Für Klima-COP 30: Baustellen am Amazonas

Für Klima-COP 30: Baustellen am Amazonas
tagesschau.de: Ein symbolischer Austragungsort: Ende des Jahres findet die Klimakonferenz im brasilianischen Belém direkt am Amazonas statt. Dafür wird der Klima-Hotspot nun zur Baustelle – Anwohner fühlen sich ausgeschlossen.
Eine schlammbraune Brühe schwappt unter den Holzstegen vor Edilson Farias Haus auf und ab, darauf ein vor sich hin dünstender Teppich aus Plastikmüll und Moder. Farias, Mitte 30, lebt im Amazonas-Delta, also im größten Süßwasser-Gebiet der Welt – und hat trotzdem kein sauberes Wasser. „Wir haben kein Trinkwasser, und es gibt kein Abwassersystem, alles fließt einfach in den Fluss.“Farias ist Mitglied derAnwohnervereinigung der Vila das Barcas am Amazonas-Zufluss Gaujará.
Sein Viertel, die Vila das Barcas, ist die größte Pfahlbauten-Siedlung Lateinamerikas – ein Labyrinth aus knarrenden Brücken, einfachen Holzhütten und wild verknoteten Plastikrohren. Die Siedlung liegt Luftlinie nur wenige Kilometer von Beléms neuem Hafenviertel entfernt, und auch ganz in der Nähe des „Parque da Cidade“ entfernt. Dort, wo im November die Events der Klimakonferenz COP30 abgehalten werden.
Lesen Sie auch:
„Es ist absurd“, sagt Farias. „Für die Klimakonferenz gibt die Regierung Millionen von US-Dollar aus. Aber nicht ein einziger Cent davon kommt unserer Gemeinde zugute.“ Sein Viertel stehe als Beispiel dafür, was bei der Klimakonferenz am Amazonas falsch laufe.
Größte Stelzensiedlung Lateinamerikas
Dort, wo die Holzbauten auf Asphalt treffen, türmt sich Bauschutt auf: Hier entstehe ein Abwasser-Pumpwerk, erklärt Farias. Doch das Viertel selbst profitiere davon gar nicht. Vielmehr würden nun Abfälle aus dem wohlhabenden Stadtviertel nebenan und der Schutt anderer Bauprojekte in eine offene Grube gekippt. Dafür musste außerdem der Fußball-Platz des Viertels weichen, eine der wenigen Freiflächen der eng bebauten Favela. „Wir dachten, dass mit der COP endlich Verbesserungen für das Viertel kommen, stattdessen brachte uns die Baustelle Staub, mehr Schlaglöcher in den Straßen, Risse in den Häusern mancher Anwohner.“
Bisher habe weder die Stadt noch die Landesregierung auf ihre Petition reagiert, Umweltgutachten für die Bauprojekte nahe dem Viertel vorzulegen. Die Aktivistin Suane Barreirinhas, die gemeinsam mit der Anwohnervereinigung eine Beschwerde eingereicht hat, spricht von Umweltrassismus: „Wer profitiert, das sind die wohlhabenden Viertel, wir bekommen den Schlamm und den Dreck.“
„Unterstützung statt Finger auf uns zeigen“
Dem widerspricht André Goudinho, der Beauftragte der Stadt Belém für die COP30. Die rund 30 Bauprojekte, die für die COP30 angestoßen wurden, teils von der Stadt, teils vom Bundesland Pará oder dem Staat, würden ein positives Erbe auch für die Bevölkerung der Stadt hinterlassen.
Man dürfe aber auch nicht vergessen, dass Belém nicht Dubai oder Paris sei. Viele Probleme im Amazonas-Gebiet resultierten auch daraus, dass die Region seit Jahrzehnten in erster Linie als Rohstoff-Lieferant gesehen wurde und ausgebeutet würde – auch von internationalen Unternehmen. „Statt mit dem Finger auf uns zu zeigen, sollte die internationale Gemeinschaft und globale Unternehmen, die große Klimaschäden anrichten, uns unterstützen“, fordert Goudinho.Laut Projektplan wird in Straßen und das Abwassersystem auch in Außenbezirken von Belém investiert. Dazu soll es mehr Grünflächen geben.
Symbolische Gastgeber-Stadt
Dass die Klimakonferenz am Klima-Hotspot Amazonas stattfindet, gilt als symbolisch. Allerdings ist Belém auf ein derartiges Mega-Event nicht vorbereitet: Weder gibt es genug Hotelbetten, um die schätzungsweise 50.000 Besucher der COP30 zu beherbergen, was die Preise für die Unterkünfte in astronomische Höhen getrieben hat.
Auch der kleine Flughafen ist für den Ansturm nicht gewappnet und der Verkehr ist bereits ohne COP30 ein Chaos. Für Polemik sorgt außerdem, dass das Kongresszentrum im Parque da Cidade vom Bergbaukonzern Vale mitfinanziert wird – einem der größten Umweltsünder Brasiliens. Denn der Konzern ist für zwei der größten ökologischen Katastrophen Brasiliens mitverantwortlich: einem Dammbruch im Jahr 2015 und einem 2019.
Belém, einst als Stadt der Mangobäume bekannt, erlebt dazu einen dramatischen Verlust an Grünflächen. Nun wurden für neue Umgehungstraßen zusätzlich 100 Hektar Regenwald gefällt. Zwar seien dies Projekte, die bereits vor der Zusage der COP30 geplant waren, sagt die Landesregierung, doch darüber kann Turi Omonibo nur lächeln. Sie ist Oberhaupt der Quilombola-Gemeinde Abacatel, einer Gemeinschaft von Nachfahren ehemaliger Sklaven, die traditionelle Waldwirtschaft betreiben. „Seit Jahren ist hier nichts passiert, und nun geht alles so schnell? Natürlich wird hier für die COP30 gebaut.“ Schon jetzt erhöhe die Straße den Druck auf die Gemeinde. Es habe Fälle von Landraub gegeben. Fremde seien auf ihr Territorium eingedrungen… weiterlesen