen. Schließlich zerfallen die Kerne und andere Elemente entstehen: Das radioaktive Material transmutiert.
Kernspaltung, aus der Atomkraftwerke ihre Energie beziehen, funktioniert nach einem ähnlichen Prinzip: Neutronen treffen dabei auf Uran-235. Das gehört zu den wenigen Atomsorten, die sich durch Neutronenbeschuss in Bruchstücke zerschlagen lassen. Dabei wird Energie freigesetzt.
Viele Atome in den Brennstäben lassen sich hingegen nicht ohne Weiteres spalten. Ihre Kerne wachsen durch die Neutronen stattdessen immer weiter an. Mit der Zeit zerfallen sie von selbst und geben dabei Strahlung ab, die wiederum eine Gefahr für menschliche Zellen darstellen kann. Die Transmutation soll nun die gefährlichen Atome in Exemplare verwandeln, die nicht mehr zerfallen. Gelingt das, hat man den Atommüll unschädlich gemacht.
Hilfe vom Teilchenbeschleuniger
In der Praxis ist das allerdings mit hohem Aufwand verbunden. Abgenutzte Brennstäbe bestehen aus etlichen Atomsorten, die auf den Beschuss mit Neutronen ganz unterschiedlich reagieren.
Man muss daher zunächst jene Atome herauslösen, die besonders gefährlich sind. Dazu werden die alten Brennstäbe zerkleinert, in heißer Salpetersäure aufgelöst und die verschiedenen Atomsorten mit speziellen Chemikalien herausgeholt. Wegen der hohen Strahlung muss das unter strengen Sicherheitsvorkehrungen passieren und teilweise automatisiert.
Schließlich wird dieser Teil des Atommülls lange und ausgiebig mit Neutronen beschossen – auf dass sich der Großteil der Atome in unschädliche Exemplare umwandelt. Allerdings lassen sich längst nicht alle radioaktiven Atome aus Brennstäben trennen. Wirklich gut gelingt das bisher nur bei Uran und Plutonium.
„Vielleicht findet sich ein Nutzen, an den wir heute nicht denken“
Und dann ist da noch die Frage, woher die Neutronen kommen, mit denen man den Atommüll beschießt. Die beste Quelle sind bisher Atomkraftwerke. Schließlich entstehen bei der Uranspaltung immer wieder neue Neutronen. Für Länder wie Deutschland, die schon bald keine Atomkraftwerke mehr haben werden, scheidet diese Möglichkeit aus. Auch in anderen Ländern könnten Sicherheitsbedenken dagegen sprechen. Aber es gibt noch eine andere Möglichkeit, Neutronen zu gewinnen: Teilchenbeschleuniger.
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