Lithium: Schatz für die deutsche Autoindustrie

Lithium: Schatz für die deutsche Autoindustrie
Foto: Wikimedia CC 4.0

Lithium: Schatz für die deutsche Autoindustrie

zeit.de: In Serbien soll die größte Lithiummine Europas entstehen. Kanzler Olaf Scholz will deutschen Konzernen exklusiven Zugang sichern. Aber die Menschen dort weigern sich.

Vladimir Filipović küsst den dunklen Marmorgrabstein seines Großvaters zur Begrüßung. Sein Vater Zoran ist mit ihm auf den Friedhof gekommen, er zupft mit der Hand etwas Unkraut aus dem Boden, zündet eine Zigarette an und steckt sie in das Grab – mit der glimmenden Spitze nach oben. „Mein Vater hat gerne geraucht“, sagt er. Statt einer Kerze zündet der serbische Bauer lieber eine Kippe der Marke Wilson für ihn an.

Seit fünf Generationen schon leben die Filipovićs im Jadar-Tal, einer malerischen Landschaft im Westen Serbiens, wenige Kilometer von der Grenze zu Bosnien-Herzegowina entfernt. Die Gegend ist bekannt für ihr gutes Trinkwasser, Schweinezucht und Landwirtschaft. Und womöglich bald auch für die größte Lithiummine Europas.

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Zoran, 55 Jahre, und seine Frau Gorana sind Selbstversorger, ihr Sohn Vladimir, 28 Jahre, arbeitet als Maler und Gipser im Trockenbau. Ausgezogen von zu Hause ist er nie, denn er fühlt sich dem Land, das schon seine Vorfahren bestellt haben, verbunden. „Die Felder deiner Großeltern solltest du niemals verkaufen“, sagt Vladimir, „für keinen Preis auf der Welt.“

Die Familie hält Schafe, Hühner und Schweine in einem Stall hinter dem Haus. Außerdem besitzen die Filipovićs 2,5 Hektar Land, auf denen sie Mais, Soja und andere Produkte anbauen, die sie am Markt verkaufen. Aber unter der Erde liegt etwas viel Wertvolleres begraben: der Rohstoff für eine klimafreundlichere Mobilität.

Lithium ist ein Leichtmetall, das man für die Herstellung von Batterien für Elektroautos benötigt. Das macht es zu einem Schlüsselelement in der Wende zum elektrischen Fahren und zu einem der begehrtesten Rohstoffe der Welt. Aber ausgerechnet die Europäische Union, die Wegbereiterin der Klimaneutralität sein will, hängt bei den Importen des Rohstoffs hochgradig von China ab. Die Führung in Peking verfolgt seit Jahren eine klare Strategie, schließt langfristige Abnehmerverträge mit Bergbaukonzernen in Australien oder Chile und kontrolliert weite Teile der Wertschöpfungskette bis zur fertigen Batterie.

Dem will Europa nun etwas entgegensetzen. Mitte Juli flog Bundeskanzler Olaf Scholz nach Serbien, um gemeinsam mit dem EU-Kommissionsvize Maroš Šefčovič ein Abkommen über eine strategische Rohstoffpartnerschaft mit dem Land zu unterzeichnen. Europäische und vor allem deutsche Autohersteller wollen durch die Mine in Serbien ihre Abhängigkeit von China reduzieren. Ganz vorne mit dabei: Mercedes-Benz.

Bergbaukonzern investiert drei Milliarden in die Mine

Unweit von Gornje Nedeljice, jenem kleinen Dorf mit rund 800 Einwohnern, in dem die Familie Filipović lebt, soll die Mine entstehen. Es gibt dort eine Schule, einen Fußballplatz, ein paar Kioske für Lebensmittel und viele Einfamilienhäuser mit Gärten voller Obstbäume. Wer ein Café sucht, wird auf den Motorradclub verwiesen. Mit Mateja Ivanović, dem Besitzer, einem jungen Serben mit kahl geschorenem Kopf, muss man sich nicht lange unterhalten, bis er auf Rio Tinto zu sprechen kommt, dem britisch-australischen Bergbaukonzern, der drei Milliarden in den Bau der Mine investieren will. Das Unternehmen habe ihm Geld angeboten, eine Spende, wie er sagt, aber er habe das abgelehnt. „Wir wollen weiter ein Ort sein, an dem alle willkommen sind“, sagt Ivanović.

Der lokale Fußballclub nahm das Geld, 17.000 Euro, bestätigt Rio Tinto auf Nachfrage. Der Verein renovierte mit der Spende sein Clubhäuschen und die Tore. 

Die Lithiumfrage hat einen Keil in das kleine Dorf getrieben. Nachbarn, die früher gemeinsam Hochzeiten und andere Feste feierten, reden nicht mehr miteinander, nennen einander Verräter. Gerüchten zufolge streiten sich sogar die zwei Priester in der orthodoxen Kirche über die Frage, ob das Lithium im Boden bleiben oder gefördert werden sollte. Vladimir Filipović, der Sohn der serbischen Bauernfamilie, hat dazu eine klare Meinung: „Lithium ist gefährlich. Gott hat es nicht ohne Grund unter die Erde gegeben. Es soll dort bleiben.“…. weiterlesen

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