Amazonas-Stämme kontrollieren Abholzung per Drohnen
Amazonas-Stämme kontrollieren Abholzung per Drohnen
Awapy Uru Eu Wau Wau wuchs tief im Amazonas-Regenwald auf. Der 28-Jährige gehört einem 250-köpfigen Stamm namens Uru-Eu-Wau-Wau an. Die Gemeinschaft – die bis in die 1980er Jahre von der Außenwelt isoliert blieb – lebt in einem gesetzlich geschützten Regenwaldgebiet, das sich über 7.000 Quadratmeilen (18.130 km²) im Bundesstaat Rondonia im Westen Brasiliens erstreckt. Sie sind auf den Wald angewiesen, um Nahrung anzubauen und zu sammeln, zu jagen, zu fischen, sowie für ihre Medizin.
Doch die Heimat der Uru-Eu-Wau-Wau und ihre Lebensweise sind in Gefahr, denn der Amazonas brennt. Diese Brände sind keine Naturerscheinungen. Die meisten werden illegal gezündet, um die Vegetation zwecks illegalen Ackerbaus und Viehzucht zu roden. Die Brände des letzten Jahres waren verheerend für die Region, und in diesem Jahr haben die Brände trotz eines Mitte Juli von der Regierung verhängten Verbots weiter zugenommen.
„Die Natur ist alles für uns“, erklärt Awapy. „Sie ist unser Leben, unsere Lungen, unsere Herzen. Wir wollen nicht, dass der Dschungel abgeholzt wird. Wenn man alles abholzt, wird es auf jeden Fall heißer werden, und es wird keinen Fluss, keine Jagd, und keine reine Luft für uns geben.“
Aus diesem Grund nahmen Awapy und Vertreter von fünf weiteren indigenen Völkern im vergangenen Dezember an einem Trainingskurs über den Einsatz von Drohnen teil, zu dem der World Wildlife Fund (WWF) und die brasilianische NGO Kaninde Ethno-Environmental Defense Association eingeladen hatten.
Laut Felipe Spina Avino, leitender Naturschutzanalyst des WWF in Brasilien, der bei der Durchführung des Trainings half, war die Gruppe schon beim ersten Drohnenflug und dem Anblick des Regenwaldes von oben völlig hingerissen. „Sie nahmen die Technologie wirklich mit offenen Armen an und begannen ziemlich schnell, sie zu nutzen“, sagt er.
Die Drohnen erstellen hochauflösende Bilder, Videos und GPS-Kartierungsdaten, die als Beweismittel bei der Meldung illegaler Aktivitäten an die Behörden verwendet werden können. Das Durchqueren des dichten Dschungels ist zu Fuß sehr anstrengend, und die Drohnen ermöglichen es den indigenen Gemeinden, ein viel größeres Gebiet zu überwachen und gleichzeitig potenziell gefährliche Konfrontationen mit illegalen Holzfällern und Landnehmern zu vermeiden, sagt Spina Avino.
Das WWF-Kaninde-Projekt hat 19 Drohnen an 18 Organisationen gespendet, die sich für den Schutz der Wälder im Amazonasgebiet einsetzen. Spina Avino sagt, die Technologie unterstütze die indigene Bevölkerung. „Sie können einen Fall mit vielen Beweisen zusammenstellen, die sie an die Behörden schicken können, die dann einen viel größeren Druck und viel größere Möglichkeiten haben, gegen die illegalen Aktivitäten vorzugehen“, erklärt er.
Awapy führt ein 12-köpfiges Team auf Patrouillen in den Regenwald, um Entwaldung und Waldbrände zu überwachen. Bei seinem ersten Drohneneinsatz entdeckte das Team eine 1,4 Hektar große Fläche (etwa so groß wie zwei American-Football-Felder), die abgeholzt worden war. Tage später nahmen sie ein Video auf, auf dem ein Hubschrauber Grassamen auf dem Grundstück verteilte – ein Hinweis darauf, dass das Land als Viehweide genutzt werden würde, so der WWF.
