Disruptive Idee: Mehrweg für Snacks gegen Müllberge

Disruptive Idee: Mehrweg für Snacks gegen Müllberge
Snacks in Mehrwegverpackungen: Damit will die Münchener Designagentur Paccon den Naschmarkt revolutionieren. Ihr Credo: In Zeiten von Umwelt- und Klimaschutz, „Plastic free“ und Unverpackt-Läden wird ein gutes System gebraucht, welches die grundlegenden Anforderungen an Schutz-, Transport- und Kommunikationsfunktionen erfüllt. Im Gespräch mit globalmagazin erklärt Geschäftsführer Peter Désilets warum die führende Packaging Design Agentur Deutschlands in Fragen nachhaltiger Verpackungslösungen ständig nach Verbesserungen sucht und ein breites Netzwerk an Lieferanten und Instituten aufbaute sowie selbst in einigen Kunden- und Förderprojekten für innovative Lebensmittelverpackungen involviert ist.
Verpackungen sind Markensymbole (siehe die berühmte Coca-Cola-Flasche): Warum glauben Sie, dass sich Ihre Idee dennoch durchsetzen könnte?
Peter Désilets: Weil nicht jedes Produkt über eine solche unique Formsprache verfügt, es gibt auch schon viele standardisierte Packungsformen für die Produktsegmente, die wir im Blick haben. Ist eine Chipstüte unique, ein Joghurtbecher oder eine Plastikschale für Käsescheiben? In den wenigsten Fällen ist das so. Aus dem Bauch raus würde ich sagen, dass 85 bis 90 Prozent aller Massenartikel keine wirklich gelernte oder auffällige Formsprache besitzen. Die unterscheiden sich und ihre Markenpositionierung über ein Etikett oder das Design auf der Packung.
Reicht das aber aus für eine doch disruptive Idee?

Wir sehen heute schon rechtliche Schritte weg von Einwegpackungen, sowohl in Europa als auch in Asien und etwa in China. Wir glauben, dass die Forderungen nach Mehrweg-, sprich Kreislaufkonzepten, schneller kommen werden, als viele heute noch verhindern würden. Die asiatischen Länder haben es vorgemacht mit dem Einfuhrverbot von Verpackungsmüll. Quasi über Nacht waren die Industrieländer gezwungen, sich umzustellen. Wenn diese Länder wie China, die das große Müllproblem in ihren Flüssen, Meeren und Landschaften haben, diesen disruptiven Mehrweg-Schritt gehen, dann sind wir auch in Europa schlagartig damit konfrontiert…
Und mit müssen reagieren meinen Sie: Reicht der Mehrweg-Ansatz dafür aus?
Das Schöne bei Mehrweg ist der verführerische Aspekt der Kosteneinsparung in der ganzheitlichen Betrachtung und des positiven Imageeffekts für die Marken.
Auch bei Mehrwegsystemen wie etwa Bierflaschen gab es einheitliche Verpackungssysteme. Dort gibt es aktuell eine Gegenbewegung: Trotzdem bleiben Sie bei Ihrem Konzept?
Gerade diese individualisierten Bierflaschen verdeutlichen, dass sie das Konzept deutlich verkomplizieren und verteuern. Außerdem ist der Umweltaspekt eines Mehrwegsystems teilweise konterkariert, wenn die leeren Flaschen über hunderte Kilometer zurück transportiert werden müssen. Und in einem heißen Sommer warten die Marken auf ihre leeren Flaschen, die irgendwo im Privathaushalt oder auf halbvollen Paletten im Getränkemarkt lagern.
Also doch eine Rückbesinnung aufs Individuelle?
Ich bin mir sicher, es wird immer Ausnahmen geben. Marken mit hoher Marge ist ein eigener Auftritt wichtig. Das ist ja auch nicht ausgeschlossen, es würde mehr kosten, weil der Aufwand höher ist. Ob sich das dann für solche Individuallösungen rechnet, muss sich zeigen. Aber Biere und Wasser sind sehr margenstarke Artikel, die Produktkosten sind eher vernachlässigbar. Das ist bei vielen Massenartikeln nicht der Fall: Aldi testet übrigens gerade Mehrwegkonzepte für Bier und Mineralwasser.
Wie aufwändig wäre ein Rücklauf-Sammelsystem, was würde es kosten und wer soll das schultern?
Unser Konzept besteht ja darin, das komplette System zu überdenken, sodass am Ende geringere Kosten und eine höhere Flexibilität gegenüber den heutigen Mehrwegsystemen stünde…
Umfrage soll Akzeptanz von Mehrwegsystemen unterstreichen
Das heißt?
Nehmen wir Joghurtgläser. Da kauft der Markenhersteller teilweise hunderte Millionen Gläser, um sie in Umlauf zu bringen, plus die Kästen für den Transport. Die Gläser müssen gesammelt, sortiert, zum Abfüller transportiert werden, der sie bei sich spült. Wenn die Gläser nicht schnell genug zurückkommen, muss er neue dazu kaufen oder er kann nicht abfüllen und verkaufen. Jeder baut somit seine eigene Struktur und seinen eigenen Vorrat auf, die Logistik ist durch die Sortierung teuer und aufwändig…
Und die Alternative wäre?

