Bäume in Städten oft ungünstig verteilt
Bäume in Städten oft ungünstig verteilt
Eine Studie unter der Leitung des Royal Melbourne Institute of Technology (RMIT University) mit Beteiligung der Technischen Universität München (TUM) hat den Zugang zur Natur in acht großen Weltstädten untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass Städte nicht ausreichend von Baumkronen beschattet werden – auch wenn es viele Bäume gibt.
Weniger als 30 Prozent der Gebäude in New York City, Amsterdam, Buenos Aires, Denver sowie in den Stadtzentren von Sydney und Melbourne befinden sich in Vierteln mit ausreichender Baumkronenbedeckung. In New York und Amsterdam war kein einziges Haus von ausreichend vielen Baumkronen umgeben, obwohl in New York 92 Prozent und in Amsterdam 50 Prozent der Gebäude einen Blick auf mindestens drei Bäume hatten.
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Die Forschenden untersuchten über 2,5 Millionen Gebäude in acht Städten anhand der sogenannten „3-30-300“-Regel. Diese Metrik wurde vom Forstwissenschaftler Cecil Konijnendijk entwickelt. Gemäß ihr sollte jedes Haus, jede Schule und jeder Arbeitsplatz einen Blick auf mindestens drei Bäume haben, sich in einem Viertel mit mindestens 30 Prozent Baumkronenbedeckung befinden und nicht mehr als 300 Meter von einem Park entfernt sein. Nur Seattle und Singapur erreichten die 30 Prozent-Marke, wobei immerhin 45 Prozent beziehungsweise 75 Prozent der Gebäude in diesen Städten ausreichend von Bäumen beschattet waren. Auch der Zugang zu Parks war nicht überall gegeben: Singapur und Amsterdam erzielten hohe Werte, während Buenos Aires und New York City schlecht abschnitten.
Laut Wolfgang Weisser, Professor für Terrestrische Ökologie (TUM), werden Metriken, die die grüne Infrastruktur im Hinblick auf das menschliche Wohlbefinden bewerten, immer noch zu selten in der Stadtplanung verwendet. „Einige dieser Metriken sind zudem nicht wirklich ausreichend. Die ‚3-30-300‘-Regel erfordert hingegen, dass wir nicht nur Parks irgendwo in der Stadt schaffen, sondern Natur in die Bereiche bringen, in denen die Menschen tatsächlich leben und arbeiten. Eine Gemeinde mit fast baumlosen Straßen aber einigen großen, gut bewaldeten Parks hat auf Stadtebene gesehen pro Einwohner eine ordentliche Zahl von Bäumen – das trifft auf viele deutsche Städte zu. Wo die Menschen leben und arbeiten, stehen jedoch wenige größere Bäume und die lokalen Anforderungen ‚3‘ und ‚30‘ zeigen aber, dass dies nicht ausreicht.“
Mehr Baumkronenbedeckung für klimaangepasste Städte erforderlich
Der leitende Forscher und RMIT-Forschungsstipendiat Dr. Thami Croeser sagt, es sei besorgniserregend, dass die meisten Gebäude in der Studie den 30 Prozent-Test für Baumkronen nicht bestanden hätten. Da 2023 das heißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen war und 25 Prozent der Weltbevölkerung gefährliche Hitzeextreme erlebten, sei eine Baumkronenbedeckung dringend erforderlich, um Städte abzukühlen. „Frühere Forschungen haben gezeigt, dass Depressionen, Angstzustände, Fettleibigkeit und Hitzschlag in städtischen Gebieten, die keinen Zugang zu schattigen Baumkronen und grünen Freiflächen haben, häufiger vorkommen“, erklärt Croeser vom RMIT Centre for Urban Research.
„Baumkronenbedeckung erhöht nicht nur die Kühlung, sie kann auch das Hochwasserrisiko verringern, die geistige und körperliche Gesundheit fördern und die städtische Biodiversität unterstützen. Studien sagen, dass wir tatsächlich mindestens 40 Prozent Baumkronenbedeckung benötigen, um die Tagestemperaturen erheblich zu senken, sodass die ‚30‘-Metrik das absolute Minimum darstellt – und die meisten Gebäude, die wir untersucht haben, erreichen nicht einmal dieses Ziel.“
Integration von Bäumen in die Stadtplanung
Croeser sagt, dass die derzeitigen Methoden, Straßen zu gestalten, gesundes Baumwachstum nicht unterstützen, da die Planung Infrastrukturen wie Kabel und Rohrleitungen gegenüber Bäumen begünstige. „Wir müssen die Praxis ändern, dass Flächen für Gebäude und Straßen dauerhaft so bleiben müssen wie sie sind, stattdessen könnte man solche Flächen auch zugunsten einer grünen Infrastruktur umverteilen. 30 Prozent Baumkronenbedeckung scheinen eine hohe Messlatte zu sein, wenn wir so fortfahren wie bisher. Aber sie sind absolut erreichbar, wenn wir unsere Praxis ein wenig ändern. Derzeit räumen wir Bäumen wenig Priorität ein, und wenn sie Kabeln oder Rohren im Weg stehen, entfernen wir den Baum oder ersetzen ihn durch einen Setzling. Bäume frühzeitig in Straßen zu integrieren und dann Win-Win-Lösungen zu finden, um Versorgungsleitungen und Verkehrswege zu integrieren, ist eine der großen Veränderungen, die wir vornehmen müssen, um einen Unterschied zu machen.“
Zudem würden Bäume aktuell unter Bedingungen gepflanzt, die für ihr Wachstum hinderlich sind, sagt Croeser. „Der Boden ist verdichtet, es liegt Asphalt darüber und wenn es regnet, läuft das Wasser entlang der Rinnsteine in die Kanalisation statt zu den Bäumen oder in den Boden. Frühere Studien zeigen, dass Bäume bei besserer Bodenqualität, mit mehr Platz und wenn das Wasser direkt in den Boden gelangt, schneller wachsen können. So kann man den aktuellen Mangel an Kronenbedeckung adressieren. Zudem werden Bäume in städtischen Umgebungen mitunter gefällt und durch Setzlinge ersetzt oder sehr stark beschnitten, sodass nur wenige Bäume die Möglichkeit haben, zu großen alten Baumkronenbäumen heranzuwachsen, außer in einigen wenigen glücklichen Gebieten.“
Anja Lapac