Der WWF berichtet, dass die National Indian Foundation (FUNAI) – das brasilianische Regierungsorgan, das für die Politik in Bezug auf Ureinwohner zuständig ist – die von den Uru-Eu-Wau-Wau bereitgestellten geografischen Koordinaten nutzen konnte, um gegen die illegale Rodung in der Region vorzugehen.
„Die Technik ist keine Wunderwaffe“
Indigene Völker setzen zunehmend Drohnen ein, da die Geräte immer kleiner und erschwinglicher werden, berichtet Jessica Webb, Senior Manager Global Engagement bei Global Forest Watch, einer Initiative des World Resources Institute, die Technologien zum weltweiten Schutz der Wälder entwickelt. Die vom WWF-Kaninde-Projekt zur Verfügung gestellten Drohnen kosten jeweils rund 2.000 Dollar – ungefähr soviel wie das Anmieten eines Hubschraubers pro Stunde für ähnliche Arbeiten. Neben der Verteidigung des Regenwaldes setzen die indigenen Gemeinschaften Drohnen ein, um Paranussbäume aufzuspüren, die eine lebenswichtige Nahrungs- und Einkommensquelle darstellen, und um wichtige Tierarten wie die Harpyie zu überwachen – ein vom Uru-Eu-Wau-Wau-Volk als heilig verehrter Vogel.
Doch die Technik [allein] ist keine Wunderwaffe, meint Webb. Die Kopplung dieses Hilfsmittels mit indigenem Wissen „macht es so viel schlagkräftiger“, erklärt sie und fügt hinzu, dass die Menschen im Amazonas ein vielschichtiges Verständnis für die Gebiete haben, die für den Schutz von Tieren, gefährdeten Arten und Wasserschuppen am wichtigsten sind.
Amazonas-Stämme sind wachsenden Bedrohungen ausgesetzt
Bei den Bränden des vergangenen Jahres war Rondonia einer der am schlimmsten betroffenen Staaten Brasiliens. Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro schickte im Mai diesen Jahres Tausende von Soldaten dorthin, um nach Angaben des Verteidigungsministeriums bei der Eindämmung des illegalen Holzeinschlags und anderer krimineller Aktivitäten, die dem Regenwald schaden [könnten], zu helfen. Bolsonaro und seine Regierung stehen in heftiger Kritik von Regierungen und Umweltgruppen, weil sie nichts gegen die Abholzung unternehmen, und eine Politik verfolgen, die als Förderung der Erschließung des Amazonasgebietes dienlich angesehen wird.
Die Covid-19-Pandemie hat zu einem Anstieg des illegalen Holzeinschlags im Amazonasgebiet geführt, da die Kontrollteams mit reduzierter Kapazität arbeiten, so Survival International, eine Gruppe für indigene Rechte. Aktivisten befürchten, dass Außenstehende das Corona-Virus in die indigenen Gemeinden einschleppen könnten. Bis Mitte August waren laut WWF auf dem Land der Uru-Eu-Wau-Wau keine Fälle von Covid-19 gemeldet worden. Eine Zunahme der „Eindringlinge“ – wie sie von den indigenen Gruppen genannt werden -, die in das Gebiet eindringen, um illegale Aktivitäten durchzuführen, erhöht jedoch das Risiko einer Übertragung, sagen sie.
Awapy sagt, er hat aufgrund seines Engagements für den Schutz des Waldes Morddrohungen von Landräubern und illegalen Holzfällern erhalten. Nach Angaben der NGO Human Rights Watch werden Brasilianer, die den Amazonas verteidigen, von illegalen Holzfällern bedroht und angegriffen. „Ich erhalte immer mehr Drohungen, und die Leute kommen mir immer näher, um mich und mein Engagement zu beobachten“, sagt Awapy.
Trotz der Gefahren will er weiter für die vergangenen und zukünftigen Generationen kämpfen. „Ich mag, was ich tue, vor allem die Verteidigung des Dschungels, weil ich in ihm aufgewachsen bin und immer noch hier lebe. Deshalb verteidige ich ihn, für diejenigen, die bei der Verteidigung unseres Territoriums gestorben sind, die von uns gegangen sind. Ich möchte um ihretwillen weiterkämpfen.“
Hazel Pfeifer, CNN