Chance und Risko der Batterie-Gigafactory

Chance und Risko der Batterie-Gigafactory
Startschuss bei Northvolt in Heide Foto: northvolt

Chance und Risko der Batterie-Gigafactory

wiwo.de: Northvolt baut in Heide eine Großfabrik. Der Besuch im erstem Werk des schwedischen Batteriezellenherstellers zeigt: Es ist eine Riesenchance für die Region. Aber es drohen auch Wachstumsschmerzen.

Lorents Burman ist Northvolt-Fan, klar. „Die Gigafactory ist ein Turbo für uns“, sagt der Bürgermeister. Ein „Turbo“ für Skellefteå, seine Stadt, für Nordschweden, für das Land, ach was: für Europa. Seit elf Jahren ist Burman Chef hier im „Stadshus“, dem Rathaus am Fluss. Wie kein Zweiter kann er beschreiben, was diese Fabrik bewirkt. 2019 hat der Batteriezellenhersteller begonnen, hier – rund 200 Kilometer vom nördlichen Polarkreis entfernt – sein allererstes Werk zu bauen: „Northvolt Ett“, Northvolt Eins. Das Ziel: 60 Gigawattstunden im Jahr, genug für eine Million Elektrofahrzeuge. Jahrzehntelang war Skellefteå zuvor geschrumpft. Gold-, Kupfer- und Zinkminen, die Holzfällerei, das alles reichte nicht mehr, um den Jungen eine Perspektive zu bieten. Jetzt ziehen Menschen wieder hierher. „Im vergangenen Jahr waren es 2100 neue Leute, in diesem Jahr rechnen wir mit 2500“, sagt Burman. „Und so wird es weitergehen. Jahr für Jahr. Wir wachsen.“ Es ist eine Untertreibung: Sie boomen.

Nordschweden ist Europas Musterregion für das Ergrünen der Industrie. In den Küstenprovinzen Västerbotten und Norrbotten gibt es viel Wasserkraft, viel günstigen, erneuerbaren Strom, das neue Gold. Das lockt Gründer an und Investoren. In Boden, etwas nördlich von hier, baut die deutsche SMS-Group für das Start-up H2 Green Steel ein grünes Stahlwerk mit einer klimaneutralen Direktreduktionsanlage. Skellefteå, Northvolt-City, ist bei der Entwicklung schon ein Stück weiter.

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Vor rund zehn Jahren hat der Ort begonnen, sein Image aufzupeppen, mit einem „Marshallplan“, wie Burman es nennt. Sie haben in Infrastruktur investiert, in Schulen, auch in das markante Sara Kulturhus: 75 Meter, 20 Stockwerke hoch. Wie eine Kathedrale der Nachhaltigkeit ragt das Holzhaus aus der Stadtmitte heraus, weithin sichtbar, inklusive Wood Hotel, Konferenzzentrum, Theatersaal und Miss Voon, dem edlem Asiarestaurant – alles betrieben mit grüner Energie. Die Busse fahren, natürlich, elektrisch. Kalt, aber sexy: Das „Time Magazine“ hat Skellefteå 2022 zu einem der 50 besten Orte der Welt gekürt. Aber erst Northvolt hat dafür gesorgt, dass Skellefteå auch zu einem Ort geworden ist, an dem man die Reindustrialisierung in Reinform beobachten kann, mit einem Beat, der so anders, schneller, lebendiger klingt als das ewige Moll des Untergangs.

Baubeginn im Dithmarschen

Nun hofft Deutschland darauf, dass dieser Effekt sich exportieren lässt – nach Heide in Schleswig-Holstein. Für 4,5 Milliarden Euro soll dort ein weiteres Northvolt-Werk entstehen, Northvolt Drei, Kapazität: auch 60 Gigawattstunden, mit 3000 Jobs in der Fabrik und Tausenden weiteren im Umfeld. Ein grüner Aufschwung im strukturschwachen Kreis Dithmarschen. Das wäre doch was. 900 Millionen Euro schießen Bund und Land deshalb zu.

Dabei zeigen Begegnungen in Skellefteå, mit Peter Carlsson, dem Northvolt-Co-Gründer und Chef, mit seinen Managern, aber auch mit jenen, die Wirtschaft und Arbeitsmarkt vor Ort im Blick haben, dass so ein grüner Boom nicht nur Chancen eröffnet, sondern auch mit erheblichen Wachstumsschmerzen einhergeht.

Wenige Tage vor dem Baubeginn in Heide empfängt Carlsson in der „Managementbaracke“ von Ett. Das Werk liegt ein paar Kilometer außerhalb der Stadt, 110 Hektar groß, rund 154 Fußballfelder. Die Sonne strahlt an diesem Morgen, aber es ist klirrend kalt, neun Grad minus.

Der Begriff „Managementbaracke“ ist kein Witz. So nennen sie ihre Büros hier wirklich. Zwar hat Northvolt die erste Bauphase abgeschlossen, produziert seit 2021 in drei verbundenen Hallen „Zehntausende Batteriezellen“ pro Woche. 3000 Menschen arbeiten hier, Ende dieses Jahres sollen es 4000 sein. Aber alles ist provisorisch. Überall wird montiert. Gleichzeitig entsteht in weiteren Hallen eine zweite Produktionslinie. Insgesamt arbeiten und bauen bis zu 8000 Menschen auf dem Gelände. Alles ist in Bewegung.

Deswegen begnügt sich selbst das Management mit Büros in aneinandergereihten Containern. Außen sind die holzverkleidet, drinnen herrscht eine Atmosphäre wie in einer Bauwagenkolonie, in die plötzlich der Stab des Weißen Hauses eingefallen ist. Carlsson ist jede Woche hier, aber auch Deutschlandchef Christofer Haux sagt kurz Hallo. Carlsson, 1,95 Meter groß, ist ein hager-sportlicher Typ. An diesem Morgen, sagt er, sei er schon beim Langlaufen gewesen. Alles an ihm sitzt perfekt, bis hin zur blonden Frisur.

CEO Carlsson kann Tempo

Der frühere Tesla-Manager hat Northvolt 2016 mit einem weiteren Ex-Tesla-Kollegen gegründet. Vor ein paar Tagen hat er auf LinkedIn stolz eine Geburtstagstorte mit grünem Zuckerguss und schwarzem Schriftzug gezeigt: „Northvolt 7 years“. „Die Mission von Northvolt“, sagt er, „ist es, ein Teil der Lösung der Klimakrise zu sein. Unser Ziel ist es, die grüne Transformation zu ermöglichen.“ Und zwar mit klimaneutral erzeugten Batterien – vor allem für Elektroautos. Die Autohersteller des Westens, so die Wette, werden diese Batterien benötigen. Und: Es wird gelingen, den chinesischen Marktführern, etwa CATL, Paroli zu bieten.

Carlsson hat diese Mission mit Tempo verfolgt. Denn eines lernt man bei Tesla-Chef Elon Musk: Wer wartet, verliert. Wer gewinnen will, skaliert. Carlsson hat das beherzigt. Noch bevor eine einzige Batterie ausgeliefert war, hatte er Aufträge in Höhe von 55 Milliarden Dollar in den Büchern, Kapital in Höhe von acht Milliarden Dollar eingeworben. Anfang dieses Jahres hat er über eine Anleihe fünf Milliarden Dollar zusätzlich aufgenommen, auf 13 Milliarden Dollar Kapital aufgestockt… weiterlesen

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