Was die Sommerhitze für die Wirtschaft bedeutet

Was die Sommerhitze für die Wirtschaft bedeutet
wiwo.de: Die Temperaturen in Deutschland steigen, doch nicht alle wirtschaftlichen Auswirkungen lassen sich schon abschätzen. Klar ist: Nur mit mehr Klimaanlagen ist es nicht getan.
Der Ökonom Oliver Holtemöller ist allein im Büro. Nicht weil Freitag ist, sondern weil im Wirtschaftsforschungsinstitut in Halle (IWH) 30 Grad herrschen und seine Kolleginnen und Kollegen aufgrund der fehlenden Klimaanlage vorsorglich zu Hause geblieben sind.
So wie Holtemöller ging es Anfang der vergangenen Woche wohl vielen Menschen in Deutschland, die unter den hohen Temperaturen geächzt haben. Besonders betroffen seien Pflegekräfte sowie Beschäftigte im Baugewerbe und im Handwerk, berichtet die Krankenkasse DAK. In einer Umfrage gaben 23 Prozent der Befragten an, bei Hitze während der Arbeit stark beeinträchtigt zu sein. Aber lässt sich das auch volkswirtschaftlich messen?
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1. Erwerbstätige arbeiten unproduktiver
Bisher nähern sich Ökonomen dieser Frage nur an. Während bereits einige Studien zum globalen Zusammenhang zwischen Hitze und Arbeitsproduktivität erschienen sind, liegen für Deutschland noch kaum Ergebnisse vor, erklärt Holtemöller. Er leitet die Abteilung für Makroökonomik am IWH und untersucht die ökonomischen Auswirkungen des Klimawandels. Deswegen betont er auch: „Wir arbeiten daran.“
Dass die Ergebnisse auf sich warten lassen, liegt auch an komplizierten Zusammenhängen, die sich nur schwer modellieren lassen. Zum Beispiel reagieren Menschen auf Hitze unterschiedlich. Nicht immer bedeuten 35 Grad gleich einen Totalausfall. Manche Erwerbstätige verschieben ihre Arbeitszeiten in die frühen oder späten Stunden oder holen Arbeit an den folgenden Tagen wieder auf. „Solche Ausweichmöglichkeiten können wirtschaftliche Effekte abschwächen“, ordnet der Ökonom ein.
Warme Wintertage können sogar einen positiven wirtschaftlichen Effekt haben, wenn dadurch weniger Ausfälle auf Baustellen entstehen. Diese Wechselwirkungen in einem Modell zu berücksichtigen, ist mühsam.
Was jedoch bekannt ist: Die Wirtschaftsleistung pro Kopf ist global betrachtet dort am höchsten, wo die durchschnittliche Jahrestemperatur etwa 12 Grad Celsius beträgt. 2023 lag Deutschland bei 10,5 Grad, der Analyse nach also weit entfernt vom kritischen Bereich. Demnach hätte ein weiterer Temperaturanstieg zunächst einen positiven Effekt auf die Wirtschaftsleistung, schaut man nur auf Deutschland. Angesichts der steigenden Durchschnittstemperaturen warnt Holtemöller trotzdem: „Perspektivisch kommen wir genau an den Punkt, an dem es kippen könnte.“
Klimawissenschaftler kritisieren das Modell jedoch, weil es potentielle Irreversibilitäten, so genannte Kipppunkte, nicht berücksichtigt. Wird es beispielsweise so warm, dass das westantarktische Eisschild schmilzt, lässt sich das nicht mehr rückgängig machen. Unklar ist, wie genau sich das auf die Wirtschaftsleistung auswirkt.
Diese Unsicherheit bildet das 12-Grad-Modell aber gar nicht ab. „In den ökonomischen Studien gibt es bisher noch keine überzeugende Methode, um mit möglichen Kipppunkten umzugehen“, verdeutlicht Holtemöller.
Auch Britta Stöver, Ökonomin bei der Gesellschaft für wirtschaftliche Strukturforschung, untersucht die Folgekosten des Klimawandels. Sie weist auf eine andere Dimension der Schäden hin: „Die stärksten Produktivitätseinbußen bei der Arbeit entstehen im Ausland.“ Insbesondere im globalen Süden. „Dadurch importieren wir uns die Schäden“, erklärt Stöver.
2. Landwirtschaftliche Erträge sinken
Das trifft auch auf Ertragsausfälle in der Landwirtschaft zu. Schlechte Ernten wie bei Oliven, Kakao oder Kaffee werden immer wieder mit den Folgen des Klimawandels in Zusammenhang gebracht. Für die laufende Kakaoernte erwartet die Internationale Kakao-Organisation (ICC) einen Rückgang von 11 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, drei Viertel der weltweiten Produktion kommen aus Westafrika. Die Olivenproduktion sank in der vergangenen Saison EU-weit sogar um etwa 40 Prozent.
Doch auch hier ist der Zusammenhang zwischen Temperatur und Ernte nicht immer eindeutig, steigen Schäden nicht in Proportion zu den Temperaturen. „Maispflanzen beispielsweise wachsen bis 29 Grad enorm gut, sobald aber nur ein Tag die Wohlfühltemperatur überschreitet, sinken die Erträge rapide“, konkretisiert die Ökonomin.
Für Deutschland allein erwartet Holtemöller keine großen volkswirtschaftlichen Schäden durch Ernteeinbußen: „Unterm Strich macht die Landwirtschaft hierzulande nur ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus.“… weiterlesen
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