Wie Klimaneutralität finanziert werden könnte

Wie Klimaneutralität finanziert werden könnte
tagesschau.de: Neben der Verteidigung entwickelt sich der Klimaschutz in Deutschland zur finanziellen Großbaustelle. Doch woher das Geld für Investitionen kommen soll, ist nicht klar. Ein Ansatz wäre die Schuldenbremse.
Wie klappt der Umbau zum klimaneutralen Wirtschaften? Auch wenn sich die Antworten auf diese Zukunftsfrage unterscheiden, ist eines klar: Um einige große staatliche Investitionen kommt Deutschland kaum herum, etwa für Stromleitungen, E-Ladesäulen oder ein modernes Schienennetz. Dafür braucht es in den nächsten Jahren mehrere hundert Milliarden Euro. Darin sind sich sogar Forschungsinstitute einig, die sonst oft gegensätzliche Meinungen vertreten, etwa das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) und das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW).
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In einer gemeinsamen Analyse kamen die Forscherinnen und Forscher im vergangenen Jahr auf mindestens 600 Milliarden Euro Extra-Investitionsbedarf in den kommenden zehn Jahren, um die „öffentliche Infrastruktur und Wirtschaft zukunftsfähig zu machen“, macht 60 Milliarden Euro pro Jahr. Andere Institute kommen sogar auf rund 100 Milliarden jährlich. Zum Vergleich: Der gesamte Bundeshaushalt eines Jahres beträgt aktuell 450 Milliarden Euro.
„Kredite für Klimaschutz aufnehmen“
Ulrich Klüh, Ökonomie-Professor an der Hochschule Darmstadt und Leiter des Zentrums für nachhaltige Wirtschafts- und Unternehmenspolitik, hält diese Schätzungen sogar noch für zu konservativ. Aus seiner Sicht bräuchte es noch mehr Geld für den Klimaschutz. Es sei absolut sinnvoll, dafür am Finanzmarkt Kredite aufzunehmen – also Staatsschulden zu machen, argumentiert er im Gespräch mit dem ARD-Kompetenzcenter Klima. „Alle reden im Moment davon, dass Deutschland in der Krise ist – aber wenn man auf die globalen Finanzmärkte schaut, ist davon keine Rede“. Im Gegenteil: Deutschland zahle sehr niedrige Zinsen auf seine Schulden. „Das heißt, die Finanzmärkte vertrauen uns in höchstem Maße. Das ist eine Stärke, die wir ausnutzen können, um eine Wirtschaft aufzubauen, die nicht nur klimaneutral und grün ist, sondern auch zukunftsträchtig“, so Klüh.
Geld für Klimaschutz ist gut angelegt
Für eine starke Wirtschaft brauche es starken Klimaschutz – das betont auch Matthias Kalkuhl, Ökonom am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und Professor für Wirtschaftswachstum, Klimawandel und Entwicklung an der Universität Potsdam. Jetzt bei den Kosten für die nötigen Investitionen zu sparen, hält er für unklug. Denn je höher die Erderwärmung, desto größer die Klimaschäden „und damit die Risiken politischer Instabilität und großer wirtschaftlicher Krisen, in Europa und weltweit“.
Selbst wenn Deutschland beim Klimaschutz auf die Bremse treten wollte – viele Weichen für den Pfad zur Klimaneutralität sind auf EU-Ebene bereits fest gestellt. Am Ende, sagt Matthias Kalkuhl, würde eine „Weniger-Klimaschutz-Politik“ spätestens in einigen Jahren viele Bürgerinnen und Bürger teuer zu stehen kommen. „Wenn Deutschland jetzt nicht investiert, wird das Risiko steigen, dass wir sehr hohe CO2-Preise haben, sprich: dass Heizöl, Gas und Benzin extrem teuer werden, weil von 2027 an der europäische Emissionshandel auf den Gebäude- und Verkehrssektor ausgeweitet wird. Je weniger Elektroautos bis dahin fahren und je weniger Wärmepumpen installiert sind, desto mehr steigt dann der CO2-Preis.“
Fehlende Investitionen jetzt würden sich also rächen – gerade auch für Privatleute. „Wenn man in einem alten, schlecht sanierten Haus mit einer Ölheizung wohnt, dann kommt es da zu richtig hohen Kosten“, so Kalkuhl. Es brauche deshalb jetzt dringend Förderung und Unterstützung für den Umbau.
Nur: Was ist mit der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse, die es dem Staat aktuell praktisch verbietet, die nötigen Milliarden-Investitionen über Kredite zu finanzieren?
Klimaschutz als Generationenaufgabe
Die Linke will die Schuldenbremse abschaffen. Die Grünen betrachten Klimaschutz laut Wahlprogramm als „Generationenaufgabe“, vor der Deutschland stehe, „die entscheidend für das langfristige menschliche Leben auf diesem Planeten ist und die deshalb teilweise auch über Kreditaufnahme finanziert werden sollte“. Sie wollen an der Schuldenbremse festhalten, sie aber reformieren, genau wie SPD und auch das BSW.
Union, FDP und die AfD schreiben in ihren Wahlprogrammen, dass sie an der Schuldenbremse festhalten wollen. Union und FDP sind – anders als die AfD – grundsätzlich für Klimaschutz. Unions-Parteichef und Kanzlerkandidat Friedrich Merz spricht allerdings viel über Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum und kaum übers Klima. Eine starke Wirtschaft, erklärte er bei der Vorstellung des Wahlprogramms, sei nun mal „die Grundlage für alles“ – auch für „eine gute Umwelt- und Klimaschutzpolitik“. Statt auf neue staatliche Kredite setzt die Union auf Wachstum… weiterlesen