Kemfert sieht Klimaziele bis 2030 in Gefahr

Kemfert sieht Klimaziele bis 2030 in Gefahr
Foto: Geralt/Pixabay CC/PublicDomain

Kemfert sieht Klimaziele bis 2030 in Gefahr

tagesschau.de: Der Bundestag hat die Reform des Klimaschutzgesetzes verabschiedet. Die Opposition sieht in der Änderung eine Aufweichung. Auch von der Wirtschaftswissenschaftlerin Kemfert kommt im Interview mit den tagesthemen Kritik.

Ingo Zamperoni: Der größte Punkt bei der Reform des Klimaschutzgesetzes ist die Aufhebung der einklagbaren Sektorenziele. Hat die Ampel da nicht einen Punkt, wenn sie sagt, dem Klima ist es egal, wo CO2-Emissionen eingespart werden, Hauptsache sie werden eingespart?

Claudia Kemfert: Ja, grundsätzlich ist das auch so. In der Tat ist es ja egal, wo sie eingespart werden. Aber wichtig ist, dass sie eingespart werden. Und das ist die große Gefahr dahinter, dass, wenn man die Sektorenziele nicht mehr hat, es auch keine direkten Verantwortlichkeiten der Ministerien mehr gibt und man damit Gefahr läuft, dass man die Emissionsminderungsziele bis 2030 eben nicht erreicht. Weil eben jetzt so ein Automatismus da nicht mehr hinterher ist und man auch kein Sofortprogramm mehr hat, wo die Ministerien eigentlich nachsteuern müssten.

Lesen Sie auch:

Aber wer springt denn ein? Wer übernimmt denn die Verantwortung? Wer sagt denn, wir sind hier nicht auf Kurs, ihr müsst jetzt folgende Kontingente noch einsparen? Wer macht das – der Kanzler?

Kemfert: Ja, eigentlich ist es die Bundesregierung insgesamt. Der Kanzler natürlich, aber alle Ministerien auch zusammen. Aber wichtig ist doch zu sehen: Wer kann denn überhaupt überkompensieren, wenn jetzt beispielsweise das Verkehrsministerium nicht liefert? Und so sieht es ja im Moment aus. Dann müssten eigentlich andere Sektoren mehr machen, insbesondere beispielsweise der Energiesektor der Industrie, die ja auch schon sehr viel tun. Man baut die erneuerbaren Energien aus, der Kohleanteil geht runter. Aber das reicht natürlich nicht, um das alles vollständig überzukompensieren. Und dann läuft man Gefahr, wenn die einzelnen Sektoren nicht liefern, dass man am Ende da eben nicht landet, wo man hin will.

Das heißt, Sie glauben, das kann gar nicht aufgehen? Welche Sektoren würden denn einspringen können, wo noch genug Puffer ist? Wo es dann nicht so schlimm ist, dass der Verkehrssektor, der wirklich seit den Anfang der 90er Jahre sich kaum verändert hat, die Ziele reißt?

Kemfert: Genau, wenn er weiter reißt, dann kann das nicht richtig aufgehen. Und dann wird man in der Tat die Klimaziele bis 2030 nicht erreichen können, wenn man nicht einen Mechanismus findet, wo man nachsteuert. Jetzt will man mit diesen Projektionsberichten vorausschauen und auch der Expertenrat schaut alle zwei Jahre drauf, dass man auch nachjustiert, und man muss auf europäischer Ebene auch entsprechend Verpflichtungen erfüllen. Aber in der Tat, wenn wir diesen Automatismus oder diesen Mechanismus da nicht mehr drin haben, dann ist die Gefahr groß, dass man es eben nicht erreicht.

Wertvolles Instrument aus der Hand gegeben

Also sind Sie eher pessimistisch, was das Kalkül da betrifft?

Kemfert: Ich bin sehr pessimistisch und kritisiere das auch sehr, sehr deutlich. Weil eben die Gefahr sehr groß ist, dass wir es nicht erreichen und dass wir mit diesem wertvollen Sektorenmechanismus, den wir in der Vergangenheit hatten, ein sehr wertvolles Instrument aus der Hand geben und so eben Gefahr laufen, die Klimaziele nicht zu erreichen.

Natürlich ist es ein wichtiger Aspekt, dass wir zurzeit eigentlich ganz gut dastehen und auf Kurs liegen sozusagen. Aber wir kommen von einer Pandemie immer noch mit Nachwirkungen. Und wir haben eine Wirtschaft, die relativ am Boden liegt. Das soll sich ja ändern, die soll ja wieder Fahrt aufnehmen, dann wird es ja noch schwieriger?

Kemfert: Es wird noch schwieriger. Und ein Stück weit rechnet sich die Bundesregierung die Klimaziele auch schön, weil es gibt ja die Projektionsberichte, die sagen, wir werden es schon erreichen. Aber 80 Prozent dieser Zielerreichung ist eben genau das, was Sie beschreiben: Konjunkturell läuft es nicht gut, oder man geht davon aus, dass es nicht so schnell wieder wächst und der Stromverbrauch ist nicht so hoch und nur dann erreicht man die Klimaziele. Aber wir müssen ja Klimaschutzmaßnahmen haben und da reicht es eben nicht aus, dass wir nur die erneuerbaren Energien ausbauen und im Verkehrssektor eben nicht genug machen…. weiterlesen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.