…stellen Sie sich einmal vor, der Abfüller leiht nur die Gläser, die er braucht und etikettiert diese. Er spart sich also enorme Vorfinanzierung der Gläser, auch kleinere Abfüller können so schneller starten. Sobald die Gläser sein Werk verlassen haben oder beim Kunden eintreffen, kümmert er sich nur noch darum, dass genug Gläser zum Abfüllen verfügbar sind. Unser Ziel ist, dass die Kosten für dieses Pay-per-Use-Konzept nicht höher sind als die Gesamtkosten einer Single Use-Packung oder so wenig mehr kosten, dass es dem Verbraucher diese geringen Mehrkosten wert sind, damit die Umwelt zu schonen…
Was jedoch wiederum kosten dürfte…
Weshalb wir ja gerade eine Umfrage durchführen, mit der wir auch abfragen, wie sehr der Verbraucher ein Pfand- oder Mehrwegsystem mittragen würde. Wir sind gespannt, was dabei raus kommt.
Wieviel unnötige Verpackungen hoffen Sie mit Ihrer Idee einsparen zu können?
Bei einem Umlauf von 10 Mal – was gering ist, bei Joghurtgläsern oder Getränkeflaschen reden wir von einem Vielfachen – heißt das, dass 90 Prozent der Einmal-Verpackungen ersetzt werden. Der Ansatz ist auch, sich im ersten Anlauf mit den Packungen zu befassen, die heute schon viele Probleme beim Sortieren oder Recyclen aufwerfen. Auch sehen wir die Parallelen von Mehrwegverpackungen und Unverpackten Produkten. Ein Behälter zum wieder befüllen ist auch ein Mehrweg-Konzept, nur dass die eine Variante schon abgepackt ist, die andere wird selbst neu befüllt. Viele Supermärkte testen gerade Refillsysteme, auch die werden sich über Standardpackungen freuen, denn auch diese könnten in ein Standard-Rücknahmesystem einfließen.
Welchen Effekt (z. B. auf Klima oder Müllvolumen) hätte das?

Das Ziel sind massentaugliche und international einsetzbare Verpackungen und die Ausweitung des Systems. Wir wollen nicht nur bis zur deutschen Grenze denken, haben auch schon Anfragen oder Partneransätze aus dem europäischen Ausland, die das Konzept interessant finden. Den genauen Effekt können wir heute noch nicht sagen, aber je weitreichender das Konzept angedacht wird, desto größer werden die potenziellen Einsparungen. Ob im Transport – wo auch Verpackungsabfall aus dem „Gelben Sack“ mehrere Hundert Kilometer gefahren wird – oder im Recycling, weil in vielen Ländern überhaupt noch kaum gesammelt und recycelt wird, bis natürlich zur Vermeidung der Vermüllung der Natur.
Und das, glauben Sie, nehmen Verbraucher an?
Mehrwegsysteme haben eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung, selbst Einwegpfand wird weit über 90 Prozent zurückgebracht, und die Zeit ist reif, weil die Verbraucher deutlich sensibler sind als noch vor ein paar Jahren.
Den Einfluss auf das Klima können wir momentan noch nicht abschätzen. Dafür müssten wir jedes System durchrechnen. Aber da der Trend auch im Transport zu geringerem CO2-Aufwand durch Elektromobilität kommen wird, wird sich das auch bei Mehrweg positiv auswirken. Zumal wir mit reduzierten Transporten gegenüber Einweg- und heutigen Mehrwegpackungen ausgehen.
pit