Ein Pfandsystem für Kleidung

Ein Pfandsystem für Kleidung
Foto: meineresterampe/Pixabay CC/PublicDomain

Ein Pfandsystem für Kleidung

goodimpact.eu: Schneiden, nähen, reparieren: Mitten in Amsterdam fertigt das Team von New Opimist Mode aus Baumwolle, die dank Pfandsystem niemals Müll werden soll.

In einer alten Schule aus Backstein keimt eine kleine Moderevolution. Hier, mitten in einem Amsterdamer Wohnviertel mit Altbauten aus Backstein und Lastenhaken an den Giebeln, wird kreislauffähige Kleidung handgefertigt und vertrieben. Mit dem Ziel, sie eines Tages zurückzubekommen.

Die Mini-Fabrik gehört zu New Optimist, gegründet 2020 von Art-Direktorin Nelleke Wegdam und Textilunternehmer Xander Slager. Abgekürzt heißt die Marke NO, mit Absicht: „Nein“ zu Abfall. Denn davon gibt es viel zu viel in der Modebranche. Zwischen 2000 und 2015 hat sich die Kleidungsproduktion weltweit verdoppelt, im Gegenteil zur Tragedauer, die sich um etwa 40 Prozent verkürzt hat. Allein in der EU schmeißt statistisch jeder Mensch pro Jahr 12 Kilo Kleidung und Schuhe weg. 22 Prozent der Textilabfälle werden etwa über Altkleidercontainer zur Wiederverwendung oder zum Recycling getrennt gesammelt, der Rest wird verbrannt oder landet auf Deponien im Ausland. Aus nur 2 Prozent der Abfälle entstehen neue Textilfasern.

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Nelleke Wegdams Schritte hallen durch den Gang zum Atelier, vorbei am Lager, in dem gerade Bestellungen versandfertig gemacht werden, Klebeband ratscht über Pappe. Sie bleibt stehen zwischen gestapelten Stoffbahnen, Gerätschaften und Regalen voller Garnrollen. Organisiertes Chaos unter fünf Meter hohen Decken. Neben ihr wirft ein Schneider die Nähmaschine an, es rattert sanft. Was es mit den Müllsäcken auf sich hat, die sich in der Ecke türmen? Keine Sorge, sagt sie, nur ein improvisiertes Zwischenlager. Darin die Reste, die beim Zuschneiden der Stoffe anfallen und nicht weggeschmissen, sondern zu Etiketten oder Labels verarbeitet werden. „Kein Abfall, keine Umweltverschmutzung“ ist ein Prinzip von dreien, nach denen sich New Optimist richtet.

Sie stammen von der britischen Ellen MacArthur Stiftung, die sich als Wissenspool insbesondere auf dem Gebiet „circular fashion“ einen Namen gemacht hat. Prinzip zwei und drei beziehen sich auf das Design eines Kleidungsstücks: Es sollte so entworfen sein, dass es lange hält und sich am Lebensende leicht wiederverwenden oder recyceln lässt. Wie das in der Praxis genau aussieht, hängt im nächsten Raum, dem Showroom, an der Wand: eine dunkelblaue Denimjacke, die kreislauffähig entworfen wurde. Inwiefern? Wegdam stellt erst ihr dampfendes Glas auf einem runden Tisch in der Mitte des Raums ab. Tee, obwohl draußen vor den riesigen Fenstern spätsommerliche Hitze flimmert.

Mit Mehrwegpfand bekommt die Kleidung neue Leben

Der Denimstoff der Jacke besteht aus recycelter Baumwolle, die Nähte aus Bio-Baumwolle. Ihre Knöpfe sind aus Corozo, einem pflanzlichen Material aus den Samen der Steinnusspalme. Wie fast alles in diesem Raum hat die Jacke einen geraden Schnitt. Um Wegdam herum, an modernen schwarzen Ständern aus Stahl, hängt die Winterkollektion – die erste mit Pfand. Hier und da blitzen kalte Pinktöne in der Streetwear auf, mal ein frostiges Neongelb, doch das meiste ist gedeckt: Blau, Schwarz, verblichenes Lila, wolliges Weiß. NO verwendet nur Bio-Baumwolle und recycelte Baumwolle von einem Betrieb in der Türkei, zu ungefähr gleichen Anteilen. Plastik oder gemischte Materialien sind tabu. Genau wie Reißverschlüsse. So werden die Stücke recycelbar.

Doch all das bringt nichts, wenn die Teile im Konsumwirrwarr verloren gehen – also weggeworfen oder weiterverkauft und danach weggeworfen werden. Knackpunkt: Wie kommen sie zurück? Manche Modeketten belohnen Kund:innen, die ausrangierte Kleidung in den Filialen abgeben, mit Gutscheinen oder Rabatten für den nächsten Einkauf. Eine andere Möglichkeit sind Abomodelle. Nachhaltig daran: Mehrere Menschen teilen sich ein Produkt, da dieses vermietet wird. Und Produzent:innen achten beim Design eher auf Langlebigkeit und Reparaturfähigkeit. Doch New Optimist kommt mit einer neuen-alten Idee: Pfand. Warum?

„Anders als ein Abomodell muss man Pfand nicht groß erklären“, sagt Wegdam. „Am Wochenende Flaschen wegzubringen, ist für viele Alltag.“ NO versucht den Aufwand gering zu halten, arbeitet mit Retailer:innen zusammen, statt eigene Läden aufzumachen. Ein weiterer Pluspunkt von Pfand: „Im Gegensatz zu Gutscheinen regt es die Kund:innen nicht an, etwas Neues zu kaufen. Das wäre für uns die falsche Botschaft gewesen.“ Zwischen 2,50 und 10 Euro zahlen Käufer:innen extra, je nach Preis des Kleidungsstücks. Ob das letztlich zu Retouren – in Partner-Geschäften oder online – motiviert, wird sich zeigen. Auch hier betont Wegdam die „Message“: Pfand signalisiert, dass es um wertvolle Rohstoffe geht, die man erhalten will. Wohl eher deshalb, und weniger wegen der Centbeträge pro Flasche, treten so viele Menschen den Weg zum Pfandautomaten an. In Deutschland liegt die Sammelquote für Mehr- und Einwegflaschen bei rund 98 Prozent.

Bei NO geht es im übertragenen Sinn um Mehrwegpfand: Die Klamotten sollen so viele Leben wie möglich bekommen, bevor sie recycelt werden. Reparaturen sind kostenlos, eine Second-Hand-Plattform ist im Aufbau. Jedes Teil hat ein Etikett mit QR-Code, wo ein digitaler Produktpass mit Infos zu Herstellung und Pflege hinterlegt ist. Dank Blockchain-Tech lässt sich hier auch der Lebenszyklus des Produkts, vom Weiterverkauf bis zum Recycling, verfolgen. Für das Pfandsystem hat NO eine Stiftung gegründet, N.E.W. (Never Ever Waste), die die Pfandbeträge verwahrt und wieder auszahlt, wenn etwas zurückgegeben wird… weiterlesen

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